BERLIN (inn) – Die deutsche und die israelische Regierung begehen das 60-jährige Jubiläum der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen auf höchster Ebene. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Präsident Jizchak Herzog besuchen sich drei Tag lang gegenseitig.
Den Auftakt machte Herzog am Montag in der Bundeshauptstadt. Präsident Steinmeier wird bei seinem Gegenbesuch in Israel in den kommenden Tagen Tel Aviv, Jerusalem und den Kibbuz Be’eri besuchen, der am 7. Oktober 2023 von Hamas-Terroristen überrannt und verwüstet worden war.
Dankbarkeit für das Geschenk neuer Beziehungen
Für Steinmeier ist Herzogs Besuch 60 Jahre nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen ein „ganz besonderer“ und ein „Geschenk nach dem Zivilisationsbruch der Schoa“. Er mache auch gleichzeitig Hoffnung für die Zukunft der bilateralen Beziehungen wie auch für den Frieden im Nahen Osten insgesamt, sagte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz.
Den Beziehungen auf staatlicher Ebene seien wissenschaftliche und gewerkschaftliche Verbindungen, aber auch der seit 70 Jahren bestehende Jugendaustausch vorangegangen. Die deutsch-israelischen Beziehungen seien nicht nur von der Vergangenheit und der deutschen Verantwortung für diese geprägt, sondern auch von geteilten Werten als rechtsstaatliche liberale Demokratien.

Die Geschichte der deutsch-israelischen Beziehungen mache dankbar, sagte Steinmeier weiter. Sie könne dazu ermutigen, Brücken zu bauen, an eine bessere Zukunft zu glauben und darauf hinzuarbeiten. Gerade in diesen schweren Zeiten könne sie Hoffnung machen, in denen Israel nicht zur Ruhe komme und sich gegen Terror und Verschleppungen zur Wehr setzen müsse und die Familien der Geiseln um das Leben ihrer Angehörigen bangten.
Der Bundespräsident sieht dabei auch die „gewaltigen Zerstörungen“ und das wachsende Leid der Menschen im Gazastreifen. Er brachte Verständnis für Israels Dilemma zum Ausdruck, eine Terror-Organisation bekämpfen zu müssen, die sich unter der Zivilbevölkerung versteckt und sich an humanitärer Hilfe bereichert. Er erinnerte an eine Aussage des ermordeten Premierministers Jizchak Rabin, dass man den Terror bekämpfen, aber zugleich den Frieden suchen müsse.
Steinmeier forderte neben der Freilassung der Geiseln durch die Hamas und einem Waffenstillstand auch, dass eine „politische Perspektive erkannt“ werden solle. Bei seinen jüngsten Reisen in den Nahen Osten habe er ein „ernsthaftes Interesse“ verschiedener arabischer Länder an einer Normalisierung der Beziehungen zu Israel erlebt, und dieses „Fenster der Möglichkeit“ tragfähiger politischer Lösungen müsse ergriffen werden, auch wenn viele in der Region die Hoffnung vielleicht schon verloren hätten.
Der Bundespräsident schloss mit den Worten ab: „Ich habe die Hoffnung auf ein starkes, demokratisches Israel, das in innerer Vielfalt und in Frieden mit seinen Nachbarn leben wird. Und in den sechzig Jahren, auf die wir heute schauen, wurde Israel für uns Deutsche immer mehr auch zu einem Anker der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Auch Israel genauso wie seine Nachbarn sollen hoffen dürfen auf eine bessere Zukunft, und soweit wir das können, werden wir das unterstützen.“
Mutiger Dialog in schwieriger Zeit
Der israelische Präsident Herzog lobte den „mutigen Dialog“, den beide Länder als Freunde führten. Er dankte Deutschland für seine Unterstützung über 60 Jahre hinweg und heute in „schwieriger Zeit“. Dabei verwies er auf das gegenseitige Verständnis von Konrad Adenauer und David Ben-Gurion, nach der „unsäglichen Katastrophe“ des Holocausts den Menschen in Israel an der Seite zu stehen.
Adenauer habe Ben-Gurions Worte über den Schmerz und die Trauer der Menschen verstanden und Verantwortung für Israel übernommen. Die zwei Regierungschefs seien sich auch darin einig gewesen, dass Israel als „Festung des Westens“ nicht allein gelassen werden dürfe.
Sein Vater, der sechste Präsident Israels, Chaim Herzog, hat das Konzentrationslager Bergen-Belsen mit befreit. Er habe gesagt, dass es kein Vergessen und kein Vergeben geben dürfe, aber dass es auch ein anderes Deutschland gebe. Und Deutschland habe seit 60 Jahren mehr für die Sicherheit und den Wohlstand Israels getan als jedes andere Land, außer den USA.
Dennoch stellt Herzog fest, dass der Schrecken des Holocausts nicht allen ausreichend bekannt sei und der Antisemitismus und Israelhass zunehme. Er sei zuversichtlich, dass die beiden Säulen der bilateralen Beziehungen, die Erinnerung an die Vergangenheit und das gemeinsame Gestalten der Zukunft, einschließlich des Jugendaustausches, weiterhin fruchtbar sein würden.
„Lass ab vom Bösen, und tue Gutes“
Herzog betonte weiter, dass Israel auch weiterhin ein „Bollwerk, ein Schutzwall der Menschheit und der Menschlichkeit und des Westens“ sei und machte auf die Bedrohung seitens des Iran aufmerksam. Der Iran habe es der Hamas ermöglicht, am 7. Oktober 2023 an einem Tag so viele Menschen zu töten, zu verbrennen, zu foltern, wie seit dem Holocaust nicht mehr. Auch mit den Huthis als verlängertem Arm bedrohe der Iran Israel und die Weltwirtschaft.
Wie der Psalmist forderte Herzog von den Feinden Israels: „Lass ab vom Bösen, und tue Gutes“ (Psalm 35,15). Die Geiseln müssten freigelassen werden, und Israel werde weiter vom Frieden mit allen Nachbarn träumen, auch mit den Palästinensern.
Deutschland und Präsident Steinmeier hätten sich intensiv für die Freilassung der Geiseln eingesetzt, wie auch für den Wiederaufbau der zerstörten Kibbuzim, die der Bundespräsident, wie bereits wenige Tage nach dem 7. Oktober, besuchen werde, um den bisherigen Erfolg beim Wiederaufbau zu sehen. Steinmeier habe durch seinen frühen Besuch inmitten des Kampfes um Israels Existenz wahre Freundschaft bewiesen.
Am 12. Mai 1965 hatten Israel und Deutschland offiziell ihre diplomatischen Beziehungen aufgenommen. (ndr)