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Die Disziplin schwindet

Wenn Spitzenpolitiker die Corona-Regeln nicht einhalten, warum sollte es dann die übrige Bevölkerung tun? Der Corona-Beauftragte Gamsu sieht angesichts der Fehltritte von Ministern und Abgeordneten das öffentliche Vertrauen schwinden.
Umweltministerin Gamliel steht wegen ihres Verhaltens an Sukkot in der Kritik

JERUSALEM (inn) – Das Vertrauen der Israelis in die Regierung im Kampf gegen Corona ist auf einem Tiefpunkt angelangt. Die chaotischen Verhältnisse führen zu massenhaften Ansteckungen, während die Polizei keine klaren Anweisungen erhalten hat, die beschlossenen Regeln durchzusetzen.

Ein Beispiel dafür ist das Begräbnis des führenden Rabbi Admor von Pittsburgh am Montag in Aschdod: Bei der Massenveranstaltung wahrten die ultra-orthodoxen Teilnehmer keine Distanz und trugen kaum Masken. Eigentlich hätte die Polizei eingreifen und das Begräbnis stoppen müssen – doch dann wäre es zu gefährlichen Zusammenstößen gekommen.

Regelverstöße bei Politikern

In letzter Zeit häufen sich Fälle mit politisch Verantwortlichen, die die Regeln verordnen oder deren Einhaltung fordern, sich aber selber nicht daran halten. Bereits im April richtete sich gegen Staatspräsident Reuven Rivlin und Regierungschef Benjamin Netanjahu der Vorwurf, an Pessach die jeweiligen Kinder zum Festessen eingeladen zu haben, obgleich diese erwachsen sind und keine ständigen Bewohner der beiden Residenzen. Eben solche Familientreffen waren der allgemeinen Bevölkerung verboten, damit sich die Familienangehörigen nicht anstecken.

Große Schlagzeilen machte Umweltministerin Gila Gamliel am vergangenen Wochenende. Die Likud-Politikerin wohnt in Tel Aviv, ist aber für das Laubhüttenfest 150 Kilometer weit nach Tiberias am See Genezareth gefahren. Dort leitet ihr Schwiegervater eine Synagoge, in der sie beten wollte. Doch die Regeln sehen vor, dass man sich nicht weiter als einen Kilometer vom eigenen Zuhause wegbewegt.

Einen ähnlichen Fehler beging der Abgeordnete Mickey Levy, der sogar Mitglied des Corona-Ausschusses ist. Der Jesch-Atid-Politiker wurde sofort aus dem Ausschuss entlassen, während Gamliel sich für ihre „Fehleinschätzung“ lediglich entschuldigte. Dem Ruf, zurückzutreten, folgte sie bisher nicht. Der Corona-Beauftragte Roni Gamsu kritisierte Gamliels Verhalten und sagte dazu: „Das unterwandert das öffentliche Vertrauen.“ Am Dienstag hieß es, Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit prüfe eine Untersuchung in diesem Fall.

Der Gesundheitsminister und frühere Knessetsprecher Juli Edelstein sah sich angesichts dieser Entwicklung am Montag zu einer Ermahnung veranlasst: „Ich rufe alle Gewählten auf, sowohl von der Koalition wie auch von der Opposition, den Anweisungen des Gesundheitsministeriums Folge zu leisten.“

Drohender Zusammenbruch

Wenn sich selbst die Verantwortlichen nicht an die von ihnen aufgestellten Regeln halten, schwindet zunehmend die Disziplin und Folgsamkeit bei der Bevölkerung. Das ist der Hauptgrund für die in Israel verzeichneten Rekordzahlen bei den Infektionen, sodass den Krankenhäusern zunehmend der Zusammenbruch droht, mangels Betten und ausgebildetem Personal.

Zu den Krankheitsfällen kommen die zunehmend beschwerlichen Sperren hinzu. Es gibt keinen einzigen Touristen im Land, weil die Flugverbindungen immer noch nicht erneuert wurden. Restaurants und Pubs bleiben geschlossen. Das Kulturleben ist faktisch abgeschaltet worden. Und niemand hat bisher ein Patent gefunden, bei einer Million Arbeitslosen oder Angestellten im „bezahlten Urlaub“ die Wirtschaft wieder zu öffnen und anzukurbeln.

Am Montag sind 5.647 Corona-Tests positiv ausgefallen; die Rate blieb stabil bei 11,4 Prozent, was für die Behörden einen „relativ hohen“ Wert darstellt. Die Zahl der Corona-Toten liegt nach Angaben des Gesundheitsministerims bei 1.757, allein am Montag kamen demnach 38 hinzu. Derzeit sind 63.305 aktive Fälle bekannt, davon gelten 865 als schwer.

Ulrich W. Sahm / df

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