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Kein klarer Wahlausgang in Sicht

Nach dem Wahlabend zeichnet sich kein klares Ergebnis ab. Die beiden größten Parteien verlieren Mandate, Israel Beiteinu gewinnt deutlich hinzu. Nun stehen die Planspiele für mögliche Regierungsbildungen im Vordergrund.
Das Handwerk der Demokratie: In den Paketen warteten die abgegebenen Wahlzettel auf ihre Auszählung

JERUSALEM (inn) – Auch die zweiten Knesset-Wahlen im Jahr 2019 werden Hochrechnungen zufolge kein klares Ergebnis bringen. Die beiden stärksten Parteien Likud und Blau-Weiß lagen in den Hochrechnungen mit jeweils 32 Sitzen lange gleichauf. Am Mittwochnachmittag zeichnete sich für Blau-Weiß dann ein Vorsprung von einem Sitz ab, weil der Likud auf 31 zurückgestuft wurde. Inzwischen sind 90 Prozent der Stimmen ausgezählt.

Auch bezüglich der Regierungskoalitionen hat der Likud derzeit das Nachsehen: Mit den Listen Schass (9), Vereinigtes Tora-Judentum (8) und Jamina (7) käme dieser Block auf 55 Mandate. Der Block um Blau-Weiß mit der Vereinigten Liste (13), der Arbeitspartei (6) und dem Demokratischen Lager (5) bringt es auf 56 Mandate.

Einheitsregierung anvisiert

Gewichtig für den weiteren Verlauf im politischen Israel wird nun Beobachtern zufolge Israel Beiteinu. Die Partei von Avigdor Lieberman verzeichnet einen starken Zugewinn und kommt auf 9 Sitze anstatt auf 5 wie noch im April. Damit könnte sie dem jeweiligen Block zu einer nötigen Regierungsmehrheit von 65 beziehungsweise 64 Sitzen verhelfen.

Denkbar ist auch eine Einheitsregierung mit Israel Beiteinu als Drittem im Bunde; die hätte eine komfortable Mehrheit von 72 Sitzen. Blau-Weiß-Chef Benny Gantz sprach sich am Mittwochmorgen dafür aus: „Ich wünsche dem Staat Israel eine starke Einheitsregierung.“

Lieberman wurde bei der Sichtung der ersten Prognosen und Hochrechnungen noch deutlicher und sprach in einer Rede bei der Wahlveranstaltung seiner Partei von einer Einheitsregierung als „einziger Option“. „Unsere Sicherheit und Wirtschaft sind in einer Notfallsituation. Daher muss der Staat eine breite nationale und liberale Regierung haben – und keine, die Woche für Woche um ihr Überleben kämpft.“

Skepsis beim Likud

Neben Blau-Weiß erwägt der Likud ebenfalls eine Einheitsregierung, denkt dabei aber auch an die Arbeitspartei als drittem Partner. Diese Konstellation käme auf 69 Sitze. Medienberichten zufolge haben sich Likud-Vertreter mit diesem Anliegen an den Vorsitzenden der Arbeitspartei, Amir Peretz, gewandt. Doch dieser lehnte bereits ab: Sein Ziel sei es, Netanjahu zu Fall zu bringen.

Allerdings scheint eine Einheitsregierung bei Likud-Anhängern nicht populär zu sein. Während der Rede Netanjahus bei der Likud-Wahlveranstaltung riefen viele in Sprechchören: „Nein zu einer Einheitsregierung“. Netanjahu selbst legte sich nicht fest, sprach nur davon, die aktuellen Koalitionäre wollten auch eine Regierung bilden. Netanjahu betonte, es gehe darum, eine „anti-zionistische Regierung“ zu vermeiden.

Der Vorsitzende des Demokratischen Lagers, Ehud Barak, brachte indes eine Minderheitsregierung unter Gantz ins Gespräch. Gemeinsam mit der Arbeitspartei und Israel Beiteinu käme dieses Bündnis auf 52 Sitze. Barak rechnet mit „Außenunterstützung“ durch die Gemeinsamen Liste, was eine spontane Mehrheit von 65 Sitzen bringen würde.

Dämpfer für Großparteien

Die beiden großen Parteien verloren im Vergleich zu den Wahlen im April jeweils drei Mandate. Der Likud-Abgeordnete Miki Sohar gibt in seiner Analyse dem umstrittenen Kamera-Gesetz die Schuld. Kurz vor den Wahlen wollte der Likud damit erreichen, Kameras an Wahlurnen zu installieren, um möglichen Wahlbetrug bei Arabern aufzudecken. Das Gesetz kam nicht durch die Knesset, hatte laut Sohar aber einen Effekt: „Es weckte den arabischen Sektor auf, der daraufhin zu den Urnen ging, während es zugleich die rechten Wähler einlullte, die zuhause blieben.“

Die Nationalreligiösen, die zuvor mit dem Bündnis Vereinigte Rechte 5 Mandate erringen konnten, legten im neu geschmiedeten Bündnis Jamina um zwei Sitze zu. Die Partei Otzma Jehudit schaffte es nicht über die Hürde von 3,25 Prozent. Vor der Wahl stand zur Debatte, ob sich die Partei um Itamar Ben Gvir dem Bündnis Jamina anschließt. Bei den Wahlen im April trat sie noch in der Union Rechter Parteien an. Die Entscheidung, es nun allein zu versuchen, war aus Sicht der Partei offenkundig falsch.

Als drittstärkste Kraft konnte die Vereinigte Liste, das Bündnis von vier arabischen Parteien, 13 Mandate erringen. Bei den Wahlen im April waren diese noch in Zweierbündnissen angetreten und kamen zusammen auf 10 Mandate. Der Vorsitzende Ajman Odeh äußerte sich am Mittwochmorgen vorsichtig: „Es ist möglich, dass wir dem Präsident Reuven Rivlin Benny Gantz als Regierungschef empfehlen.“

Die ultra-orthodoxen Parteien konnten ihre Ergebnisse vom April halten – wobei Schass wohl einen Sitz hinzugewinnt. Der Schass-Vorsitzende und Innenminister Arje Deri sagte am Dienstagabend angesichts der ersten Prognosen, er werde „nur“ Netanjahu als Premier empfehlen. Der Vorsitzende vom Vereinigten Tora-Judentum und stellvertretende Gesundheitsminister Ja’akov Litzman formulierte es ähnlich: Seine Partei werde sich an Netanjahu halten.

Dieser Artikel wurde am 18. September 2019 um 14.29 Uhr zuletzt aktualisiert.

Von: df

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