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Als sich Barak und Arafat gegenseitig an Höflichkeit überboten

Vor 20 Jahren trafen sich der damalige israelische Premier Barak und Palästinenserführer Arafat zu Friedensgesprächen in den USA. Was genau verhandelt wurde, ist bis heute nicht klar. Ein Ergebnis brachte der geheime Austausch in Camp David jedoch nicht.
Obwohl sich Barak und Arafat im Wald fröhlich die Hände schüttelten, blieb der von Clinton angeregte Gipfel ohne Ergebnis

Im Sommer des Jahres 2000 kam US-Präsident Bill Clinton auf die Idee, im Nahen Osten Frieden zu schaffen. Zu diesem Zweck lud er ab dem 11. Juli die beiden Kontrahenten, den Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) Jasser Arafat und den israelischen Premierminister Ehud Barak, zum Feriensitz der amerikanischen Präsidenten in Camp David ein. Die Camp-David-Verhandlungen 1978 unter Jimmy Carter hatten zum israelisch-ägyptischen Friedensvertrag geführt, nun wollte auch Clinton seine Laufbahn mit einem entsprechenden Eintrag in die Geschichtsbücher beenden. In der idyllischen Abgeschiedenheit sollten sich der Palästinenser und der Israeli auf ein friedliches Miteinander einigen.

Unvergessen ist die Szene, wie die drei auf eine der Hütten zugehen. Arafat trug Uniform und hatte seine zur Landkarte Palästinas geformten Keffije auf dem Kopf, Barak zeigte sich im schwarzen Hemd ohne Krawatte und schließlich Clinton, der seine beiden Gäste um eine Kopflänge überragte. Nachdem Clinton durch die Tür hineingegangen ist, rangelten Barak und Arafat, um dem jeweils Anderen den Vortritt zu geben – wohlwissend, dass Kameras auf sie gerichtet waren. Am Ende schubste Barak den Palästinenser durch die Tür, während Clinton Arafat von innen hereinzog. Barak betrat als letzter die Hütte.

Wie die geheimen Verhandlungen verliefen, ist bis heute umstritten. So ist unklar, welches Angebot Barak gemacht hat, während die Palästinenser, darunter ihre Sprecherin Hanan Aschrawi, beklagten, was ihnen nicht angeboten worden sei. Der künftige palästinensische Staat sei ein unzusammenhängender Flickenteppich ohne eigene Kontrolle der Außengrenzen.

Clinton sagte auch, er habe Arafat seinerzeit unverblümt widersprochen, als der palästinensische Führer in einem ihrer letzten Gespräche Zweifel daran äußerte, dass der alte jüdische Tempel tatsächlich unter dem islamisch geführten Gelände in Jerusalem liegt, auf dem die Al-Aqsa-Moschee und der Felsendom stehen. Dies war ein kritischer Streitpunkt, da die Klagemauer, ein Überbleibsel der Stützmauer des Tempelareals, die heiligste Stätte im Judentum ist und die Israelis dort ihre Souveränität aufrechterhalten wollten. „Ich weiß, dass er da ist“, sagte Clinton zu Arafat. Der Kampf um den Tempelberg, dessen Bezug zum Judentum bis heute von palästinensischer Seite abgestritten wird, bleibt ein Schlüsselthema für den Nahostkonflikt.

„Trauen Sie Arafat nicht“

Klar ist nur, dass Camp David mit einem „Fiasko“ endete. Als sich nach der Wahl Georg W. Bushs der Republikaner und sein Vorgänger Bill Clinton am 20. Januar 2001, dem Tag der Präsidentenvereidigung, begegneten, wünschte Clinton dem Nachfolger viel Glück. Dann gab er noch einen Ratschlag, um den Bush nicht gebeten hatte: „Trauen Sie Arafat nicht, er ist ein Lügner und wird Sie immer täuschen.“

Fast ein Jahr, nachdem er in Camp David keine Einigung erzielt hatte und George W. Bush die Wahl gewonnen hatte, erzählte der ehemalige Präsident Clinton den Gästen einer Party in der Wohnung des früheren US-Botschafters Richard Holbrooke in Manhattan, dass Arafat drei Tage vor seinem Ausscheiden aus dem Amt angerufen hatte, um sich von ihm zu verabschieden. „Du bist ein großartiger Mann“, sagte Arafat. „So ein Unsinn“, sagte Clinton und antwortete: „Ich bin ein kolossaler Versager, und du hast mich zu einem gemacht.“

Clinton berichtete auch, er habe Arafat gesagt, dass der palästinensische Führer durch die Ablehnung des besten Friedensabkommens, das er jemals bekommen werde, nur die Wahl des Falken Ariel Scharon garantiert habe. Scharon hatte am 6. Februar 2001 einen Erdrutschsieg errungen. Damit war der politische Wechsel von links nach rechts nach den USA auch in Israel vollzogen.

Weiter enthüllte Clinton, dass entgegen der konventionellen Lesart nach dem Ende von Camp David am 25. Juli 2000 das Hauptproblem, das die Gespräche in ihrer letzten Phase torpedierte, nicht die Teilung Jerusalems zwischen Palästinensern und Israelis war, sondern die palästinensische Forderung nach einem „Rückkehrrecht“ von arabischen Flüchtlingen aus dem ehemaligen Mandatsgebiet Palästina und ihren Nachkommen nach Israel. Ein Tabuthema für die Israelis, denn das wäre demografisch betrachtet das Ende des jüdischen Staates.

Baraks Rückzug aus dem Libanon

Als Hintergrund muss noch ein weiteres Element dieses Scheiterns erwähnt werden, über das nur selten im Zusammenhang mit Camp David geredet wird: Im Januar hatte Barak angekündigt, alle Truppen aus dem Südlibanon zurückziehen zu wollen, wegen der zahlreichen Toten unter israelischen Soldaten durch die Einwirkung von Hisbollah-Kämpfern. Der Rückzug wurde genau zwei Wochen vor den Gesprächen in Camp David vollzogen. Für die palästinensische Seite war dies ein Signal, dass Terror nützt. Sie bewerteten den Rückzug als wichtigen Etappensieg.

Seit der Ankündigung von Barak hatte Arafat deshalb begonnen, zusammen mit Vertrauten wie Marwan Barghuti die „zweite Intifada“ vorzubereiten. Das geschah völlig offen. Im Sommer, noch vor Camp David, waren Palästinenser zum Beispiel von der BBC gefilmt worden, wie sie trainierten, eine israelische Stellung auf einem Hügel zu erobern, auf dem ein Stuhl mit israelischem Fähnchen aufgestellt worden war. Im Juni hat dann Arafat in einer Rede in Nablus den baldigen Ausbruch eines großen gewalttätigen Aufstandes (Intifada) gegen die Israelis angekündigt.

Erschütternd war, dass Barak und die israelischen Geheimdienste von diesen aktiven Vorbereitungen zu einem „Bürgerkrieg“ gegen Israel nichts bemerkt haben wollen. Grund war ein politisches „Konzept“, das zu einer von oben befohlenen „Blindheit“ führte. Ein Wahrnehmen der kriegerischen Aktionen hätte bei dem Versuch gestört, Arafat als „Friedenspartner“ zu inszenieren und mit ihm in Camp David eine friedliche Einigung auszuhandeln. Für die Israelis war die Politik des Wegschauens unter Barak ein ähnliches Debakel wie 1973 der Jom-Kippur-Krieg. Auch damals wollten die Geheimdienste aus politischen Gründen entsprechende Vorbereitungen Syriens und Ägyptens nicht zur Kenntnis nehmen.

Diese verfügte Blindheit führte auch dazu, dass Barak, der von manchen Leuten auch als „Autist“ bezeichnet worden ist, nichts getan hat, um die „zweite Intifada“ zu verhindern. Durch öffentliche Kritik und andere Maßnahmen hätten die Israelis leicht einen Strich durch diese palästinensischen Vorbereitungen machen können. Durch Schweigen und Wegschauen förderten sie geradezu diese Absichten Arafats.

Joschka Fischer wusste Bescheid

Bemerkenswert ist hier, dass der damalige deutsche Außenminister Joschka Fischer besser Bescheid wusste als die Israelis. Fischer war sehr engagiert mit Vermittlungsbemühungen und hatte den Finger am Puls beider Kontrahenten. Bei einem Hintergrundgespräch in Jerusalem erzählte er, dass es ab März 2000 unmöglich gewesen sei, mit den Palästinensern noch ein vernünftiges Wort zu wechseln. Sie seien völlig fixiert gewesen auf die Vorbereitungen zu der im September 2000 eröffneten „Intifada“. Die sogenannte „Al-Aqsa-Intifada“ begann, nachdem Scharon am 28. September 2000 einen Besuch auf dem umstrittenen Gelände des Tempelbergs gemacht hatte.

Die Amerikaner versuchten hier immer noch neutral zu sein. Sie verurteilten zwar den Terror, waren aber zunächst Arafat gegenüber zurückhaltend. So hieß es sogar noch am 9. August 2001 angesichts des Anschlags auf die Pizzeria Sbarro in Jerusalem, man fordere die Führer der Palästinensischen Autonomiebehörde und Israels auf, Weitsicht und Verantwortung zu demonstrieren, indem sie den Weg in eine bessere Zukunft für ihr Volk wählen. Bei dem Anschlag waren 15 Zivilisten ermordet worden, darunter sieben Kinder und eine schwangere Frau, und 130 weitere Menschen verwundet.

Der Iran mischt sich ein

Danach kam der 11. September. Der Terroranschlag gegen das World Trade Center erschütterte die USA. Doch während Bush noch versuchte, im arabischen Raum Allianzen gegen den Terror zu schmieden, war die Palästinensische Autonomiebehörde von der israelischen Seite beim Versuch erwischt worden, im Auftrag von Arafat im großen Stil Kriegswaffen aus dem Iran zu schmuggeln. Als dann die „Karine A“, die auf den Namen des im Jemen lebende Irakers Ali Mohamed Abbas eingetragen war, am 3. Januar 2002 von der israelischen Marine gekapert wurde, hatte sie über 50 Tonnen Waffen und Sprengstoff geladen, darunter Hunderte Kurzstreckenraketen, Granatwerfer, Scharfschützengewehre, Minen und 700.000 Schuss Munition. Zusätzlich lagerten in dem Boot 3.000 Pfund C4-Sprengstoff: genug für ungefähr 300 Selbstmordbomben.

Wie israelische, amerikanische und sogar europäische Beamte bestätigten, war die „Karine A“ ein gemeinsames Unternehmen von Arafat und der Islamischen Republik Iran unter Vermittlung der libanesischen Terror-Organisation Hisbollah. Auf der iranischen Insel Kisch war der Frachter unter Aufsicht eines Adjutanten von Imad Mughnijeh – des Operationskommandanten der Hisbollah – mit 80 Kisten Kriegsmaterial im Wert von 30 bis 50 Millionen US-Dollar beladen worden. Mughnijeh zeichnete auch für die Bombenanschläge auf die US-Botschaft und die Marine-Kaserne im Libanon sowie die Bombenanschläge auf die israelische Botschaft und das jüdische Gemeindezentrum in Argentinien verantwortlich.

Der Transport ging über Dubai um die arabische Halbinsel. Damit war der Iran unübersehbar in die Arena eingedrungen. Die „Karine A“-Affäre mit ihren strategischen Konsequenzen für die Interessen der USA und die der arabischen und israelischen regionalen Verbündeten Amerikas löste eine grundlegende Neubewertung in der US-Politik aus. Die Kritik an Arafat wurde öffentlich: „Ich bin enttäuscht von Jasser Arafat“, sagte Präsident Bush am 25. Januar 2002 in Portland. „Er (Arafat) muss alle Anstrengungen unternehmen, um den Terror im Nahen Osten auszurotten. Damit Frieden herrscht, müssen wir den Terror vertreiben. Und Waffen zu bestellen, die auf einem Boot abgefangen wurden, das auf diesen Teil der Welt zusteuerte, gehört nicht zum Kampf gegen den Terror, sondern verstärkt den Terror.“

Vizepräsident Dick Cheney war noch direkter. In einem Interview von „Fox News“ vom 27. Januar antwortete Cheney auf die Frage, ob Arafats Rolle in der „Karine A“ die Teilnahme an einer „terroristischen Mission“ darstelle: „Das ist richtig.“ Und er fügte hinzu: „Nach dem, was ich denke und basierend auf den Geheimdienstinformationen, die wir gesehen haben, waren die beteiligten Personen ihm so nahe, dass kaum zu glauben ist, dass er es nicht war.“

Der Terror ging indes weiter. Nachdem am 17. Oktober 2001 auch der israelische Tourismusminister Rehavam Se’evi in Jerusalem von palästinensischen Terroristen erschossen worden war, stellte Scharon Arafat unter Hausarrest. Eine Sperranlage reduzierte den Terror drastisch und Camp David war Geschichte. Nur als Herrenfreizeitkleidung der 1997 gegründeten deutschen Firma Clinton ist das Label „Camp David“ nach wie vor erfolgreich: mit Sitz im Hoppegarten in Brandenburg und dem Werbeträger Dieter Bohlen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Von: Ulrich W. Sahm

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