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„Nur zwei Menschen in dieser Straße haben überlebt“

Sieben Wochen nach dem 7. Oktober sind im Kibbutz Kfar Asa noch immer nicht alle Leichen identifiziert. Von den Überlebenden denken nur die wenigsten an eine Rückkehr.
Von Valentin Schmid

Nicht nur die vielen Trümmer machen es schwer, durch die Straßen von Kfar Asa zu laufen. Auch der Anblick ist unerträglich. Entlang einiger Reihenhäuser lassen Gewürze und Ölflaschen auf dem Boden erahnen, dass die Wohnungen im Eingangsbereich ihre Küchen hatten. Doch es riecht nicht nach Essen, es riecht nach Asche und Verbranntem.

In einem Wohnzimmer sind Möbel, Wände und Decke mit so vielen Einschusslöchern übersät, dass sie sich kaum zählen lassen. Nebenan das Schlafzimmer – voller Kleider und Unterwäsche. Viele Bewohner wurden noch in ihrem Bett massakriert.

Foto: Valentin Schmid
Die Decke eines Wohnzimmers ist übersät von Einschusslöchern

„Hier haben fast nur junge Menschen gelebt“, sagt ein Soldat des israelischen Militärs. „Singles, Studenten und Familien.“ Er starrt in eine große Pfütze zwischen den Trümmern. „Nur zwei Menschen in dieser Straße haben überlebt. Man weiß nicht, wie, aber irgendwie haben sie es geschafft.“

Ob es Zufall ist, dass die Hamas am 7. Oktober gerade hier wütete? Eine Satellitenkarte von Kfar Asa, gefunden am Körper eines toten Terroristen, legt das Gegenteil nahe. Darauf ist eine Grundschule eingezeichnet, ein Jugendzentrum und andere besonders wunde Punkte.

„Die Zahlen ändern sich schnell“

„Wir haben ja eigene Sicherheitskräfte im Kibbutz“, erklärt Israel Lender. Aber die meisten seien schon auf dem Weg zum gemeinsamen Waffenraum erschossen worden. „63 Menschen sind gestorben, 18 entführt.“ Danach seien Leute aus Gaza gekommen, mit Beuteln und Eimern, um die Häuser von Kfar Asa zu plündern.

Foto: Valentin Schmid
Erst am Mittag des 8. Oktobers konnte Israel Lender seinen Bunker verlassen  

„Wir waren 36 Stunden im Bunker. Durch das Fenster hörten wir, wie unsere Leute getötet wurden. Jeder Schrei war in meinem Herzen wie“, der 66-Jährige verstummt. „Ich habe nicht genug Worte, um dir das zu erklären.“

Eine Armeesprecherin springt ein. Es habe mindestens drei Vorstöße gegen den Kibbutz gegeben. Mit Paraglidern, Motorrädern und Trucks sei die Hamas gekommen, um die 53 Zivilisten zu töten. „Nein, 63!“, wirft Israel Lender ein. „Die Zahlen ändern sich schnell“, resümiert die Sprecherin nach einer kurzen Diskussion. Und tatsächlich sind in Kfar Asa noch immer Archäologen am Werk, um die Asche verbrannter Häuser nach menschlichen Überresten zu durchsuchen.

Foto: Valentin Schmid
Selbst in der Asche wird noch nach Spuren der Opfer gesucht

„Entweder die oder wir“

Einige Meter weiter steht Hanan, 39, zwischen den Überresten seines alten Lebens. „Ich habe es mir zur Angewohnheit gemacht, jede Woche herzukommen, um meinen Garten wieder herzurichten.“ Er trägt ein weißes T-Shirt mit roter Aufschrift: „Kfar Asa ist unser Zuhause.“

Plötzlich durchdringt ein lauter Schlag die Stille – doch Hanan zuckt nicht zusammen. „Das ist nur die Artillerie der israelischen Armee“. Mit der Zeit habe er gelernt, die Situation anhand der Geräusche einzuschätzen. Mörsergranaten aus Gaza, die israelische Raketenabwehr, das alles sei Teil seines Lebens gewesen.

Foto: Valentin Schmid
Nur schweren Herzens kann Hanan seine alte Heimat besuchen

Neu waren die Geräusche der Kalaschnikow am Morgen des 7. Oktober. „Die Sicherheitsräume sind so gemacht, dass sie vor Bomben schützen, nicht vor Terroristen. Die Türen lassen sich nicht abschließen, damit Rettungsteams die Menschen rausholen können.“

Ein Leben neben den „Gaza-Nachbarn“ kann sich Hanan nicht mehr vorstellen. „Jetzt sind es entweder die oder wir.“ Er betont mehrmals, kein politischer Extremist zu sein. Aber dieser Tag habe jeden verändert.

Valentin Schmid studiert derzeit an der Hebräischen Universität Jerusalem.

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8 Antworten

  1. Kibbutz Kfar Asa zeigt uns allen, wie grausam die HAMAS ist, wir müssen uns immer wieder vor Augen halten, was am 7.Oktober passiert ist. Sowohl der 7.10.23 als auch der 24.2.22 werden immer Daten des Schreckens bleiben, und die Menschlichkeit geht in dieser Welt immer weiter verloren. Darum müssen wir kämpfen und zu einer Welt zurückfinden, in denen die bösen Mächte nicht länger das Sagen haben.
    Gerade ein Kibbutz symbolisiert eine andere, bessere Welt, in der die Menschen füreinander da sind und miteinander zusammenleben.

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  2. Für mich zeigt dieser Beitrag das es keine Zwei-Staaten Lösung geben kann und schon garkein friedliches nebeneinander mit den Hamasfreunden. Ich kann nur sagen: IDF Feuer Frei!

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    1. Natürlich kann es eine Zwei-Staaten-Lösung geben. Wir hatten das Thema schon gefühlt 123x hier.

      Nur eben nicht mit diesem Pack. Und auch nicht mit dem offenbar senilen Opi Abbas in Ramallah. Und waffenfrei. Unter starker Einbindung gemässigter arabischer Staaten, die ein Auge auf ihre eher unbeliebten, kriegerischen Brüder haben. Und. Und. Und. Wer über sieben Jahrzehnte zu jedem Vorschlag nur NEIN plärrt, muss am Ende eben eher bescheidene Ergebnisse akzeptieren.

      „Feuer Frei“ pflichte ich Ihnen bei. Für diese Mörderband von kleinen Kinder und Senioren ist jede Gefängniszelle zu schade. Hoffe auf effiziente IDF-Schläge nach Ablauf des Waffenstillstandes.

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      1. @Eddie Jobson
        „Hoffe auf effiziente IDF-Schläge nach Ablauf des Waffenstillstandes.“ Das nennen wir gesunder Pazifismus.

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      2. Leider ändert sich an dem „Pack“ nichts. Neueste Umfragen haben ergeben, dass ca 85 % der Pal. in WJL die Hamas unterstützen. Und ein Land – ich meine es war Ägypten, bin mir aber nicht ganz sicher – hat gesagt, die Hamas ist eine politische Partei, die kann man nicht übergehen. Wie soll so eine Zwei-Staaten-Lösung gehen? Zumal dafür sowohl in der PLO-Charta und Hamas-Charta die Vernichtungsklausel Israel raus muss. Und die wird nie rauskommen. Also Zwei-Staaten-Lösung einmotten.

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  3. Ich bin mir sicher.
    In 3 Jahren werden die überfallenen Dörfer schöner und prosperierender sein als je zuvor.
    Genau das macht Israel aus.

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  4. Israel soll sich an die Koventionen von was weiß ich nicht alles halten, aber bei den HAMAS lässt man alles durchgehen? Und mahnt „Verhältnismäßigkeit“ an? Damit ist hoffentlich Schluss!

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