Eigentlich wollte der israelische Regisseur eine „musikalische Tragödie“ über einen Künstler drehen. Es hätte um Kunstschaffende und ihre Schwäche gegenüber der Macht von Geld und Politik gehen sollen, wie Nadav Lapid der Presse sagte. Doch dann kam das Massaker der Hamas am 7. Oktober. So passte der grellbunte Film nicht mehr als israelischer Beitrag auf Filmfestivals.
Also schrieb und schnitt Lapid um. Herausgekommen ist ein skurriler, manchmal etwas verstörender, aber in seiner Effekthascherei durchsichtiger Film, den mit Sicherheit trotzdem viele als politisch-provokant loben werden. Das Branchenblatt „Variety“ schrieb: „Viele Arthouse-Verleiher werden ‚YES‘ ablehnen, einen Film, der angesichts seines frechen, exzentrischen Tons und Stils selbst unter einem Publikum, das seine politische Linie teilt, sicherlich für Spaltung sorgen wird.“
Der deutsche Kinostart ist für den 13. November geplant. Und sicher werden Israelhasser auch hierzulande begeistert sein, dass ein Israeli sein eigenes Land so wunderbar schlecht macht.
Die Hauptperson Y. wird im ganzen Film nur so genannt: Y. Das mag irgendwie feige erscheinen, aber das würde immerhin zu Y. passen. Politik ist nicht seine Sache, Partys, Sex und Drogen sind wichtiger, auch reich sein wäre schön. So tanzt sich Y. zunächst durchs bunte Leben.
Meldungen über Armee-Einsätze nebenbei
Ab und zu stören Meldungen über Einsätze der israelischen Armee sein Leben zwischen türkis schimmerndem Mittelmeer und Partys. „Bei der Bombardierung von Dschabalia wurden mindestens 94 Menschen getötet.“ Mehr erfährt man nicht.
Da dürften Hintergrundinformationen für den Zuschauer vielleicht gar nicht so uninteressant sein: Das Flüchtlingslager Dschabalia, das während des Israel-Gaza-Krieges seit dem 9. Oktober 2023 Ziel mehrerer israelischer Luftangriffe war, wurde tatsächlich am 31. Oktober angegriffen. Bei der israelischen Operation wurden mindestens 50 Palästinenser getötet (nicht 94) und mehr als hundert unter den Trümmern eingeschlossen. Israels Armee teilte mit, es habe sich um einen großangelegten Angriff auf eine militärische Hochburg der Hamas gehandelt.
Aber Hintergrundinformationen stören in diesem Film und im Leben von Y. ebenso wie Fakten über das Massaker vom 7. Oktober. Oder ein Faktum wie das, dass der Leiter des Kamal-Adwan-Krankenhauses in Dschabalia zu Protokoll gegeben hat, die Hamas habe die Einrichtung für Terrorzwecke missbraucht. Solche Fakten wären für ein fröhliches Musical zu komplex. Und sie verdürben Y. und seiner Freundin Jasmine die Stimmung.
Horror-Clown als Gegenpol zu Tanzenden des „Supernova“-Festivals
Da ausgerechnet die Menschen auf dem „Supernova“-Festival im Süden Israels an jenem 7. Oktober im Grunde nur das Leben genießen und tanzen wollten, wird hier der tanzende Clown Y. – ob gewollt oder nicht – zu einem bitterbösen Gegenpol, zu einem Horror-Clown, der dann auch noch die Maßnahmen der israelischen Armee gegen diesen Terror verhöhnen darf. Zum Glück durchkreuzen nie Hamas-Kämpfer die Partys in Y.s Leben.
Eines Tages kommt ein russischer Oligarch nach Israel und möchte, dass Y. eine nationalistische Hymne komponiert. Y. schielt auf das Geld und antwortet: „Stets zu Diensten, Mephisto!“ Israelischer Nationalstolz, der Stolz auf eine israelische Armee, auf Politiker, die angesichts eines aufgezwungenen Krieges alles versuchen, die Bevölkerung zu schützen, werden in diesem Film zu einem Witz.
Zwischendurch darf es dann ein wenig (aber nicht zu sehr!) kritisch werden: Die Soldaten an den Grenzübergängen unterscheiden, ob die Besucher Juden sind oder nicht, höhnt Y. „Ein Jude darf durch, ein Nichtjude nicht“, summt Y. vor sich hin. Dabei sind es perverserweise die palästinensischen Terroristen, die genau diesen Unterschied machen und ihn seit Jahrzehnten bis auf den Tod verteidigen. So als seien die israelischen Soldaten Rassisten – und so als gebe es nicht seit Jahrzehnten den antijüdischen Terrorismus in Israel.
Y. selbst war übrigens auch in der Armee, erwähnt der Film am Rande, allerdings im Orchester. Seine Mutter hatte dafür gesorgt: „Du wirst im Militärorchester spielen. Und die Nachbarsöhne sterben an der Front.“ Dass das feige ist, weiß Y. offenbar selbst. In der Zwischenzeit überfällt seine Freundin Jasmine brutal einen Geschäftsmann und presst ihm mit Gewalt 15.000 Schekel ab. Die Szene ist humorvoll gemeint. Ist das noch Feminismus oder schon dumpfe Gewaltverherrlichung? Die Armee begeht Verbrechen, aber wenn es um mehr Spaß im Leben geht, ist Gewalt okay?
Regierungskritischer Film, gefördert von der Regierung
Auf der Party zu Beginn des Films wird das Gemälde „Stützen der Gesellschaft“ des deutschen Malers George Grosz gezeigt. Entstanden 1926, zeigt es unter anderem ein NSDAP-Mitglied. Die drei Personen stehen für das Aufkommen des Nationalsozialismus in der Weimarer Republik, dem Presse und Politik, Kirche und Militär geholfen haben. Dieses Bild in Zusammenhang mit dem modernen Israel zu bringen, ist natürlich reine Provokation. Um es auch noch einmal extra zu betonen, sagt ein Sprecher im Off dann noch den Titel des Bildes.
So zusammenhanglos wie dieses Bild erscheint auch sonst vieles in diesem Film im Schnittraum chaotisch zusammengestückelt. Aber wenn am Ende dubiose (nie konkrete) Kritik an Israels Armee zustande kommt, darf man sich der Anerkennung und vielleicht auch des einen oder anderen Filmpreises in Europa wohl sicher sein.
Der Film „YES“ wurde unter anderem vom Israelischen Filmfonds des Ministeriums für Kultur und Sport bezuschusst. Ganz so schlimm scheint es mit der Zensur, die Regisseur Lapid in Interviews vorab kritisierte, dann doch nicht in Israel bestellt zu sein. Schön, dass seine Figur Y. mit dem Sohn in Ruhe auf den Spielplatz gehen, „der Stille zuhören“ und dann das „weinerliche Gejammer der Besatzer“ verhöhnen kann. Dieser Frieden ist anderen Bewohnern seines Landes nicht gegönnt.
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				Der Film zeigt ein häufiges künstlerisches Paradoxon: Gerade, weil die Armee die Bürger des Landes schützt, kann sich ein Filmemacher in Ruhe über sie lustig machen; gerade, weil in Israel Meinungsfreiheit herrscht, kann ein Künstler die Regierung kritisieren – und wird dabei von ihr sogar noch finanziell unterstützt. Man wünschte sich, die Palästinensische Autonomiebehörde würde einmal die Produktion eines Spielfilms fördern, in dem der Terror der Hamas kritisch dargestellt wird.
Dann wirkt es allerdings doch obszön, wie die Erinnerungen an das Massaker der Hamas in diesem chaotischen Film verarbeitet werden. Ein grellbunter Musikfilm ist in jedem Fall eine seltsame Antwort auf Terror. Vielleicht wäre es besser gewesen, Lapid hätte sein altes Drehbuch belassen, wie es war – und einen klamaukigen und ein ganz klein bisschen auch kritischen Film über das Künstlerleben in Israel gemacht.
„YES“, Regie: Nadav Lapid, Deutschland/Frankreich/Israel/Zypern 2025, 150 Minuten, FSK 16, hebräische OmU-Fassung und deutsche Synchronfassung, ab 13. November im Kino
								
9 Antworten
Warum eine derart langatmige Kritik für einen schlechten Film ? Fünf Zeilen hätten gereicht.
@Antonia
Ich wollte das gleiche schreiben, keine 5 Zeilen wert. Ich habs auch nicht ganz gelesen, muss ich gestehen. Es ist nicht zu fassen, mit welchem Dreck Menschen Geld verdienen und ihr Land beschmutzen.
Genau, Treue zur Nation geht natürlich über alles, „right or wrong, my country“.
Wenigstens hat sich der Autor der Rezension etwas mehr Mühe gemacht.
Zum Thema Provokation, der Fakt, dass die Stützen der Gesellschaft (inklusive Premier und rechtsextremem Polizeiminister) in Hinsicht auf mutmaßliche Verbrechen durch Mitglieder der IDF die Untersuchungen dazu skandalös finden und nicht die schon relativ deutlichen Hinweise, passt leider ziemlich gut zu dem Mindset. Es ist echt tragisch, wie diese Clique Israel in den Dreck trampelt.
Banal, opportunistisch und nichts, wofür ich mein Geld ins Kino tragen würde.
SHALOM
Weil sonst der Vorwurf kommt: du hast den Film nicht gesehen, du fandest ihn einfach nur doof, du kannst gar nicht begründen, was du an ihm schlecht findest usw.
Ein tanzender Clown gegen Israel. Darf das sein? Ja, ein Clown darf alles.
Nicht zufällig wat mein erster Gedanke
DADA und George Grosz. Das ist eine
Radikal Pazifiktische Richtung, aber
Eine Demokratie hält sowas aus . Jeder
Kann ja sehen das das Utopie ist die
Nicht realistisch oder mehrheitsfähig
Ist war es schon 1919 nicht
Manche Filme sind eben nicht passend, weil ihr Inhalt für viele Menschen beleidigend ist.
Widerwärtig