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Palästinenser erinnern virtuell an die „Katastrophe“

Virtuelle Touren durch Jerusalem, Gaza und andere Städte, statt Protest-Märsche mit Zehntausenden Teilnehmen: Die diesjährigen palästinensischen Nakba-Veranstaltungen zur Erinnerung an die „Katastrophe“ der israelischen Staatsgründung spielten sich vor allem im Internet ab.
Die Palästinenser begehen den 15. Mai jährlich als Tag der „Nakba“

RAMALLAH (inn) – Weltweit haben Palästinenser den 72. sogenannten Nakba-Tag in diesem Jahr vor allem virtuell begangen. Kundgebungen und damit auch gewaltsame Proteste blieben aufgrund der Corona-Pandemie aus. Kleinere Zusammenstöße gab es lediglich am Freitag in den Ortschaften Al-Sawija und Kafr Qaddum im Westjordanland. Dort hatten sich Palästinenser versammelt, um gegen Israels Siedlungspolitik zu protestieren. Die Demonstrationen fielen mit dem Nakba-Tag zusammen. Israelische Sicherheitskräfte lösten die Proteste mit Tränengas auf.

Jährlich am 15. Mai gedenken Palästinenser der Folgen der israelischen Staatsgründung am 14. Mai 1948, die sie als „Katastrophe“ (Nakba) betrachten. Angesichts der Einschränkungen in der Corona-Krise setzten Palästinenser in diesem Jahr ganz auf Videokonferenzen sowie Kampagnen in den sozialen Netzwerken. Unter anderem präsentierte ein Entwickler aus dem Westjordanland eine Anwendungssoftware.

Mit VR-Brille nach Bethlehem oder Gaza

Mit einer Videokonferenz stellte der Entwickler Salem Barahmeh seine kostenlose App „Palestine VR“ vor. Der Palästinenser aus Ramallah führte die Teilnehmer virtuell durch Gaza, Jerusalem, Hebron und weitere Städte. Um in das Leben vor Ort einzutauchen, ist eine VR-Brille notwendig. „Nach Palästina zu kommen ist transformierend, vor allem für Palästinenser, die uns nicht besuchen dürfen. Wir wollen Palästina mit ihnen teilen und ihnen helfen, diesen Ort zu fühlen und zu verstehen“, erklärte der 30-Jährige seine App.

In den sozialen Medien forderten anti-israelische Organisationen die Nutzer zur Teilnahme an der Kampagne „#KeyToJustice“ (Schlüssel zu Gerechtigkeit) auf. Dazu sollten Unterstützer symbolisch mit einem selbstgebastelten Schlüssel posieren und das Recht auf Rückkehr für alle palästinensischen Flüchtlinge nach Israel einfordern. Der Schlüssel steht als Symbol für die Häuser, die die Araber 1948 bei ihrer Vertreibung oder Flucht in die benachbarten arabischen Länder zurückließen. Er ist überall in den palästinensischen Autonomiegebieten präsent.

Das in London ansässige „EuroPal Forum“, das sich für die Rechte der Palästinenser einsetzt, war anlässlich des Nakba-Tages Gastgeber einer Videokonferenz im Internet. Dort sprachen verschiedene Redner zum Thema „Fortsetzung der Kolonialisierung – bevorstehende Annexion und die Zukunft des Friedens im Nahen Osten“.

Knessetabgeordneter warnt vor neuer „Nakba“

Unter den Referenten war Hatem Bazian von der Berkeley-Universität in Kalifornien. In Bezug auf die Annexionspläne Israels macht er auf eine wachsende Unterstützung der US-amerikanischen „evangelikalen christlichen Rechten“ für eine „Wiederherstellung der Juden in Palästina“ aufmerksam. Israels Premier Benjamin Netanjahu strebe hier die letzte Stufe der Enteignung der Palästinenser an. Der arabische Knessetabgeordnete Jussef Dschabarin warnte angesichts der Annexionspläne vor einer neuen „Nakba“.

Unterdessen hat Israels Botschafter in Aserbaidschan, George Deek, auf einen Eintrag der US-Abgeordneten Rashida Tlaib beim Kurznachrichtendienst Twitter reagiert. Diese hatte geschrieben, der Nakba-Tag erinnere an die „ethnische Säuberung Palästinas“.

Deek, ein christlicher Araber, wies darauf hin, dass auch seine Familie unter den Folgen des Unabhängigkeitskrieges 1948 gelitten habe. So sei sein Großvater in den Libanon geflohen, später aber nach Israel zurückgekehrt. Deek äußerte die Ansicht, dass der Nakba-Tag nicht an humanitäre Katastrophen erinnere. Dies führte er darauf zurück, dass das Gedenken nicht an einem Tag begangen wird, an dem sich Tragödien ereignet hätten, wie beispielsweise das Massaker in der arabischen Ortschaft Deir Jassin am 9. April 1948.

„Der Nakba-Tag wurde auf den 15. Mai gelegt – einen Tag nach Israels Unabhängigkeit. Es geht dabei also nicht um Vertreibung oder Exil, sondern um die Gründung Israels. Diejenigen, die den Nakba-Tag begehen, sind weniger traurig über die humanitäre Tragödie der Palästinenser als vielmehr über die Wiederbelebung des jüdischen Staates“, schreibt Deek.

Die „Nakba“

Das Jahr 1948 hat sich mit der Staatsgründung Israels in das arabische Gedächtnis als die „Nakba“, die „Katastrophe“, eingeprägt. Neben der Existenz des jüdischen Staates soll dieser Begriff vor allem das Phänomen beschreiben, dass etwa 700.000 bis 750.000 Araber unmittelbar vor und nach der Staatsgründung Israels flohen und teilweise vertrieben wurden. Bis heute gelten sie und ihre Nachkommen als Flüchtlinge – im Gegensatz zu den jüdischen Flüchtlingen aus arabischen oder islamischen Ländern.

Um die Katastrophe präsent zu halten, hat der 2004 verstorbene Palästinenserführer Jasser Arafat den 15. Mai als den Nakba-Tag eingeführt. Dieser wird seither, in vielen Ländern begangen.

Von: dn

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