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Wer löst die Blockade?

Vor den Knesset-Neuwahlen kämpft Premier Netanjahu an zwei Fronten. Die Wahl wird er wohl gewinnen – aber kann er dieses Mal auch eine Regierung bilden? Eine Analyse von Sandro Serafin
Zum Wahlplakat mit Trump ist eines mit Putin hinzugekommen

Da ist es wieder, das Wahlplakat. Darauf: Premierminister Benjamin Netanjahu, händeschüttelnd mit US-Präsident Donald Trump und über den Dächern Tel Avivs thronend – in „einer anderen Liga“, wie in hebräischen Buchstaben zu lesen ist. Das XXL-Plakat hatte bereits im vergangenen Parlamentswahlkampf viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Im Frühjahr wie heute versuchte Netanjahu mit seiner internationalen Reputation bei den Wählern zu punkten.

Nun stehen also schon wieder Knesset-Wahlen an, am 17. September. Netanjahu ist es nach den Wahlen im April nicht gelungen, eine Koalitionsregierung auf die Beine zu stellen. Dennoch wird der Premier bei den Wahlen nach derzeitigem Stand der Dinge wohl wieder als erster ins Ziel einlaufen. Warum auch nicht? Viel hat sich in den wenigen Monaten seit der vergangenen Wahl schließlich nicht verändert. Nicht einmal der Raketenhagel aus dem Gazastreifen im Mai mit tödlichen Folgen – der heftigste seit der Operation „Starker Fels“ im Jahr 2014 –, konnte seinem Image als „Mr. Security“ ernsthaft etwas anhaben. Es gab Kritik von Lokalpolitikern und Anwohnern des Gazastreifens, mehr aber auch nicht.

Und dennoch: Netanjahu steht vor einer ungewissen Zukunft. Bei den vergangenen Wahlen scheiterte er schließlich nicht am Wählervotum selbst, sondern überraschenderweise an der Regierungsbildung. Und die Aussichten darauf, dass ihm das, was ihm damals misslang, nun gelingen könnte, haben sich nicht gerade verbessert. Im Mai war es Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman von der national gesinnten Partei Unser Haus Israel, der die Verhandlungen platzen ließ: Der säkulare Politiker wollte keine weiteren Kompromisse mit den ultra-orthodoxen Parteien eingehen.

Lieberman liebäugelt mit Gantz

Seitdem fährt Lieberman eine scharfe Anti-Haredi-Kampagne: „Ein jüdischer Staat, kein halachischer Staat“, lautet seine zentrale Wahlkampfparole. „Wir fordern nicht, dass ihr in Überstunden arbeitet, nur dass ihr überhaupt arbeitet“, wendet sich ein Videoclip direkt an die Ultra-Orthodoxen, die wegen ihres Torastudiums in der Regel keiner normalen Arbeit nachgehen und – dies ist seit Jahren ein Hauptstreitpunkt vieler Regierungen – keinen Wehrdienst leisten. In einem anderen Video erscheint Netanjahu selbst mit schwarzem Hut und langen Schläfenlocken, dem typischen Outfit der Haredim. Lieberman wirft ihm vor, vor den Strengreligiösen eingeknickt zu sein. Seine Wunschvorstellung ist eine erweiterte große Koalition, also eine Regierung von Likud und Blau-Weiß, gestützt von seiner Partei. Hauptsache, die Ultra-Orthodoxen sitzen nicht länger in der Regierung. Zwischen Gantz und Netanjahu gebe es ohnehin „keinen wesentlichen Unterschied“.

So ein Satz ist natürlich eine Provokation für Netanjahu, der seinen Wahlkampf darauf aufbaut, dass Gantz als „Linker“ einer Gefahr für Israel sei. Somit kämpft er an zwei Fronten, neben der Wahlkampffront nach links eine zweite Front, nicht nur „links“, sondern auch „rechts-säkular“. Auffällig intensiv bemüht er sich nun um Wähler aus den Reihen der russischen „Olim“, die eigentlich Stammwähler Liebermans sind. Nur ein Beispiel: Zu dem großen Plakat mit Trump ist ein zweites mit dem russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin hinzugekommen.

Weil Lieberman sich inzwischen auch Gantz als Premier vorstellen kann, warnt Netanjahu außerdem: „Eine Stimme für Lieberman ist eine Stimme für eine linke Regierung.“ Eine Parole, die stark an den vergangenen Wahlkampf erinnert, als Netanjahu sich immer wieder als einzige rechte Alternative geriert und Wahlclips des Likud gebetsmühlenartig behauptetet hatten, Gantz sei „links und schwach“.

Diese Strategie führt die Partei auch vor den anstehenden Neuwahlen fort. Angriffspunkt bei Blau-Weiß ist neben Gantz vor allem sein Co-Chef Jair Lapid. Im Gegensatz zu den anderen drei Listenführern, Gantz, Mosche Ja’alon und Gabi Aschkenasi, hat Lapid keine militärische Karriere gemacht, sondern eine als Journalist. Ein potentielles Sicherheitsrisiko also, insinuiert Netanjahu. Schließlich soll Lapid laut Vereinbarung mit Gantz im Falle eines Wahlsieges für einen Teil der Wahlperiode Premierminister werden. „Von wem wollt ihr, dass er für Israel in der Welt kämpft?“, heißt es entsprechend in einem Clip des Likud. Das Video zieht über angeblich schlechte Englischkenntnisse Lapids her und stellt dem Netanjahus makellose Aussprache gegenüber. Am Ende heißt es: „Netanjahu. Ein bewährter Anführer“.

Lösung Einheitsregierung?

Mit Lapid trifft Netanjahu in der Tat einen wunden Punkt. Der liberale Politiker könnte für Blau-Weiß vor allem deshalb zum Problem werden, weil er sich in der Vergangenheit als Gegenspieler der Ultra-Orthodoxen profiliert hat. Die werden sich hüten, eine Koalition mit ihm einzugehen und ihn damit zum Premierminister zu machen. Eine Machtoption hat Blau-Weiß zwar auch mit den Ultra-Orthodoxen allein nicht – aber ohne sie noch viel weniger. Mosche Ja’alon, der auf Platz 3 der blau-weißen Liste kandidiert, soll Lapid unter anderem deshalb laut Medienberichten sogar als „Bürde“ bezeichnet haben.

Vieles spricht dafür, dass die Parteien nach dem erneuten Urnengang Mitte September zum Umdenken gezwungen sein werden, um die Blockade zu lösen. Denn eine Regierung des rechten Blocks ist nach Lage der Dinge nur noch schwer vorstellbar. Zwar haben sich die verschiedenen Parteien des rechten Lagers in neuen Konstellationen zusammengefunden: Am Donnerstag, dem letzten Abgabtermin für Knesset-Kandidaturen, reichte die Neue Rechte, nun unter alleiniger Führung von Ajelet Schaked, eine gemeinsame Liste mit den Pateien Jüdisches Haus und Nationale Union beim Wahlkomitee ein. Der Gedanke dahinter ist es zu verhindern, dass Wählerstimmen verloren gehen. Denn bei der vergangenen Wahl war die Neue Rechte knapp an der 3,25-Prozenthürde gescheitert.

Zu einer wirklich entscheidenden Stärkung des rechten Blocks, sodass dieser auch ohne Lieberman eine Mehrheit erzielen könnte, wird das aber wohl nicht führen, zumal die radikalen Kleinparteien Sehut und Otzma Jehudit nicht in den Zusammenschluss integriert wurden.

Und eine Mitte-Links-Regierung war zu keinem Zeitpunkt im Bereich des Vorstellbaren. Daran dürfte auch das Comeback des ehemaligen Premiers Ehud Barak nichts ändern. Vielmehr scheint sich abzuzeichnen, dass seine gemeinsame Liste mit der Meretz-Partei Stimmen von der Arbeitspartei abziehen könnte, die in einer handfesten Krise steckt. Es dürfte also lediglich zu einer Stimmverschiebung innerhalb des linken Lagers kommen.

Arabische Fraktionen wieder gemeinsam

Fraglich ist auch, wieviele Stimmen die arabischen Parteien erhalten. Nachdem sie bei der vorigen Wahl getrennt marschiert waren, treten sie dieses Mal wieder mit einer gemeinsamen Liste an. Je mehr Stimmen sie bekommen, desto schwerer könnte dies die Regierungsbildung machen. Denn sie fallen als Koalitionspartner von vornherein aus.

Am Ende könnte also nur noch die Option einer Einheitsregierung von Likud und Blau-Weiß bleiben, möglicherweise noch mit Lieberman, wie dieser es am liebsten hätte. Doch bei diesem Thema bleibt alles offen: Einerseits hat Gantz betont, um Wahlkampf nun „staatsmännischer“ auftreten zu wollen, auch mit der Absicht, Netanjahu nicht zu verprellen – so hieß es aus seiner Partei. Andererseits betonte er erst in dieser Woche, in jedem Fall Netanjahu schlagen und Premier werden zu wollen – zur Not auch in einer Koalition mit den Rechten.

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