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„Israel ist keine Kompensation für die Scho’ah“

Beim Welt-Holocaust-Forum in Jerusalem warnt der israelische Präsident Rivlin vor Antisemitismus, gegen den keine Gesellschaft immun sei. Sein deutscher Amtskollege Steinmeier erneuert das Versprechen, jüdisches Leben zu schützen. US-Vizepräsident Pence lenkt den Blick auf die Bedrohung durch den Iran.
Der israelische Präsident Rivlin warnte vor dem Verblassen der Erinnerung an den Holocaust

JERUSALEM (inn) – Fast 50 Länder haben am Donnerstag der Gräuel des Holocaust gedacht. Beim Welt-Holocaust-Forum kamen die Vertreter der Nationen in der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem zusammen. Unter den Anwesenden waren auch Holocaust-Überlebende.

Der israelische Präsident Reuven Rivlin betonte in seiner Rede, nach dem Zweiten Weltkrieg sei das „Zeitalter der Verantwortung“ angebrochen: Es habe Fortschritte gegeben in Fragen der Erziehung, politischen Befreiung oder im Kampf gegen Krankheiten. Doch zugleich seien Errungenschaften wie die Demokratie kein Selbstläufer. „Unsere Erinnerungen an die Zerstörung und den Ruin des Holocaust und des Zweiten Weltkrieges entschwinden. Wir müssen gedenken.“

In diesem Sinne seien Juden „ein Volk, das gedenkt“. Dies geschehe nicht aus einem Gefühl der Überlegenheit heraus, oder um sich in dem Gedenken an Schrecken zu suhlen. „Wir gedenken, weil wir wissen, was es bedeutet, es nicht zu tun, wenn sich Geschichte wiederholt.“ Antisemitismus höre nicht bei den Juden auf. Er zerstöre Gesellschaften von innen heraus, und keine Gesellschaft sei dagegen immun.

Rivlin betonte weiter, der Staat Israel sei keine „Wiedergutmachung“ für den Holocaust. „Das ist unser Zuhause und unser Heimatland.“ Nach 2.000 Jahren des Exils seien Juden hierher zurückgekehrt und Israel sei ein stolzes Mitglied der Weltgemeinschaft. „Wir sind kein Volk, das auf Erlösung wartet, sondern ein Staat, der Beziehungen sucht – der Beziehungen fordert.“

An die anwesenden Holocaust-Überlebenden gewandt sagte er: „Sie sind unser Wunder. Ihre Geisteskraft baute Häuser und pflanzte Bäume. Ihr Heldentum sicherte unsere Freiheit in einem jüdischen und demokratischen Staat. Ihre Liebe zum Land, zu Israel ist das Leuchtfeuer, das uns immer leiten wird.“

Steinmeier: Beladen mit historischer Schuld

Frank-Walter Steinmeier betonte in seiner auf Englisch gehaltenen Rede, dass es Deutsche gewesen seien, die Juden vernichten wollten. Als deutscher Präsident „stehe ich vor Ihnen allen, beladen mit großer historischer Schuld“. Doch zugleich sei er auch erfüllt mit Dankbarkeit: „Für die ausgestreckte Hand der Überlebenden, für das neue Vertrauen von Menschen in Israel und der ganzen Welt, für das wieder erblühte jüdische Leben in Deutschland.“

Bundespräsident Steinmeier erinnerte an die Verantwortung Deutschlands für den Schutz jüdischen Lebens Foto: Yad Vashem
Bundespräsident Steinmeier erinnerte an die Verantwortung Deutschlands für den Schutz jüdischen Lebens

Steinmeier sprach als erster Bundespräsident überhaupt in Yad Vashem. Dabei schlug er auch skeptische Töne an. „Ich wünschte, sagen zu können: Wir Deutsche haben für immer aus der Geschichte gelernt. Aber das kann ich nicht sagen, wenn Hass und Hetze sich ausbreiten.“ Als Beispiele nannte er jüdische Kinder, die auf dem Schulhof bespuckt werden, Antisemitismus, der als Kritik an der israelischen Politik daherkommt oder der versuchte Anschlag auf die Synagoge in Halle. Steinmeier betonte: „Es sind nicht dieselben Täter. Aber es ist dasselbe Böse. Und es bleibt die eine Antwort: Nie wieder! Niemals wieder!“

Deutschland müsse sich daran messen lassen, wie es seiner Verantwortung gerecht werde. Das bedeute: „Wir bekämpfen den Antisemitismus! Wir trotzen dem Gift des Nationalismus! Wir schützen jüdisches Leben! Wir stehen an der Seite Israels! Dieses Versprechen erneuere ich hier in Yad Vashem vor den Augen der Welt.“

Seine Rede beendete Steinmeier, wie er sie begonnen hatte – mit einem jüdischen Gebet auf Hebräisch: Baruch atah Adonaj, schehechejanu, wekijmanu wehigianu la’seman haseh (Gepriesen seist Du, Gott, der Du uns Leben und Erhaltung gegeben hast).

Pence warnt vor dem Iran

Anders als Steinmeier erwähnte der amerikanische Vizepräsident Mike Pence das Regime des Iran. Er nannte es den „führenden staatlichen Lieferanten des Antisemitismus“. Der Iran leugne den Holocaust und drohe damit, Israel auszulöschen. „Die Welt muss sich gegen die Islamische Republik Iran stellen.“ An den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu gewandt sagte Pence: „Die Welt kann nur staunen angesichts des Glaubens und der Widerstandskraft des jüdischen Volkes, das sich nur drei Jahre nach dem Gang durch das Tal des Todesschattens aus der Asche erhob und eine jüdische Zukunft einforderte und einen jüdischen Staat aufbaute.“

Netanjahu erinnerte daran, dass sich die Welt damals größtenteils abwandte, als die Juden mit ihrer Auslöschung konfrontiert waren. Auschwitz sei damit nicht nur ein Symbol des Bösen, sondern auch ein Symbol jüdischer Machtlosigkeit. „Es ist der Gipfelpunkt dessen, was es heißt, wenn unser Volk keine Stimme, kein Land und keinen Schutzschild hat.“ Heute hätten die Juden all dieses mit dem Staat Israel. Netanjahu dankte US-Präsident Donald Trump dafür, sich dem Regime in Teheran entgegenzustellen. „Es bedroht den Frieden und die Sicherheit aller im Nahen Osten und darüber hinaus. Ich rufe alle Regierungen dazu auf, sich an dem Versuch zu beteiligen, sich dem Iran entgegenzustellen.“

Auch der französische Präsident Emmanuel Macron, der russische Präsident Wladimir Putin und der britische Thronfolger Prinz Charles hielten Reden. Der israelische Oberabbiner Israel Meir Lau würdigte alle „freundlichen, warmherzigen und berührenden“ Beiträge. Lau, der Ratsvorsitzende von Yad Vashem, ist selbst Holocaust-Überlebender. Er warb dafür, die Veranstaltung als Brücke zu sehen, die die Länder der Welt im Kampf gegen den gemeinsamen Feind, Antisemitismus und Rassismus, vereint.

Das 2005 gegründete Welt-Holocaust-Forum ist die fünfte Veranstaltung ihrer Art und fand nun erstmalig in Israel statt. Für den jüdischen Staat war es nach Angaben der Organisatoren die größte Veranstaltung seit der Gründung im Jahr 1948.

Von: df

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