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Netanjahu länger an der Macht als Ben-Gurion

Kein anderer führender Politiker aus Israel wurde und wird im Inland und Ausland so ausdauernd attackiert wie Benjamin Netanjahu. Am Samstag ist er länger an der Macht als jeder andere israelische Premier. Was befähigt diesen Mann, die Macht so lange zu halten?
Auch seine rhetorisch gut einstudierten Auftritte vor der UNO-Generalversammlung verhalfen Netanjahu zu Popularität

Am 20. Juli überrundet der jetzige Premierminister Israels, Benjamin Netanjahu, mit der Länge seiner Amtszeit den Staatsgründer David Ben-Gurion. Wobei beide das nicht ohne Unterbrechungen geschafft haben, da in Israel auch die Premierminister Start-ups hinlegen und es nach einem Scheitern gerne wieder versuchen. Oft mit den unglaublichsten Koalitionen. Deshalb waren fünf der zwölf bisherigen Amtsinhaber mehrere getrennte Perioden im Amt.

Ben-Gurion hat nach 2.000 Jahren den jüdischen Staat gegründet – am Tag des Abzugs der Briten aus ihrem Mandatsgebiet und nur Stunden, ehe alle damaligen arabischen Staaten in den Krieg zogen, um das „zionistische Gebilde“ aus dem Gebiet der islamischen Nation (Umma) wieder auszulöschen. Doch diese Tat allein reichte nicht dafür aus, dass die ersten Israelis ihn als ihren Regierungschef 4.872 Tage lang – mehr als 13 Jahre mit Unterbrechungen – im Amt beließen. Die Staatsgründung und die ersten Jahre des jüdischen Staates waren innenpolitisch brisant und höchst turbulent.

Ben-Gurion war mit Unterbrechungen 13 Jahre lang Israels Premier Foto: Gemeinfrei
Ben-Gurion war mit Unterbrechungen 13 Jahre lang Israels Premier

Der kleine Mann mit den weißen Haaren konnte sich nur behaupten, weil er ein gewiefter Politiker war, der es verstand, zwischen den Linken und Rechten, ultra-orthodoxen und weltlichen Juden, Befürwortern und Gegnern der „Wiedergutmachung“ aus Deutschland, sowie weiteren Gruppierungen zu lavieren. Manche Beschlüsse vor 70 Jahren, wie etwa die pauschale Befreiung der Ultra-orthodoxen vom Militärdienst, zerreißen bis heute das Land und sorgen für hoch-emotionale Kontroversen.

Was hat nun Benjamin Netanjahu befähigt, die Macht so lange zu halten? Kein anderer führender Politiker aus Israel wurde und wird so umfassend und ausdauernd attackiert wie „Bibi“, so Netanjahus Spitzname. In Israel stehen die Verdächtigungen wegen Verschwendung, Korruption, Bestechung und Herrschsucht im Vordergrund. Im Ausland wird er wegen der „völkerrechtswidrigen“ Siedlungspolitik, Kriegshetze gegen den Iran und Rechtspopulismus verunglimpft. Die Medien beschreiben ihn mit Schimpfwörtern wie „Hardliner“ oder „nationalreligiöser Diktator“.

Ungeschickte Linke

Netanjahu hat auch keine historische Großtat geleistet, wie Ben-Gurion mit der Staatsgründung. Weder hat er einen historischen Frieden geschlossen, noch hat er einen großen Krieg angezettelt. Und dennoch hält er sich und könnte am 17. September bei den zweiten Neuwahlen in diesem Jahr wiedergewählt werden.

Netanjahu ist gewiss nicht perfekt. Das Geheimnis für seine Ausdauer im Amt liegt auch nicht allein bei seiner Persönlichkeit, sondern bei den Wählern, die ihm immer wieder ihre Stimme geben und an der Opposition, die sich denkbar ungeschickt verhält. Die Versuche, ihn wegen krimineller Machenschaften zu stürzen, sind offensichtlich politisch motiviert von Seiten der „Linken“. Die schaffen es nicht, ihm mit politischen Argumenten die Stirn zu bieten, sodass die ständig neuen Beschuldigungen krimineller Handlungen Netanjahus bei den Wählern kaum noch Irritation auslösen.

Zudem ist bis heute nicht einmal eine Anklageschrift formuliert oder gar ein Urteil gefällt worden. Ein ähnliches Phänomen gibt es in den USA rund um US-Präsident Donald Trump und in Europa um die rechtspopulistischen Parteien, deren Vertreter oft nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer vielen Gegner in Presse und Rundfunk immer populärer werden.

Erstarkte Wirtschaft und Annäherung an Araber

Netanjahu hat aus Sicht der israelischen Wähler auch Qualitäten, über die derzeit kein anderer Politiker im Lande verfügt. Seine rhetorisch gut einstudierten Auftritte vor der UNO-Generalversammlung oder im amerikanischen Kongress haben ihm wegen seines vorzüglichen akzentfreien Englisch zu Popularität verholfen. Zudem gilt er als ein „Zauberer“ bei den durchaus schwierigen Koalitionsverhandlungen in der Knesset. In seiner Regierungszeit ist Israel zu einer „Weltmacht“ im Bereich Hightech und Innovationen aufgestiegen.

Es gibt Vollbeschäftigung und andere positive Aspekte der Wirtschaft. Mit Reisen nach Afrika, Asien, Südamerika und sogar in arabische Länder hat er sich „Freunde“ gemacht, die dem stets verurteilten Land heute nützlich sind bei UNO-Abstimmungen und beim Bemühen, neue Märkte für israelische Produkte und Dienstleistungen zu erschließen. Das Land hat eine der stärksten Währungen der Welt.

Das sind alles Dinge, die den Wähler aus ganz persönlichen Gründen beeinflussen, während die politischen Ansichten der „Linken“ eher Tote gefordert und schwere Verluste gebracht haben. Die Bereitschaft der „Linken“ zu immer mehr Konzessionen an die Palästinenser hat bisher keinen Frieden gebracht, sondern nur noch mehr Hass und Morde.

Kein Verständnis aus Europa

In Europa wird das kleine Land immer weniger verstanden. Netanjahus „penetrante“ Agitation gegen den Iran stört die Europäer, weil diese an dem Wahn festhalten, durch „Dialog“ alle Probleme aus der Welt schaffen zu können. Sie versuchen deshalb immer wieder erfolglos, die Israelis zu erziehen. Dabei können sie weder ihre eigenen inner-europäischen Differenzen meistern, noch Kriege verhindern, wie seinerzeit auf dem Balkan.

Europa ist nicht einmal fähig, seine Einwanderungspolitik zu koordinieren. Die Israelis halten wenig von den überheblichen Interventionen der UN. Sie sind „gebrannte Kinder“, gleichgültig ob sie aus Europa stammen oder aus der arabischen Welt vertrieben worden sind. Nach den Erfahrungen unter Hitler sind sie sich sicher, dass man die ständigen Vernichtungsdrohungen des Iran und seiner Verbündeten beim Wort nehmen müsse. Und die meisten Israelis glauben auch, dass Netanjahus außenpolitisches Geschick und seine Wachsamkeit in Sicherheitsfragen allemal besser sind als jede Friedensrhetorik.

Kopfschütteln über „Appeasement“-Politik

Die „Appeasement“-Politik der Europäer gegenüber Teheran wird in Israel nur mit Kopfschütteln registriert. Solange die im Gazastreifen regierende Hamas willkürlich Tausende Raketen auf Israel abschießt, der palästinensische Präsident Mahmud Abbas übelste antisemitische Lügen verbreitet und Mörder fürstlich entlohnt, können sich nur wenige israelische Wähler für die vermeintlich „alternativlose“ Zwei-Staaten-Lösung begeistern.

Gerade in dieser schwierigen Lage, in der sich Israel befindet, ist „Frieden“ à la Europa keineswegs das einzige oder gar wichtigste Problem. Das sind die Gründe, weshalb trotz vieler innenpolitischer Fragen die linken Parteien völlig abgestürzt sind. Denn wer über Jahre immer wieder Raketenalarm, Selbstmordattentate oder Brandbomben seiner Nachbarn erlebt hat, kann sich nicht den Luxus leisten, einen moralisch perfekten, aber politisch unfähigen Kandidaten zu wählen – dem vielleicht auch die Geduld fehlt, sich alle Vorwürfe aus den deutschen Redaktionsstuben in Ruhe anzuhören.

Deshalb wird Netanjahu vermutlich im September erneut gewählt. Es sei denn, es findet sich doch jemand, der besser ist.

Von: Ulrich W. Sahm

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