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Axel Springer und die Juden

Wodurch ist die pro-israelische Haltung des deutschen Verlegers Axel Springer entstanden? Und welche Auswirkungen hatte sie auf den jüdischen Staat? Mit derartigen Fragen befasste sich die internationale Konferenz "Axel Springer. Juden, Deutsche und Israelis" in Frankfurt am Main. Dabei wurde auch der Hass der RAF und der 68er-Bewegung auf die Springer-Presse thematisiert.

Der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, äußerte auf der Konferenz des Fritz Bauer Institutes die Ansicht, Axel Springer sei israelfreundlich gewesen, weil er Antikommunist war. Auch sei er ein gläubiger Katholik gewesen und habe seine Israelfreundschaft aus der Bibel begründet. Nach Primors Auffassung hat der Verleger "bedingungslos jede These der israelischen Propaganda unterstützt". Doch "es ist nicht richtig, jemanden nur zu loben", man müsse Fehler kritisieren. Dass Springer dennoch ehemalige Nazis im Verlag anstellte, verärgerte seinen jüdischen Mitarbeiter Ernst Cramer. Es seien eben die Leute gewesen, "denen er vorher entkommen musste".

Der Diplomat schilderte den ersten Besuch des deutschen Verlegers in Israel 1967 kurz vor dem Sechstagekrieg. Die Lage sei sehr düster gewesen, die Israelis hätten mit einer Niederlage im Krieg gerechnet. Die Bevölkerung habe keinen Kontakt mit Deutschland haben wollen. Sie habe gehört, dass die Deutschen sagten, sie hätten nichts von den Verbrechen der Nationalsozialisten an den Juden gewusst. "Wie kann man einen Dialog mit Leuten führen, die ihre eigene Identität verschleiern?", fragte Primor. In dieser Situation habe es die Israelis verwirrt, dass ein deutscher Verleger über die NS-Verbrechen und die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit sprach. "Die 68er sagten dasselbe, sie haben aber auch Israel beschimpft und nach dem Sechstagekrieg die Palästinenser entdeckt."

Und so sieht Primor in Springer eine vielfältige, umstrittene Person, die viel Gutes für Israel getan habe, ohne es zu müssen. Er habe nicht nur für die Israelis gespendet, sondern – überredet vom damals neuen Bürgermeister Teddy Kollek – auch für Araber in Ostjerusalem. Bei den Entwicklungen zwischen Israel und Deutschland habe er eine große Rolle gespielt und sei "für Israel total unentbehrlich".

Im Fadenkreuz der RAF

Der Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar vom Hamburger Institut für Sozialforschung sagte, Springer sei prädestiniert gewesen, ins Fadenkreuz der RAF zu geraten. Nach dem missglückten Anschlag auf das Springer-Hochhaus in Hamburg 1972 forderte Ulrike Meinhof in einem Bekennerschreiben, der Verlag solle die antikommunistische Hetze einstellen. Dasselbe gelte für die Hetze gegen die Befreiungsbewegung, vor allem gegen Araber, die "Palästina" befreien wollten und für die Unterstützung des Zionismus. Den palästinensischen Anschlag auf die israelische Olympiamannschaft in München 1972 habe Meinhof als "exemplarischen Ausdruck eines imperialistischen Widerstandes" gewertet.

Kaum eine Zielsetzung des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) und der "Außerparlamentarischen Opposition" (APO) habe eine ähnlich große Wirkung gehabt wie die Forderung nach der Zerschlagung des Springer-Verlages, so Kraushaar. Die Grundidee sei vermutlich von der SED gekommen. Obwohl die linksgerichteten Gruppierungen ebenso wie die RAF mittlerweile der Vergangenheit angehörten, halte der Konflikt mit Springer an. Dies habe sich etwa am "Spiegel"-Titel vom 28. Februar: "Bild. Die Brandstifter" gezeigt.

Der Germanist Werner Konitzer vom Fritz Bauer Institut zitierte aus Meinhof-Kolumnen. Dort würden etwa Bomben auf Vietnam, Terror in Persien und Folter in Südafrika in einem Atemzug mit Springer genannt. Die politisch links angesiedelte Zeitschrift "konkret" habe zunächst positive Artikel über Israel veröffentlicht. Doch nach dem Sechstagekrieg sei dies allmählich umgeschlagen. Zunächst habe die Zeitschrift sanfte Kritik an der israelischen Armee geäußert, dann sei der Ton schärfer geworden.

Der Jerusalemer Nahost-Korrespondent Ulrich W. Sahm äußerte die Ansicht, der Antizionismus spreche den Juden das Recht auf einen eigenen Staat ab. Er sei eine erlösende Ersatzideologie für Antisemitismus in Deutschland". Springer sei zum Hassobjekt der Linken geworden, weil er sich angeblich bedingungslos hinter Israel gestellt habe. Der Journalist betonte, dass es keinen anderen Staat gebe, dessen Existenzrecht in Frage gestellt und vom Verhalten der Politiker abhängig gemacht werde. Bereits 1967 sei Israel von allen Seiten angegriffen worden, obwohl es weder Siedlungen noch Mauer, weder Straßensperren noch Stacheldraht gab.

Sahm verwies auch auf das Internetportal "Muslim-Markt.com", das zum Springer-Boykott aufrufe. Doch ohne Axel Springer "würde den Medien ein wichtiges sprachliches Korrektiv fehlen". Israelkritik dominiere die Medienlandschaft trotz der vielfach geäußerten Behauptung, man dürfe Israel nicht kritisieren. Auch bei Springer sei ein "legitimer Antizionismus" festzustellen. Aus Agenturen kämen Formulierungen, die zur Delegitimierung Israels beitrügen. Bis heute gehörten die Springer-Medien  dennoch zu den ausgewogensten.

"Existenzrecht Israels nicht Stammtischräson"

Eine Podiumsdiskussion befasste sich mit dem Thema "Axel Springer und die Juden. Eine bundesrepublikanische Geschichte". Die Historikerin Christina von Hodenberg von der Londoner "Queen Mary University" ging auf die Äußerung deutscher Politiker ein, das Existenzrecht Israels sei Staatsräson. Es sei allerdings nicht Stammtischräson. Die "Bild"-Zeitung habe auch in den 1950er und 60er Jahren viel Stammtischmaterial verbreitet. Die ungeliebten Israel-Themen hätten dazwischen nicht gestört. "Die Leser haben vermutlich einfach weitergeblättert." Die unkritisch positive Haltung gegenüber Juden (Philosemitismus), die sich auch bei Springer zeigte, sieht die Wissenschaftlerin als Ersatz für eine wirkliche Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit. Auch der "Anti-Philosemitismus" der 68er, der parallel zum Anti-Antikommunismus gesehen werden könne, sei wiederum überdehnt gewesen.

Die Historikerin Gudrun Kruip vom "Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus" in Stuttgart wies darauf hin, dass Axel Springer die Staaten Deutschland und Israel parallelisiert habe. Den kommunistischen stellte er die arabischen Feinde entgegen. Eine weitere Parallelität habe er zwischen den damals geteilten Städten Berlin und Jerusalem entdeckt. Der Verleger sei ein "emotionaler, mystisch veranlagter Mensch" gewesen und habe sich deshalb von Symbolen in den Bann ziehen lassen.

Der Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit (Grüne) fragte: "Wie sollte ein Deutscher ein Verhältnis zu Juden haben, das rational ist?" Die Macher von "Bild" seien real erschrocken gewesen über die Geschehnisse im Nationalsozialismus. Folglich seien sie "radikal pro-israelisch" gewesen. Dies hätten sie ehrlich gemeint, doch die "emotionale Überbetonung" mache ihn skeptisch – auch Axel Springer mit seinem "aberwitzigen Vergleich" zwischen Deutschland und Israel. Dies zeige den "hilflosen Versuch, sich in der Liga der Gutmenschen wieder einzubringen".

Nach Cohn-Bendits Ansicht hat die Springer-Presse zu dem Verständnis beigetragen, dass die Nazis eigentlich "irgendein Hottentottenstamm" gewesen seien, der die Deutschen überfiel und geschlagen wurde. "Und danach war alles in Ordnung."

Der Herausgeber der "Welt"-Gruppe, Thomas Schmid, meinte, der Protest der 68er habe sich auch gegen das "weihevolle Sprechen über Israel" gewendet. Es sei jedoch zu einfach, die anti-israelische Haltung der 68er nur darauf zurückzuführen, dass Springer für Israel war. Infolge des Vietnam-Krieges habe sich die neue Linke mit Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt identifziert. Man habe sich zu Völkern hingewendet, die sich erhoben. Plötzlich habe sich der geordnete demokratische Staat Israel gegen den aufbegehrenden palästinensischen Widerstand gestellt. Die Vertreter der Linken hätten vor allem die Palästinenser gesehen und Israel erst einmal vergessen.

Das Fritz Bauer Institut plant ab März 2012 eine Ausstellung zu dem Thema im Jüdischen Museum Frankfurt.

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