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Münchner Friedenskonferenz nach Antisemitismusvorwurf abgesagt

Die Organisatoren der Münchner Friedenskonferenz lehnen einen Stadtrat als Redner ab – wegen seiner pro-israelischen Ansichten. Da er Jude ist, sehen sie sich Antisemitismusvorwürfen ausgesetzt. Die Konferenz sagen sie letztlich ab.
Die Stadt München ist in diesem Jahr nicht Gastgeber der Friedenskonferenz, die sich als Alternative zur Sicherheitskonferenz sieht

MÜNCHEN (inn) – Zur Münchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar gibt es seit Jahren eine Gegenveranstaltung: die Münchner Friedenskonferenz. Deren Veranstalter wollten sich in diesem Jahr unter anderem mit dem Zusammenhang zwischen Klimawandel und Krieg befassen. Doch die Konferenz ist mittlerweile abgesagt – nachdem die Organisatoren den einzigen jüdischen Stadtrat als Redner ausgeladen hatten.

Zur Vorgeschichte: Die Stadt München hatte den SPD-Politiker Marian Offman beauftragt, auf dem Internationalen Forum der Friedenskonferenz am 14. Februar ein Grußwort zu überbringen. Bis vor einem halben Jahr gehörte er der CSU an. Und er hat sich sehr dafür eingesetzt, dass 2017 ein Beschluss gefasst wurde, nach dem der Stadtrat Unterstützern der anti-israelischen Kampagne BDS (Boykott, Desinvestitionen, Sanktionen) keine Räumlichkeiten vermietet. Dies war nach Aussage der Veranstalter ausschlaggebend für die Ausladung.

Doch eine BDS-kritische Haltung hinderte den Trägerkreis in der Vergangenheit nicht, die Stadträte Christian Vorländer (SPD) oder Florian Roth (Grüne) zu empfangen. Denn sie verträten Parteien, „die zumindest historisch – wenn auch nicht in allen aktuellen Fragen – der Friedensbewegung näher stehen“, sagte der Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK), Thomas Rödl, gemäß der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ). Er ist verantwortlich für die Organisation der Friedenskonferenz. Offman habe zwar die Partei gewechselt, aber er „kommt aus der CSU und diese vertritt bei den Themen Militär, Rüstung, Atomwaffen genau die Positionen, die wir argumentativ mit unserem Konferenzprogramm ablehnen“.

Offman hätte nach eigenen Angaben gern einen Dialog herbeigeführt. Für ihn lag allerdings die Vermutung nahe, „dass man den Juden Marian Offman einfach nicht als Begrüßungsredner haben wollte. Auch wegen seiner Position natürlich zu Israel“. Rödl wies dies zurück: „Nichts liegt uns ferner, als eine bestimmte Religionsgemeinschaft ausgrenzen zu wollen.“ Das zeige schon das „Friedensgebet der Religionen“, das jedes Jahr zum Programm der Konferenz gehört. Es findet trotz der abgesagten Konferenz auch in diesem Jahr statt – mit Juden, Buddhisten, Christen, Muslimen und Bahai.

OB: Affront gegenüber der Stadt

Stadtrat Offman hingegen betont: „Israel ist für mich Überlebensgarantie, gerade heute. Kann ich da einen wirtschaftlichen und kulturellen Boykott akzeptieren?“ Auch die Deutsch-Israelische Gesellschaft sprach in einer Mitteilung vom 9. Januar von einer „Form des israelbezogenen Antisemitismus“, wie die Zeitung „Junge Welt“ berichtete. Der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle (CSU) sah in der Ausladung sogar offen antisemitische Züge.

Für den Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat die „offensive Ausladung“ des einzigen jüdischen Stadtrates im Zusammenhang mit der Friedensthematik durchaus etwas mit Antisemitismus zu tun. Er teilte laut SZ mit, dass es keinen anderen Vertreter für die Konferenz geben werde. Ein Veranstalter könne sich nicht aussuchen, wer im Namen der Stadt ein Grußwort spreche. Die Ablehnung empfinde er als „Affront“ gegenüber der Stadt. Er schließe weitere Konsequenzen nicht aus.

Vorländer, der in der Vergangenheit selbst schon ein Grußwort überbracht hat, sagte, Offmans Ausladung habe ihn „entsetzt und tief betroffen“ gemacht. Er ist stellvertretender Vorsitzender der SPD-Stadtratsfraktion. Rödl indes machte ein schriftliches Gesprächsangebot „über die deutlich gewordenen politischen Differenzen“. Darin bekundete er seine Überraschung darüber, dass das OB-Büro überhaupt auf die Idee gekommen sei, Offman das Grußwort sprechen zu lassen.

Trägerkreis: Störungsfreier Ablauf nicht mehr gewährleistet

Am Donnerstag teilte der Trägerkreis dann mit, dass die Friedenskonferenz in diesem Jahr ausfalle: „In den letzten Tagen wurde in den Medien der Vorwurf des Antisemitismus gegen die OrganisatorInnen der Friedenskonferenz implizit und explizit erhoben“, heißt es auf der Webseite. „Diese Vorwürfe und Unterstellungen haben wir zwischenzeitlich entschieden zurückgewiesen. Trotzdem mussten wir eine weitere Eskalation der Kampagne gegen unsere Veranstaltung in den nächsten Wochen befürchten.“ Der störungsfreie Ablauf der Veranstaltung „ist aus unserer Sicht nicht mehr gewährleistet“.

An Oberbürgermeister Reiter schrieben die Veranstalter demnach: „Der Hauptgrund (für die Absage) sind die Vorgänge um das Grußwort durch Stadtrat Marian Offman. Wir haben keine Kapazität, die Friedenskonferenz vorzubereiten und gleichzeitig diesen Konflikt für alle zufriedenstellend zu lösen.“ Sie bedauerten, „dass unser Verhalten von Ihnen (Herr Reiter) und Herrn Offman als Affront gesehen wurde“. Außerdem hätten die Veranstalter vor der Entscheidung für die Absage bereits beschlossen gehabt, „das Angebot der Stadt anzunehmen und Herrn Offman die Grußworte der Stadt überbringen zu lassen“.

Der Vorstand des Deutschen Zweiges des Internationalen Versöhnungsbundes äußerte in einer Pressemitteilung sein Bedauern darüber, „dass die Hauptbeteiligten an diesem Konflikt nicht zeitnah nach seiner Entstehung aufeinander zugegangen sind, um im Dialog eine konstruktive Lösung zu finden – was die dann folgenden Presseartikel überflüssig gemacht hätte“. Der Versöhnungsbund bedankte sich „ausdrücklich für die über viele Jahre gewährte Gastfreundschaft der Stadt München. In ihren Räumen konnte die Friedenskonferenz entscheidende Stimmen zu Gehör bringen für eine Friedensordnung ohne Gewalt“.

Zum Trägerkreis der Friedenskonferenz gehören die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, Landesverband Bayern; Pax Christi im Erzbistum München und Freising; der Internationale Versöhnungsbund; die NaturwissenschaftlerInneninitiative Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit; das Netzwerk Friedenssteuer Region Bayern; die Projektgruppe „Münchner Sicherheitskonferenz verändern“; die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit.

Von: eh

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