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„Israelbilder“: Einigkeit über deutsche Berichterstattung

Wenn über Israel diskutiert wird, fliegen meist die Fetzen. Die Gesprächsrunde an der Universität in Frankfurt verlief ganz anders.
Gilda Sahebi, Esther Schapira und Meron Mendel im Gespräch, moderiert von Maria Coors (v.l.n.r.)

Wer sich in den Saal der Goethe-Universität Frankfurt setzen kann, hat es geschafft. Draußen gibt der Winter an diesem Dezemberabend mit heftigem Schneeregen seinen Einstand. Endlich im Trockenen angekommen, zeigt sich jedoch, dass die Witterung von der Veranstaltung „Israelbilder – Deutsche Perspektiven auf den Nahostkonflikt“ ihren Tribut fordert: Der ehemalige Leiter des ARD-„Hauptstadt“-Studios in Tel Aviv, Richard Chaim Schneider, hat wegen Erkältung absagen müssen. Für ihn springt die Abteilungsleiterin für Politik und Gesellschaft des Hessischen Rundfunks, Esther Schapira, als Diskutantin ein, doch sie verspätet sich. Sobald sie durch die Tür kommt, legt sie ihre durchnässte Jacke ab, setzt sich und es geht los. Als Moderatorin fungiert Maria Coors vom Veranstalter der Diskussionsrunde, der Bildungsstätte Anne Frank.

Die beiden Mitdiskutanten sind der Direktor besagter Bildungsstätte, der Israeli Meron Mendel, und die Journalistin Gilda Sahebi, die unter anderem für die Zeitung „taz“ schreibt und zweitweise auch für die ARD in Tel Aviv arbeitete. Die Stimmung auf dem Podium wirkt freundschaftlich: Die Moderatorin duzt Mendel und Sahebi. Eine Kollegin vom Hessischen Rundfunk, die die Tontechnik an diesem Abend organisiert und die Diskussion aufzeichnet, meldet sich mit der Bitte, doch bitte auf das „Sie“ zurückzugreifen – andernfalls wirke es merkwürdig auf die Radio-Hörer.

Berichtet wird erst, wenn Israel sich wehrt

Die formelle Anrede kann im folgenden Gespräch nicht über große Nähe der Meinungen auf dem Podium hinwegtäuschen. Es besteht Einigkeit darüber, dass die deutsche Berichterstattung über Israel voreingenommen und verzerrt sei. Schapira zitiert den Lyriker Wolf Biermann, der einst die „Besserwisserei der Wenigwissenden“ monierte. Wer am wenigsten über Israel wisse, habe oft die stärkste Meinung darüber. Die Medien bedienten dabei ein gewisses Framing (Deutungsraster): „Sie wissen, dass es für negative Israel-Schlagzeilen Applaus gibt.“

Mendel pflichtet ihr bei und sagt, dass die ihm eigentlich nicht genehme „Springer-Presse“ als einziges Organ in Deutschland gute Israel-Berichterstattung betreibe. Bei „Bild“ und „Welt“ müssten die Journalisten schriftlich bestätigen, dass sie pro-israelisch seien. „Warum kann nicht zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung auch so transparent sein und offenlegen, dass ihre Journalisten pro-palästinensisch sind – was auch immer das dann heißen mag?“, fragt der Israeli.

Auch die iranisch-stämmige Sahebi beklagt doppelte Standards: Sie wünsche sich, dass über Israel berichtet wird, wie über jedes andere Land. Im Iran seien kürzlich 500 bis 600 regierungskritische Demonstranten getötet worden: „In den Medien hierzulande hört man davon kaum etwas. Man stelle sich nur vor, was los wäre, wenn das in Israel passieren würde.“ Auf die Frage, wie Nachrichten über Israel entstünden, sagt Schapira, dass sie schon Wetten damit gewonnen habe, dass deutsche Medien erst über Raketen aus dem Gazastreifen berichten, sobald Israel zurückschlägt.

Ein energischer Zwischenruf

Mendel fügt hinzu, dass Bildsprache große Wirkung entfalte, wenn etwa israelische Panzer gezeigt werden, die sich gegen Zivilisten richten: „Die Bilder lösen eine unterbewusste Solidarisierung mit den Schwächeren aus.“ Dabei spiele es keine Rolle, dass diese Panzer vielleicht nur zum Einsatz kommen, um eigene Zivilisten zu schützen. Gerade Palästinenser beherrschten diese Manipulation exzellent. Mendel mutmaßt zudem, dass gerade bei Deutschen damit eine „Schuldabwehr“ bedient werde, nach dem Motto: Die Juden sind nicht besser als die Nazis. Damit suche man sich selbst zu entlasten.

Bei so viel pro-israelischer Einigkeit auf dem Podium wirkt ein Zwischenruf aus dem etwa 50- bis 60-köpfigen Publikum wie eine plötzliche Rückkehr in die Realität: „Waren Sie schon einmal in Beirut?“, ruft jemand aufgebracht. Moderatorin Coors unterbindet dies augenblicklich mit dem Hinweis, dass später noch Fragen gestellt werden dürften.

Zum Thema Bildsprache fügt Schapira noch hinzu, dass das ARD-Studio in Tel Aviv sein Material aus dem Gazastreifen von palästinensischen Kameramännern geliefert bekomme. Die Mitarbeiter müssten sich auch auf deren Hintergrundinformationen verlassen. Deutsche Zuschauer dächten bei den Beiträgen jedoch, da berichte ein „zuverlässiger westlicher Reporter, der alles selbst gesehen hat“. Diese hätten jedoch keine Zeit, alle Informationen zu überprüfen. Die Zuschauer hätten ja auch kein Verständnis, wenn über einen Vorfall erst einen Monat später berichtet wird. Im Medienwettbewerb gehe es um Schnelligkeit. So gesehen trage das Publikum eine Mitschuld: „Es ist zu willig.“ Gemeint ist die Haltung, israelkritische Inhalte bereitwillig anzunehmen.

Palästinensischer Judenhass wird nicht ernstgenommen

In der Fragerunde zum Schluss meldet sich der Zwischenrufer noch einmal zu Wort: Diesmal ganz folgsam am Mikrofon. Es zeigt sich, dass er nicht Ablehnung, sondern Zustimmung ausdrücken wollte. Mit dem Verweis auf „Beirut“ meinte er, wie hochgerüstet die Hisbollah dort ist. Zudem frage er sich: „Warum zeigen die Medien nicht die Palästinenser am Grenzzaun mit Hakenkreuz-Abzeichen oder thematisieren Abbas‘ Vernichtungswillen, den er in seiner Diplomarbeit zeigt?“ Schapira ist ganz auf seiner Seite: Die Palästinenser würden „patronisierend wie ein romantisches Eingeborenenvolk“ dargestellt. Aufrufe zur Judenvernichtung wie in der Hamas-Charta würden nicht ernstgenommen, so als seien das harmlose „orientalische Übertreibungen“.

Es scheint an diesem Abend des 11. Dezembers überflüssig, dass die Journalistin betont: „Die Palästinenser meinen das genauso, wie sie es sagen“. Ebenso überflüssig scheint in dieser Runde ihr abschließender Wunsch nach mehr Ausgewogenheit in der Israel-Berichterstattung. Bei den Mitdiskutanten und dem Publikum rennt sie offene Türen ein. Wer sich einen fairen Umgang mit dem jüdischen Staat wünscht, finden hier für zwei Stunden ein warmes Refugium. Es ist wie ein gut geheizter Raum nach einem Schneegestöber. Kalt und stürmisch wird es schnell genug wieder: Es reicht der erste Schritt nach draußen.

Von: Timo König

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