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Buhrufe für isländische Provokation

Eine Woche lang haben Tausende Menschen aus aller Welt in Tel Aviv den Eurovision Song Contest gefeiert. Obwohl Politik beim weltgrößten Musikwettbewerb keine Rolle spielen soll, kam es zu zwei Zwischenfällen.
Der Siegertitel „Arcade“ von Duncan Laurence kam ganz ohne Pyrotechnik und große Show aus

TEL AVIV (inn) – Mit einem Sieg der Niederlande ist in der Nacht zum Sonntag der 64. Eurovision Song Contest (ESC) in Tel Aviv zu Ende gegangen. Mit rund 7.300 Besuchern beim Finale war die Halle auf dem Expo-Gelände im Norden Tel Avivs ausgebucht. Etwa 70.000 Besucher sahen sich die Show vom Eurovision-Dorf in der Küstenmetropole aus an. Zudem verfolgten schätzungsweise 200 Millionen Zuschauer weltweit im Fernsehen das Musikspektakel.

Erstmals seit 1975 holten sich die Niederländer die ESC-Krone. Sänger Duncan Laurence überzeugte Publikum und Jury mit seiner Ballade „Arcade“ (492 Punkte). Zweiter wurde Italiens Sänger Mahmood (465 Punkte). Platz drei ging an den Russen Sergej Lasarew (369 Punkte). Kobi Marimi aus Israel erhielt 47 Punkte und landete auf Platz 23. Der deutsche Beitrag des Duos S!sters erreichte Platz 24 (32 Punkte). Die jungen Frauen hatten vom Publikum als einzige null Punkte erhalten. Letzter wurde Michael Rice aus Großbritannien (16 Punkte).

Gastgeber Israel nutzte den weltgrößten Musikwettbewerb, um sich weltoffen und tolerant zu präsentieren: Das zeigte sich unter anderem am Moderatorenteam. Neben Super-Model Bar Refaeli bestand dieses aus Lucy Ayoub – die Tochter eines christlichen Arabers und einer Jüdin ist, die zum Christentum konvertierte – sowie von Erez Tal und Assi Azar. Dieser wurde 2009 von der amerikanischen Zeitschrift „Out“ in die Top 100 der einflussreichsten Homosexuellen aufgenommen.

Eine Woche Party im Eurovision-Dorf

Die Stadt Tel Aviv hatte neben hebräischen und arabischen nun auch englische Busfahrpläne eingeführt. Taxifahrer hatten Englisch-Kurse belegt, um sich mit den Touristen besser verständigen zu können. Eine Woche lang feierten Tausende Fans aus aller Welt im Eurovision-Dorf am Strand von Tel Aviv – bei internationalen Essen, Konzerten der Kandidaten und Liveübertragungen. Zwischen 5.000 und 7.000 Touristen waren für den ESC nach Israel gereist. Rund 20.000 Polizisten waren in dieser Woche im Einsatz.

Gastgeber Israel bot den Eurovision-Fans bei den Halbfinalen am Dienstag und Donnerstag sowie beim Finale am Samstag eine großartige Show mit zahlreichen Prominenten, spektakulären Lichteffekten und viel Pyrotechnik. Die Rundfunkanstalt „Kan“ griff dafür tief in die Tasche: 24 Millionen Euro kostete die Ausrichtung des Eurovision Song Contest. Diese hat Kan allein zu tragen. Von der Regierung erhielt sie dafür einen Kredit, den sie im Laufe der nächsten 15 Jahre zurückzahlen wird.

Die israelische Rundfunkanstalt hatte hohe Ansprüche: Das Bühnendesign für den Wettbewerb in Tel Aviv sollte „ikonisch, einzigartig, innovativ und bahnbrechend“ sein. Dem deutschen ESC-Kommentator Peter Urban zufolge wurde diese Mission erfüllt: Mit den riesigen Video-Leinwänden sei diese Bühne eine der größten der Fernsehgeschichte, kommentierte Urban im Verlauf der Sendung. Der diesjährige ESC war zudem der mit dem bislang besten Zugang für Menschen mit Hörschäden oder Sehbehinderungen.

Isländer für politische Botschaft ausgebuht

Obwohl es die klare Regel gibt, dass beim ESC keine politischen Botschaften verbreitet werden dürfen, nutzten Popstar Madonna und die isländische Band Hatari ihre Auftritte für ebendiese. Die Isländer hatten bereits im Vorfeld erklärt, es sei aufgrund Israels Politik gegenüber den Palästinensern „absurd“, am ESC in Tel Aviv teilzunehmen. Die Band beteiligte sich dennoch am Wettbewerb und kündigte an, diesen zu nutzen, um das „Gesicht der Besatzung“ offenzulegen.

Letztlich absolvierten die in Lack und Leder gekleideten Punkmusiker ihren eigentlichen Auftritt ohne Zwischenfälle. Lediglich bei der Verkündung der Punkte hielten sie Banner mit der Aufschrift „Palästina“ und die palästinensische Fahne in die Kamera. Dafür wurden sie vom Saalpublikum ausgebuht.

Madonna enttäuscht Fans mit schiefen Tönen

Ein Höhepunkt des ESC sollte der Live-Auftritt von Madonna werden. Mehr als eine Million Euro hatte der israelisch-kanadische Geschäftsmann Sylvan Adams für ihren Auftritt gezahlt. Internationale Medien schrieben später von einem Tiefpunkt in der Karriere der Pop-Ikone: Schief und kurzatmig trug sie ihren 1980er-Jahre-Hit „Like A Prayer“ vor. Dafür erntet sie Spott und Häme im Netz. Mit dem Rapper Quavo präsentierte sie zudem ihren neuen Song „Future“. Entgegen der Regeln wurde es auch hier politisch: Ein Tänzer hatte eine Israel-Fahne auf dem Rücken, eine Tänzerin die palästinensische Flagge. Beide gingen Hand in Hand.

Die Europäische Rundfunkunion (EBU) erklärte dazu: „Dieses Element des Auftrittes war nicht mit der EBU und dem Gastgeber Kan abgesprochen. Der Eurovision Song Contest ist eine unpolitische Veranstaltung und Madonna wusste das.“ Die Sängerin selbst twitterte nach ihrem Auftritt, sie sei dankbar für die Gelegenheit, „die Botschaft von Frieden und Einheit in die Welt senden zu können“. Den Vertrag für ihren Auftritt hatte Madonna erst am Donnerstag unterzeichnet.

Die Politik begleitet den ESC in Israel, seitdem Sängerin Netta Barzilai nach ihrem Sieg am 13. Mai 2018 in Lissabon verkündete: „Nächstes Jahr in Jerusalem!“. Internationale Künstler hatten zum Boykott aufgerufen. In Israel selbst gab Streit um den Austragungsort und Proteste der ultra-orthodoxen Juden, da das Finale an einem Schabbat beginnt.

Der Eurovision Song Contest wird seit 1957 ausgetragen. Teilnahmeberechtigt sind alle Länder, die Mitglieder der Europäischen Rundfunkunion (EBU) sind. Diesem Zusammenschluss gehören derzeit 73 Rundfunkanstalten aus 56 Ländern in Europa, Nordafrika und Vorderasien an. Australien durfte zum 60. Jubiläum am ESC teilnehmen, weil es seit 1974 eine große Fangemeinde hat. Was als einmalige Sache gedacht war, wurde auch nach 2015 beibehalten. Israel nimmt seit 73 an dem Wettbewerb teil und hat ihn vier Mal gewonnen.

Von: dn

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