Netanjahu reicht Gnadengesuch ein

Netanjahu bittet Herzog um Begnadigung. In Israels Interesse müsse der Prozess gegen ihn sofort beendet werden. Die Opposition fürchtet eine Beschädigung staatlicher Institutionen, sollte dem Gesuch stattgegeben werden.
Von Israelnetz
Oppositionsführer Herzog hat in den Wahlen deutlich gegen Netanjahu verloren. (Archivbild)

JERUSALEM (inn) – Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu (Likud) hat am Sonntag formal ein Gnadenersuch beim Staatspräsidenten Jizchak Herzog eingereicht – jedoch ohne irgendeine Schuld einzugestehen. Herzog erklärte, das Gesuch prüfen zu wollen. Das Justizministerium werde Stellungnahmen aller relevanten Behörden einholen.

Seit 2020 läuft gegen Israels Premierminister ein Verfahren wegen Betrugs, Bestechung und Untreue. Erste Vorwürfe kamen schon 2017 auf. Netanjahu hat von Beginn an jede Schuld zurückgewiesen und den Prozess wiederholt als politisch motivierte Hexenjagd bezeichnet. Die Opposition hingegen forderte aufgrund der Schwere der Vorwürfe seinen Rücktritt.

Netanjahu beschwört nationale Einheit

In einer Stellungnahme, die am Sonntag auf X veröffentlicht wurde, bestritt Netanjahu aufs Neue die gegen ihn erhobenen Vorwürfe und zog die Rechtmäßigkeit des Verfahrens gegen ihn in Zweifel. Seine Bitte um Begnadigung erklärte er mit der unzumutbaren Forderung des Gerichts, das ihn verpflichtet habe, an drei Tagen in der Woche auszusagen.

Auch kam er auf Donald Trumps Forderung zu sprechen, den Prozess gegen den israelischen Premier sofort zu beenden, damit die USA und Israel ohne Hindernisse und auf Basis gemeinsamer Interessen weiter zusammenarbeiten können. Der republikanische US-Präsident hatte während seiner Knessetrede am 13. Oktober Jizchak Herzog direkt angesprochen und gerufen: „Herr Präsident, warum begnadigen Sie ihn nicht?“

In seiner Ansprache betonte Netanjahu zudem, es sei im besten Interesse des Landes, den Korruptionsprozess gegen ihn zu beenden. Israel stehe vor enormen Herausforderungen und „um den Bedrohungen zu begegnen und Möglichkeiten zu ergreifen, ist nationale Einheit essentiell“. Er fuhr weiter fort: „Der laufende Prozess zerreißt uns von innen, befeuert erbitterte Uneinigkeit und vertieft die Spaltung.“ Seine sofortige Beendigung würde „Spannungen abbauen und eine umfassende Versöhnung fördern, die unser Land so dringend nötig hat“.

Kritik am Gnadengesuch aus der Opposition

Nach Bekanntgabe des Gnadenbesuchs kam es vor Herzogs Haus in Tel Aviv zu Protesten. Die Demonstranten sprachen sich gegen eine Begnadigung aus, denn damit würde Netanjahu seiner Verantwortung entgehen.

Die Opposition forderte Herzog dazu auf, das Gnadengesuch abzulehnen. Oppositionsführer Jair Lapid (Jesch Atid) erklärte in einer Stellungnahme, dass die Begnadigung ein Schuldeingeständnis und Reue voraussetze. Außerdem müsse Netanjahu sofort von seinem Amt zurücktreten.

Eine Denkfabrik des Israelischen Demokratie-Instituts widerspreche jedoch dieser Aussage. Bereits im November hatte die Einrichtung auf ihrer Homepage einen Artikel veröffentlicht, wonach es kein Gesetz gebe, das ein Schuldeingeständnis als Bedingung für ein Gnadenersuch vorschreibe, schreibt die Nachrichtenseite „Times of Israel“.

Andere Kritiker führen an, dass eine Begnadigung während eines laufenden Verfahrens die Rechtsstaatlichkeit untergrabe und den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz verletzen würde.

Die Aufgabe, vor der Herzog steht, ist keine leichte: Anhänger wie Gegner Netanjahus setzen ihn unter Druck, eine Entscheidung in ihrem Sinne zu treffen. Indes teilte sein Büro in einer Stellungnahme mit, Herzog sei sich bewusst, „dass dies eine außergewöhnliche Bitte ist, die erhebliche Auswirkungen mit sich bringt“. Weiter heißt es: „Nachdem alle relevanten Stellungnahmen eingegangen sind, wird der Präsident die Bitte verantwortungsbewusst und aufrichtig prüfen.“ (mw)

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8 Antworten

  1. Die rechtsnationale ultraorthodoxe regierung spaltet die israelische gesellschaft in nie dagewesener art und weise, und anschliessend soll eine begnadigung des hauptverantwortlichen fuer dieses desaster als „dringend benötigt“ deklariert werden, um die nationale versoehnung voranzubringen?
    Die einnzige massnahme, die die menschen wieder zusammenführen könnte, wäre der sofortige Rücktritt dieser bande mitsamt ihrem korrupten Anführer. was für ein unglaubliches schmierentheater.

    Ich hoffe, Präsident Herzog lässt sich auf dieses durchschaubare Manöver nicht ein. Schließlich hatte Herzog in der Vergangenheit gesagt, dass kein Mensch über dem Gesetz steht.

    Falls er in begnadigt, dann dürfte in Israel, der Bruch in der Bevölkerung nicht mehr zu reparieren sein.

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  2. Netanjahu bittet Herzog um Begnadigung. Wir auch.
    Staatspräsidenten Jizchak Herzog muss den Gnadengesuch stattgeben!

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  3. Um ehrlich zu sein, habe ich mich zu wenig mit den Vorwürfen und deren Begründung beschäftigt, als dass ich jetzt etwas darüber schreiben könnte.

    Ich möchte nur anmerken, dass bei WELT im Kommentarbereich sofort wieder einige mir bekannte Israel-Hasser ihr Bestes gaben und fragten, ob Israel ein Rechtsstaat sei, wenn der „abgrundtief böse“ Netanjahu begnadigt würde. Diese Leute vergessen: auch in Deutschland hat der Bundespräsident die Möglichkeit der Begnadigung. So wurde der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler wiederholt von damals noch inhaftierten RAF-Terroristen in einem offiziellen Schreiben um Begnadigung wegen der noch zu verbüßenden Haftstrafe gebeten. Nach Gewissensprüfung lehnte Köhler allerdings das Gnadengesuch ab.

    Um es deutlich zu machen: es ging den Israel-Hassern nicht darum, ob man erst verurteilt werden müsste (wie im Artikel ja ebenfalls von einer Seite eingebracht wurde), um begnadigt zu werden, sondern grundsätzlich darum, ob Israel ein Rechtsstaat wäre. Natürlich ist Israel das, denn wie beim Beispiel Köhler gibt es viele Demokratien, in denen der (Staats-, bei uns der Bundes-) Präsident diese Möglichkeit hat.

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  4. Shalom,-Gideon Lahav@-Ich unterstütze 100% ihre hier geschriebene Meinung.Wer anderst denkt ist gegen Israel und unser Volk und unsere Tapferen Soldaten. Jerusalem

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    1. Shalom Jerusalem und danke dafür 👍.
      Die Israelische Bewegung für Regierungsqualitäthat liegt richtig, eine Begnadigung mitten im Prozess bedeute den Tod der Demokratie.

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    2. @Jerusalem :Also, ich möchte jetzt nicht mit Präsident Herzog tauschen ! Shalom Jerusalem, schön von Dir zu lesen. Habe vor ein paar Tagen in der „Tribune juive“ einen spannenden Artikel über die Einheit Oketz gelesen und dabei an Dich und Deine Kameraden gedacht. Ein Soldat erzählte, wie er beim Tod seines Hundes geweint hat. Die Einheit wurde bezeichnet als „die den Weg frei machen“.

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  5. B.N. sollte seine Berater auswechseln lassen.

    Denn das Begehren, WÄHREND eines anhängigen Strafverfahrens begnadigt zu werden, griffe massiv in die Kompetenzen einer der drei Gewalten ein. Geht gar nicht. Mit Gottes Hilfe nicht. Und ohne auch nicht.

    Sobald ein Urteil gegen den Helden eines Teiles der hiesigen Leserschaft bestandskräftig ist, DANN darf man gerne bei Herrn Herzog anklopfen.

    Das war jetzt BasisWissen Jus-STudium 2.Semester… .

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  6. Herzog hat schon vor längerem gesagt, dass dieser Prozess eingestellt werden sollte. Ein Prozess, der über 5 Jahre geht und zu keinem Ergebnis führt, sollte in der Tat überdacht werden.

    Ja, es ist richtig, in Israel steht keiner über dem Gesetz, das merkt man auch an den Verurteilungen führender Politiker in der Vergangenheit. Aber man hat hier hunderte Zeugen aufgeboten und immer noch kein Urteil?

    Ob Netanjahu unschuldig ist oder nicht kann ich nicht beurteilen, aber wohl auch die nicht, die hier schreien: hängt ihn.

    Die Argumentation, man stellt den Prozess ein gegen ein Geständnis und den Rückzug aus der Politik ist eine – mit Verlaub – sehr fragwürdige Auslegung von Gericht. Wenn eine Schuld besteht, dann hat man zu verurteilen. Wenn man dies nicht will, dann stimmt – sorry, das Rechtsverständnis wohl nicht. Denn das heißt nichts anders, wir legen das Gesetz so aus, wie wir wollen. Wenn einem die Nase nicht gefällt, sperrt ihn ein. Wenn die Ideologie stimmt, das Parteibuch, wenn es Familie ist oder jemand aus dem Freundeskreis, dann kann er morden, vergewaltigen, stehen, dann ist alles gut. Lasst ihn laufen.

    Dann ist aber die Rechtsprechung manipulierbar. Will man das?

    Dieser Prozess muss beendet werden und zwar in den nächsten Monaten und nicht erst in 15 Jahren oder man stellt ihn jetzt wirklich ein. Wenn ein Politiker meint, dass er nur so an die Macht kommen an, indem man das Gericht zur Lachnummer macht, dann ist ein solcher Politiker wohl fehl am Platz in der Verantwortung. Und der Prozess eine Farce.

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