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Kinderschuhe zum Erinnern

Um nicht als Ausstellungsstücke zu verschwinden, sollen 8.000 Kinderschuhe restauriert werden. Ihre kleinen Besitzer wurden während des Holocausts in Auschwitz ermordet. Ein Überlebender des Todesmarsches fährt zu der KZ-Gedenkstätte, um für das Projekt zu werben.
Von Israelnetz

„Dank meiner Schuhe, die ich während meiner Zeit in Ausch­witz behalten konnte, bin ich heute am Leben“, erzählt Naftali Fürst Ende Januar im Konservierungslabor der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. „Ohne sie hätte ich den Todesmarsch nicht überlebt. Die Kinderschuhe sind ein Symbol der Tragödie des europäischen Judentums. Sie zu erhalten, ist eine heilige Aufgabe.“ Fürst spricht über eine Kooperation der Gedenkstätte mit der Organisation „Internationaler Marsch der Lebenden“ (Motl).

Die Auschwitz-Birkenau-Stiftung gab bekannt, dass die Schuhe von Kindern, die in dem Vernichtungslager ermordet wurden, in Gefahr stehen, als historische Dokumentation über Leben und Tod zeitnah zu verschwinden. Sie müssen dringend restauriert werden. Seit September läuft deshalb eine Spendenaktion für das Projekt „Von der Seele zur Sohle“ (englisches Wortspiel: „From soul to sole“). Dabei sollen 8.000 Schuhe erhalten werden.

Wojciech Soczewica, Direktor der Gedenkstätte, teilt über die Stiftung mit: „Die Arbeit an den Schuhen wird zwei Jahre in Anspruch nehmen, doch unsere Arbeit, weitere Zeugnisse zu konservieren und die Beweise über die Verbrechen von Nazi-Deutschland zu erhalten, wird für immer fortdauern.“

Die Direktorin von Motl, Revital Yakin Krakovsky, sagt über das Projekt: „Die Schuhe haben auch symbolische Bedeutung. Jedes Jahr bringt der Marsch der Lebenden Tausende Menschen zusammen, um die Routen der Todesmärsche zu laufen. Wir wollen die Erinnerung hochhalten und die Stimmen der Opfer lebendig. Als wir von der Notwendigkeit hörten, die Schuhe derer zu retten, die oft noch am Tag ihrer Ankunft im Lager ermordet wurden, war uns klar, dass wir hier eine einmalige Gelegenheit haben, die Beweise der Nazi-Verbrechen zu dokumentieren und das Bewusstsein über die brutale Ermordung dieser Kinder zu stärken.“

Ein Israeli erinnert sich

Um die Erinnerung zu bewahren und die Ereignisse an jüngere Generationen weiterzugeben, ist auch Fürst aus Haifa angereist: „Die Schuhe der Kinder, die während des Holocausts ermordet wurden, zu erhalten, ist heilige Arbeit. Ich bin gerührt, hier zu sein und zu sehen, wie diese Arbeit getan wird. Ich denke auch an meine Familienmitglieder, die umgebracht wurden – vielleicht sind auch Schuhe von ihnen dabei.“

Naftali Fürst kam im Dezember 1932 als jüngerer von zwei Brüdern in Bratislava (Pressburg) zur Welt. 1944 wurden sie nach Birkenau deportiert, von dort nach Auschwitz, dann nach Breslau. Im Januar 1945 marschierten sie nach Buchenwald. Fürst berichtet der Gedenkstätte: „Der Todesmarsch war das schlimmste. Wir sind durch die Hölle gelaufen. Drei Tage lang mussten wir ohne Nahrung, ohne Pause und in klirrender Kälte laufen. So viele habe ich gesehen, die nicht weiterlaufen konnten und neben uns gestorben sind.“

Vier Monate nach ihrer Ankunft in Buchenwald wurden die Brüder befreit. Abgemagert ist der zwölfjährige Fürst auf einem ikonischen Foto zu sehen, das die Alliierten bei der Befreiung aufgenommen haben. (mh)

Internationaler Holocaust-Gedenktag

2005 führte die UNO den 27. Januar als Internationalen Holocaust-Gedenktag ein, an dem der Opfer der Nazi-Herrschaft gedacht wird. Am 27. Januar 1945 befreite die sowjetische Armee das Konzentrationslager Auschwitz im von der Wehrmacht besetzten Polen. Allein hier ermordete die SS etwa 1,1 Millionen Menschen – der Großteil von ihnen waren Juden. Unter den Opfern sind etwa 232.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

Schätzungsweise lebten Ende Januar 2023 noch etwa 150.000 Holocaust-Überlebende in Israel. Ein Jahr zuvor waren es noch gut 15.000 mehr. Einer der Überlebenden ist Naftali Fürst. Nach jahrzehntelangem Schweigen hat er seine Familiengeschichte aufgeschrieben. 2008 wurde sie auch auf Deutsch veröffentlicht: „Wie Kohlestücke in den Flammen des Schreckens. Eine Familie überlebt den Holocaust“ (ISBN: 9783761567043).

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Israelnetz Magazin

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Eine Antwort

  1. @ Redaktion: Danke für Artikel.
    Als ich die riesigen Hallen in Auschwitz sah mit Kindersachen, Haaren, Koffern usw., da hat man beim Verlassen der Räume keine Tränen mehr.
    Keine Träne ist umsonst geweint.

    15

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