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Netanjahu will „breite Einheitsregierung“ mit Gantz bilden

Laut dem jüngsten Zwischenstand liegt das blau-weiße Bündnis dem Likud zwei Sitze voraus. Netanjahu strebt nun eine Einheitsregierung mit Gantz an – im Verbund mit den rechten Parteien.
Trafen am Donnerstag auf dem Herzlberg zusammen: Blau-Weiß-Chef Gantz, Likud-Anführer Netanjahu und Staatspräsident Rivlin (v.l.n.r.)

JERUSALEM (inn) – Likud-Chef Benjamin Netanjahu hat am Donnerstagmorgen eingestanden, dass er keine rechtsorientierte Regierung bilden kann. „Die Menschen haben sich nicht zwischen den beiden Blöcken entschieden“, sagte der Premier in einer auf Facebook verbreiteten Videobotschaft. Deshalb gebe es keine andere Möglichkeit, „als eine breite Einheitsregierung, so breit wie möglich, zu bilden, die aus allen Fraktionen besteht, denen der Staat Israel wichtig ist“.

Medienberichten zufolge sind inzwischen 96,5 Prozent aller Stimmen ausgezählt. Demnach konnte sich das blau-weiße Bündnis leicht vom Likud absetzen: Es kommt nach derzeitigem Stand auf 33, der Likud lediglich auf 31 Sitze. Insgesamt bringt es das rechte Lager ohne Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman auf 55 Sitze. Die absolute Mehrheit liegt bei 61. Lieberman hatte sich bereits vor der Wahl für eine Einheitsregierung ausgesprochen und diesen Standpunkt auch nach dem Urnengang bekräftigt. Eine Koalition mit den religiösen und ultra-orthodoxen Parteien lehnt der säkulare Politiker ab. Einer solchen Konstellation hatte er noch bis Ende 2018 angehört.

In seiner Videobotschaft wandte sich Netanjahu auch direkt an seinen Herausforderer Benny Gantz vom Bündnis Blau-Weiß: „Die Menschen erwarten von uns beiden, Verantwortung zu zeigen und zusammenzuarbeiten.“ Der Premier forderte Gantz auf, sich noch am Donnerstag mit ihm zu treffen. Erneute Neuwahlen gelte es zu vermeiden, sagte Netanjahu weiter.

Gantz: „Einheitsregierung unter meiner Führung“

Kurz nachdem die Meldungen über die Ankündigung Netanjahus die Runde gemacht hatten, trafen die beiden Wahl-Kontrahenten am Morgen am Rande einer Gedenkveranstaltung anlässlich des dritten Todestages von Schimon Peres aufeinander. Netanjahu griff den Vorschlag einer Einheitsregierung in seiner Rede auf und verwies auch in diesem Zusammenhang auf Peres. Der hatte als Chef der Arbeitspartei in den 80er Jahren eine Große Koalition mit dem Likud geschmiedet. Dabei hatte er auch einen Rotationsdeal mit dem Likud-Anführer Jitzchak Schamir geschlossen: Dieser löste Peres nach der Hälfte der Wahlperiode im Amt des Premiers ab.

Ob eine solche Vereinbarung auch in der aktuellen Lage denkbar wäre, ist jedoch fraglich. Blau-Weiß-Chef Gantz hatte im Wahlkampf eine Kooperation mit Netanjahu vor allem wegen der gegen den Premier erhobenen Korruptionsvorwürfe kategorisch ausgeschlossen. Schon Anfang Oktober – Mitten im Prozess der Regierungsbildung – könnte der Generalstaatsanwalt endgültig Anklage gegen Netanjahu erheben. Zudem hat Gantz selbst bereits eine Rotationsdeal mit seinem Listenzweiten Jair Lapid geschlossen. Demnach soll Lapid den Posten des Premiers nach zweieinhalb Jahren übernehmen.

Am frühen Nachmittag reagierte Gantz auf den Aufruf Netanjahus. Er beabsichtige, eine „breite, liberale Einheitsregierung unter meiner Führung“ zu bilden, beanspruchte der Ex-Armeechef während einer Fraktionssitzung den Wahlsieg für sich. Auch sein Partner Lapid meldete sich zu Wort: „Wenn Netanjahu zurücktritt, wird es eine Einheitsregierung geben“, sagte der zentristische Politiker. Die Öffentlichkeit habe dem Premier ihr Vertrauen entzogen. „Jetzt versucht er die Öffentlichkeit zu ersetzen“, warf Lapid Netanjahu vor, „uns in eine weitere Wahl zu zerren“.

Rivlin erfreut über Netanjahus Äußerungen

Noch vor Netanjahus Aufruf an Gantz hatten sich zwei Knesset-Abgeordnete des blau-weißen Bündnisses gegenüber der Tageszeitung „Ha’aretz“ aufgeschlossen gegenüber einer Koalition mit Netanjahu gezeigt. Gleichzeitig betonte einer von ihnen allerdings, dass dies nicht dem Standpunkt der blau-weißen Führung entspreche. Der Premier zeigte sich am Nachmittag „überrascht und enttäuscht“, dass Gantz sich weigere, auf die Gesprächsbitte einzugehen.

Zuspruch erhielt der Vorschlag von Staatspräsident Rivlin. Ihm kommt nun die Aufgabe zu, den Auftrag zur Regierungsbildung zu erteilen. „Ich vernehme die Stimmen, die zur Errichtung einer breiten und stabilen Einheitsregierung aufrufen und gratuliere Ihnen, Herr Premierminister, dass Sie heute Morgen in diese Rufe eingestimmt haben“, sagte Rivlin bei der Gedenkveranstaltung für Peres.

Am Mittwoch hatte Netanjahu erklärt, dass es „nur zwei Optionen“ gebe: „Eine Regierung unter meiner Führung oder eine gefährliche Regierung mit den arabischen Parteien“, sagte der Premier am Rande einer Fraktionssitzung des Likud. Zuvor war er mit den Chefs der rechts-religiösen und ultra-orthodoxen Parteien übereingekommen, bei möglichen Koalitionsverhandlungen als ein gemeinsamer Block mit einem „gemeinsamen Verhandlungsteam“ aufzutreten. Dies bekräftigte Netanjahu am Donnerstag in seiner Videobotschaft.

Netanjahu traf sich am Donnerstagmorgen mit den Spitzen der rechts-religiösen und ultra-orthodoxen Listen Foto: Likud
Netanjahu traf sich am Donnerstagmorgen mit den Spitzen der rechts-religiösen und ultra-orthodoxen Listen

Rechte Parteien wollen nur als Block in Koalition eintreten

Der Premier erhoffe sich davon, als erster den Regierungsbildungsauftrag von Staatspräsident Rivlin zu erhalten, obwohl seine Likud-Partei am Ende wohl weniger Knesset-Sitze als das blau-weiße Bündnis belegen dürfte, spekulieren Beobachter. Rivlin ist gehalten, den Auftrag an den Knessetabgeordneten zu vergeben, der die größten Chancen hat, eine Regierung zu bilden.

Am Donnerstagmorgen unterzeichneten die rechts-religiösen und ultra-orthodoxen Parteien gemeinsam mit Netanjahu dann auch schriftlich eine Vereinbarung, nach der sie nur als Block in eine Koaltion eintreten wollen oder gar nicht. „Unser Kandidat für den Premierminister ist Benjamin Netanjahu“, halten die Parteien in der Übereinkunft außerdem fest.

Angesichts der politischen Umstände sagte Netanjahu am Mittwoch seinen geplanten Auftritt vor der UN-Generalversammlung in der kommenden Woche ab. Er wird von Außenminister Israel Katz vertreten. Seit 2011 hatte der Premier jedes Jahr vor der UN-Vollversammlung gesprochen.

Von: ser

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