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Steinsaltz schuf einen Talmud für Anfänger

Durch seine moderne Übersetzung öffnete Adin Steinsaltz vielen Israelis den Zugang zum Talmud. Nach seinem Tod am Freitag betrauern nicht nur seine Schüler, sondern auch israelische Politiker den vielseitigen Rabbi.
Sorgte dafür, dass zahlreiche Israelis einen Zugang zum Talmud erhielten: Adin Steinsaltz seligen Andenkens (1937–2020)

Obwohl er in einer nicht-religiösen Familie aufwuchs, wurde er zu einem der bedeutendsten jüdischen Gelehrten unserer Zeit: Rabbiner Adin Steinsaltz. Am Freitag ist der Talmud-Übersetzer und Kommentator im Alter von 83 Jahren im Jerusalemer Scha’arei-Zedek-Krankenhaus verstorben. Er litt an einer Lungenentzündung.

Adin Steinsaltz kam am 11. Juli 1937 im Jerusalem der britischen Mandatszeit auf die Welt. Geschwister hatte er nicht. Seine Eltern Avraham und Lea waren sozialistisch geprägt. Doch in seiner Jugend verbrachte er Zeit mit einem Rabbiner der Lubawitscher Bewegung und studierte mit ihm die religiösen Schriften des Judentums. Warum er zum Glauben an Gott kam, erklärte er vor zehn Jahren in einem Interview der „New York Times“ so: „Von Natur aus bin ich ein skeptischer Mensch. Und Leute mit viel Skepsis beginnen, den Atheismus in Frage zu stellen.“

An der Hebräischen Universität Jerusalem studierte er Chemie und Physik. Gleichzeitig beschäftigte er sich jedoch mit der jüdischen Überlieferung. Mit 28 Jahren wurde er der jüngste Rektor einer weiterführenden Schule in Israel. 1965 heiratete er Sara, sie bekamen drei Kinder und 18 Enkel.

Im Jahr seiner Hochzeit gründete der Gelehrte zusammen mit der Regierung das Israelische Institut für Talmudische Veröffentlichungen. Mittlerweile trägt es den Namen Steinsaltz-Zentrum. Es will jüdisches Wissen allen Menschen zugänglich machen.

Talmud ins Neuhebräische übersetzt und kommentiert

Einen großen Beitrag hierzu leistete der Gründer durch das Hauptwerk seines Lebens: Er übersetzte die 2.711 Blätter des Babylonischen Talmuds ins moderne Hebräisch. Dadurch erhielten zahlreiche Israelis einen leichteren Zugang zu dem in altem Aramäisch und Hebräisch verfassten Werk. Die Arbeit an der Übersetzung zog sich über 45 Jahre bis 2010 hin. Doch Steinsaltz übersetzte nicht nur, er schrieb auch selbst einen Kommentar. Hinzu kamen Auslegungen zu Büchern der Hebräischen Bibel.

Die Talmudausgabe von Adin Steinsaltz gilt heute als Standardwerk – hier der Traktat Arachin (Schätzgelübde) Foto: Israelnetz/mh
Die Talmudausgabe von Adin Steinsaltz gilt heute als Standardwerk – hier der Traktat Arachin (Schätzgelübde)

Seine Übersetzung wurde ins Englische, Französisch, Spanische und Russische übertragen. Da auch ein Kommentar zu jeder Zeile vorhanden ist, eignet sie sich zum Selbststudium. Steinsaltz wollte nach eigenen Angaben ein Werk schaffen, mit dem auch Anfänger auf der geringsten Wissensstufe zurechtkommen. Damit holte er nach Einschätzung des amerikanischen Soziologieprofessors Samuel Heilman den Talmud aus der Exklusivität der Jeschivot. Auch den weniger bekannten Jerusalemer Talmud übersetzte er. Der Gelehrte beteiligte sich zudem an dem Projekt „929“, bei dem Juden nach einem bestimmten Plan binnen dreieinhalb Jahren die Hebräische Bibel durchlesen.

Steinsaltz schrieb aber auch Bücher zu anderen Themen, etwa Philosophie oder Zoologie. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter 1988 den Israel-Preis für Jüdische Studien. Im Jahr 2012 wurde ihm der neu geschaffene Verdienstorden des israelischen Staatspräsidenten verliehen –  für seinen Beitrag zu jüdischer Kultur und Bildung.

Israelische Politiker würdigen Steinsaltz

Präsident Reuven Rivlin würdigte den Verstorbenen am Freitag als „Mann von großem geistigen Mut, tiefer Kenntnis und einem tiefen Denken, der den Talmud dem Volk Israel in einem klaren und zugänglichen Hebräisch und Englisch nahebrachte – wie ein moderner Raschi“. Damit nahm das Staatsoberhaupt Bezug auf den Talmudkommentator Rabbi Mosche Ben Jitzchak, der im 11. Jahrhundert unter anderem in Worms wirkte.

Premierminister Benjamin Netanjahu beschrieb in seinem Nachruf die Vorträge, die er von dem Rabbiner gehört hatte: „Es waren keine Lehrstunden im konventionellen Sinn, sondern geistig erbauliche Gespräche, die die gesamte Welt umfassten – Tanach (Hebräische Bibel), die Weisheit unserer Weisen, Geschichte, Philosophie, Kultur, Linguistik und anderes.“ Seine Bücher seien voller Weisheit, Kenntnis, Nachsinnen und Glaube gewesen.

Am Sonntag wurde Rabbiner Steinsaltz auf dem Friedhof am Ölberg beigesetzt. Viele Anhänger der Chabad-Bewegung, zu der er gehörte, begleiteten ihn auf dem letzten irdischen Wege. Chabad Lubawitsch will weltweit das Judentum fördern. Diesem Ziel hat der verstorbene Gelehrte sein Leben gewidmet.

Von: eh

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