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Haisam Hassanein: Als ägyptischer Student in Tel Aviv

Als der Ägypter Haisam Hassanein seiner Mutter erzählt, dass er in Israel studieren wolle, bittet sie ihn, nicht zu gehen. Vor Ort erlebt er schließlich einige Überraschungen – und hinterfragt die allgemein negative Vorstellung von Ägyptern über Israelis.
Ist in Ägypten aufgewachsen, wo ihm ein stereotypes Bild von Juden vermittelt wurde: Haisam Hassanein

Hätte mir jemand vor fünf Jahren erzählt, dass ich einmal vor Israelis sprechen würde, um mit ihnen den 40-jährigen Jahrestag des Friedensvertrags zwischen Israel und Ägypten zu feiern, hätte ich die Person für verrückt erklärt.

Ich bin in Ägypten aufgewachsen, in Banha, das liegt wenige Kilometer nördlich von Kairo. Mein Bild von Juden war vor allem durch ägyptische Fernsehserien geprägt, in denen Juden als Spione und Diebe dargestellt wurden. Die generelle Vorstellung von Ägyptern über Israelis ist, dass es sich um Besatzer und Kindermörder handelt. Persönlich kannte ich keine Juden. Als ich meiner Mutter erzählte, dass ich in Tel Aviv studieren wollte, bat sie mich, nicht zu gehen: „Trotz des Friedensvertrages ist doch unser Konflikt mit Israel noch nicht zu Ende. Die Israelis mögen uns nicht und wir sie nicht. Außerdem ist es gefährlich.“ Andere sagten: „Du weißt nicht mal, ob die überhaupt Englisch sprechen und es fließendes Wasser gibt.“ Ich ging trotz der Warnungen. Als Jugendlicher war ich mit meiner Familie in die USA gezogen. Mit meinem amerikanischen Pass kam ich 2014 zum Studium nach Israel.

Viele Begegnungen mit Arabern in Israel

Die erste Überraschung erfolgte am Flughafen: Der Taxifahrer, der mich nach Tel Aviv brachte, sprach mit mir Arabisch, im irakischen Dialekt. Seine Eltern waren aus dem Irak eingewandert, er erzählte mir von den Misrachim, den Juden, die aus arabischen oder muslimischen Ländern stammen.

Ich ging ins Hotel in Tel Aviv – der Portier war Araber. Am nächsten Tag ging ich beim Einkauf zu der Kassiererin, die ein Kopftuch trug – wir unterhielten uns auf Arabisch. Der Mann, der mich am Eingang zur Universität kontrollierte, war Druse – wir sprachen Arabisch.

In der Universität traf ich auf Juden mit ägyptischen Wurzeln – tolle Menschen, die mich zu ihren Schabbatessen einluden, an denen wir leckere ägyptische Speisen zu uns nahmen, unsere Liebe zur arabischen Musik und Kultur teilten und über Politik diskutierten. Ich fühlte mich zu Hause. Ich traf auf den 73-jährigen Rachmo, einem ägyptischen Juden, der in seinem Restaurant Falafeln verkaufte, die nach ägyptischer Art aus Bohnen und nicht, wie in der Levante, aus Kichererbsen gemacht waren. Im Ladeneingang hingen Fotos von den Pyramiden und der Sphinx. Er erzählte mir von seinem Trauma, als er im Alter von 13 Jahren mit seiner Familie nach Israel auswanderte. Die Familie war vor Verfolgung in Ägypten geflohen und wurde nun in einem Lager in Israel angesiedelt.

Ganz normale Menschen

Von den Misrachim verstand ich, wie schwierig es für sie war, in einem Land anzukommen, das von aschkenasischen, also europäischen Juden dominiert war. Viele fühlten sich gezwungen, ihre eigene Kultur aufzugeben, wenn sie dazugehören wollten. Die nachfolgenden Generationen sprechen kein Arabisch mehr. Auf der anderen Seite erinnern sich viele an die Verfolgung der irakischen und marokkanischen Juden in den 1940er und 50er Jahren, nach der Staatsgründung Israels. Ein Freund wiederholte die Aussage seiner Großmutter: „Die Aschkenasim werden die Araber niemals so verstehen, wie wir das tun. Sie verstehen nur den Holocaust.“

Doch inzwischen ist auch die israelische Gesellschaft offener geworden. Die Kultur der orientalischen Juden wird geschätzt, Ehen zwischen Aschkenasim und Misrachim sind kein Problem mehr, es gibt orientalische Spitzenpolitiker. Die erfolgreiche Integration der Juden aus orientalischen Ländern, trotz sprachlicher und kultureller Barrieren, ist eine moderne Erfolgsgeschichte, die gefeiert werden sollte. Als Muslim bin ich mir dagegen der hunderttausenden palästinensischen Flüchtlinge bewusst, die jahrzehntelang in Lagern gehalten wurden und bis heute in den Ländern ihrer arabischen und muslimischen Nachbarn nicht willkommen sind.

Durch meine Zeit in Israel habe ich verstanden, dass Israelis Menschen wie überall auf der Welt sind, die sich ein gutes und sicheres Leben wünschen und sich um Frieden mit ihren Nachbarstaaten bemühen. Doch auf der arabischen Seite herrscht ein tiefes Misstrauen. Ich hoffe, dass ich künftig zwischen beiden Seiten vermitteln kann.

Haisam Hassanein ist 28 Jahre alt. Er promoviert in Israel an der Universität Tel Aviv im Fach Nahoststudien.

Aufgezeichnet von: mh

Diesen Artikel finden Sie auch in der Ausgabe 2/2019 des Israelnetz Magazins. Diese besondere Themenausgabe befasst sich mit den Beziehungen Israels zu arabischen Staaten und dem Iran. Sie können die Zeitschrift kostenlos und unverbindlich bestellen unter der Telefonnummer 06441/915152, via E-Mail an info@israelnetz.com oder online. Gerne können Sie auch mehrere Exemplare zum Weitergeben oder Auslegen anfordern.

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