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Eine andere Perspektive

In deutschsprachigen Kreisen wird in den vergangenen Wochen wieder verstärkt von der „Siedlergewalt“ gesprochen. Trotz der Problematik stellt sich die Frage, wie sich Politik und Gesellschaft zu diesem Randphänomen stellen.
Von Merle Hofer
Siedlung

Unter dem Eindruck des Krieges ist in einem Gottesdienst Ende November in Jerusalem von „Terror- und Besatzungsgewalt“ die Rede. Ganz so, als stünde der Gazastreifen unter israelischer Besatzung – was seit knapp 20 Jahren nicht mehr der Fall ist. Oder als stünden die barbarischen Taten der Hamas-Terroristen an Juden in irgendeinem Verhältnis zu dem, wie israelische Soldaten die Palästinenser im Westjordanland oder an den Grenzposten behandeln.

Einseitige Berichterstattung

Der Grünen-Politiker und das Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages Jürgen Trittin postet am 14. Oktober ein Foto von sich auf der Plattform X mit der Aufschrift: „Hinter mir besetzte C-Gebiete. Hier eskaliert seit #Oktober7 die Gewalt mit über 200 Toten durch Soldaten und Siedler.“ Ganz so, als läge der Schwerpunkt der Gewalt in den vergangenen anderthalb Monaten auf der Westbank und nicht etwa in Südisrael und im Gazastreifen.

Am 30. Oktober betitelt die „taz“ einen Bericht aus dem Westjordanland: „Die Vertriebenen“. Und erzählt die Geschichte des Beduinen Suleiman Zawahri, dessen Gemeinschaft in den vergangenen Monaten Gewalt durch Siedler erlebt hat und der aus Angst vor weiteren Übergriffen geflohen ist. Seit dem Überfall der Hamas auf Israel würde auch das Leben von Beduinen im Westjordanland gefährlicher. Immerhin wird erwähnt, dass der Status der Beduinen nicht nur auf israelisch kontrolliertem C-Gebiet ungeklärt ist, sondern diese auch in den von der PLO kontrollierten A-Gebieten kein Zuhause finden.

Trotzdem entsteht beim Lesen des Artikels der Eindruck, dass für die Misere der Beduinen allein die jüdischen Siedler sowie die israelische Armee schuld seien. Als Beleg dienen die Aussagen jüdisch-israelischer Aktivisten. Der Artikel berichtet „von Schlägen, von Verbrennungen mit Zigaretten und einem versuchten sexuellen Übergriff“. Ganz so, als stünden diese Handlungen bei den Soldaten der israelischen Armee auf der Tagesordnung.

Die Schweizer Onlinezeitung „20 Minuten“ zitiert am 6. November das UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten (OCHA). Demnach hätten sich „die Angriffe von Siedlern auf Palästinenser“ im Vergleich zu der Zeit vor Beginn des Gazakrieges „mehr als verdoppelt“. Habe es zuvor durchschnittlich drei Vorfälle pro Tag gegeben, seien es jetzt acht. Im ersten Monat nach dem 7. Oktober wurden demnach 607 Palästinenser im Westjordanland vertrieben.

Drei Tage später erhebt ein ARD-Korrespondent den Vorwurf, er wäre südlich der palästinensischen Stadt Hebron nach einem Interview von israelischen Soldaten „festgehalten und bedroht worden“. Auch er nennt unter Berufung auf israelfeindliche Organisationen 170 Fälle von „rechter Siedlergewalt“ seit dem 7. Oktober. 

20 Tötungsversuche pro Tag

Bei all diesen Beispielen drängt sich der Eindruck auf, dass durch die verstärkte Berichterstattung über diese Vorfälle die Gewalt der Hamas relativiert werden soll. Außerdem entsteht der Eindruck, dass im Westjordanland vor allem Araber unter Gewalt litten. Dabei gehört zum Gesamtbild aber mindestens der Umstand, dass es im ersten Halbjahr dieses Jahres westlich des Jordans seitens der Palästinenser mehr als 3.600 Versuche gab, Juden zu ermorden. 28 Juden verloren dabei ihr Leben, 362 wurden verletzt.

Immerhin verschweigt der Artikel in der „taz“ nicht die Reaktion der israelischen Armee auf den Vorfall mit dem Beduinen Zawahri. Die Armee habe Fehler eingestanden. Und: Das Verhalten der Einsatzkräfte stehe „im Widerspruch zu den Standards, die von Soldaten und Kommandanten erwartet werden“. Der Kommandant, der den Einsatz leitete, wurde aus dem Dienst entlassen, eine Untersuchung eingeleitet.

Genau hier liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen der Hamas-Militärdiktatur im Gazastreifen sowie der Fatah-Militärdiktatur im Westjordanland einerseits und dem demokratischen Israel andererseits: In Gaza und der Westbank darf niemand laut sprechen, wenn er anders denkt.

In Israel hingegen, wo es zwar in der aktuellen israelischen Regierung rechte Kräfte gibt, verurteilt der Großteil der Regierung die Gewalt von Siedlern im Westjordanland. Und Premierminister Benjamin Netanjahu (Likud) betonte Mitte November, dass jüdische Extremisten nur einen kleinen Teil der israelischen Bevölkerung in „Judäa und Samaria“ darstellten. Weiter sagte er: „Wir sind nicht bereit, das zu dulden.“ Konsequenzen würden folgen.

Dass es noch mehr Zeit als sonst benötigt, diese zu ziehen, dürfte spätestens dem Beobachter einleuchten, der verfolgt hat, in welcher Größenordnung der jüdische Staat zurzeit mit seinen eigenen vertriebenen und evakuierten Bewohnern zu tun hat: Allein bis Ende Oktober waren es 70.000 Bürger, die bis zum 7. Oktober in unmittelbarer Nachbarschaft zum Gazastreifen lebten. Dabei sind die Menschen in der weiteren Nachbarschaft und die Bürger, die vor den Raketen der Hisbollah im Norden geflohen sind, noch nicht mit eingerechnet. Schade, dass „20 Minuten“ von ihnen nichts geschrieben hat.

Dieser Artikel wurde zuerst im Newsletter von https://factum-magazin.ch veröffentlicht

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18 Antworten

  1. Die New York Times berichtet heute, dass Israel seit über einem Jahr von den Plänen der Hamas wusste. Wird es dazu auch noch einen Artikel geben?

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    1. Liebe Jutta, hier in Israel wird seit Tagen über diese Hamas Pläne berichtet. Geheimdienste, die ansonsten mehr als gründlich sind und die momentane Regierung hätten… es „gewusst….“
      Nicht vermutet???? Keine Ahnung. Normalerweise vertraue ich den Geheimdiensten.
      Rest weiss man ja. Massaker 7.10.
      Siedler! Ja, einige sind keine netten Zeitgenossen. Die Mehrheit schon. Sie sagen, Samaria/ Judäa bibl. Kernland. Da die führenden
      Staatsmänner* zunehmend Islam sind, sogenannte Christen oder säkular wird die Urbibel, auch WJL, nicht Intern. anerkannt. Abbas hat sein Volk dort n i c h t mit den Hilfsgeldern versorgt.
      Alles Gute und nach Deutschland einen schönen 1. Advent. Shalom

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      1. Heute früh hat ein israel. Kenner des israel. Geheimdienstes gesagt, dass nach dem Krieg die Aufarbeitung beginnen wird. Und ja, es muss aufgearbeitet werden, was hier schief ging. Auch die Frage, was wusste die Regierung. Vor einem Jahr war übrigens noch Lapid an der Macht. Da muss man die Frage auch noch auf seine Regierung ausweiten. Das wird viel Arbeit geben.

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  2. Diesen Artikel kann man beim besten willen nur als Relativierung und
    schlechte Propaganda werten, auf die nur Israel-Apologeten reinfallen

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  3. Heute bin ich mal links/grün angehacht und nutzt die Worte unseren geschätzen Innministerin. Die Siedler sind durch Hamas Gewalt traumatiesert. Durch schwere Kindheit und fehlender Perspektiven haben sie ein anderes Verständnis von Gewalt. Hier sollte man Nachsicht walltern lassen. Im Zweifelsfall können sie nach Deutschland flüchten. In dem Fall wäre sogar ich für eine Aufnahme im Land.

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  4. Zugegeben, manche dieser ‚Siedler‘ sind nicht gerade sympathische Leute. Dennoch, warum sollten Juden nicht in der Westbank legal siedeln können? Es leben ja schließlich auch Araber in Israel. Das dieses Thema hierzulande tendenziös aufgemacht wird: ist doch klar!

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    1. Hier geht es nicht um Sympathie oder Antipathie, sondern um die Tatsache, dass Judäa ud Samaria biblisches Kernland sind und somit dürfen dort Juden leben.

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      1. kann man sich heutzutage wirklich noch auf so etwas wie „biblisches Kernland“ berufen?

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        1. Was macht die Gegenseite? Was einmal islamisch war, muss islamisch bleiben. Kann man sich darauf berufen?

          Was das biblische Kernland angeht, lesen Sie mal die Bibel.

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        2. Jedesfalls kann gesagt werden: Das Judentum war vorher schon da! Das Argument ist wohl weither geholt, soll aber einfach mal im Raum stehen!

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  5. Das mit den Siedlern ist natürlich ein gefundens Fressen im Medienkrieg gegen Israel,der von Hamas und Iran angeführt wird. Außerdem soll es als Grund herhalten, Terroranschläge zu legitimieren. Und solche Dinge werden in Israel nicht gefeiert sondern weithin abgelehnt.ein paar Verrückte gibts halt überall.

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  6. Jürgen Trittin (Die Gewalt der Siedler) erinnert uns an seinen (Partei)freund Hans-Christian Ströbele 1991:“
    Dass Israel von Saddam Husseins Irak mit R-17-Raketen beschossen wurde, ist die logische, fast zwingende Konsequenz der Politik Israels“.

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  7. Mit Sicherheit ist die Lage überall angespannt, aber Jürgen Trittin hat da wohl seine ganz eigene Israel-feindliche Demagogie entwickelt, wie er am 14.Oktober gepostet hat. Das ist das Schlimme, dass wir in Deutschland aus vielen politischen Ecken Israel-feindliche Demagogie hören und auch in den Social Media’s,
    Indes: Es ist derzeit kein Frieden absehbar, auch nicht in Samaria und Judäa, dem sogenannten Westjordanland. Wichtig sind auch die dort lebenden 800 Samariter. Diese zeigen, was Überlebenskampf in mehreren Tausend Jahren ist. Jürgen Tritten weiß aber wohl garnicht, was Samariter sind…

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  8. in den deutschen öffentlich rechtlichen medien wie ard und zdf wird leider geschickt zwischen den zeilen pro palästina und gegen israel berichtet , so geschickt , dass es auch gebildete menschen nicht merken.

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  9. Heutztage wird man von manchen Kreisen als rechtsradikal bezeichnet, wenn jemand gegen Abtreibung in der 24. Lebenswoche ist oder es ablehnt, dass Abtreibung von der Krankenkasse bezahlt wird??! Bei so einem inflationären Gebrauch des Wortes von seelenlosen Spinnern, erwarte ich auch nichts mehr von der Berichterstattung. Zur Zeit hilft nur beten, helfen und an Wunder glauben. Die Existenz Israels ist ein Wunder und hat mich über die in die Nacht geweinten Abende getröstet, an denen mich meine Mutter (frankophones Kriegskind) zwang Holocaust Dokus anzuschauen. AM ISRAEL CHAI

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