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Ein bisschen Frieden – immerhin

Vor 30 Jahren: Die „Madrider Konferenz“ im Oktober 1991 zum Abbau politischer und religiös motivierter Spannungen im Nahen Osten endete weitgehend ergebnislos. Zugleich öffnete sie für Israel das Tor zur globalen Diplomatie.
Von Benedikt Vallendar

Es ist das Jahr 1991. Zwei Jahre nach dem Mauerfall und ein Jahr nach der deutschen Wiedervereinigung. Der Kommunismus ist zwar Geschichte, doch noch gehört die Sowjetunion zu den Gastgebern internationaler Symposien; darunter der „Madrider Konferenz“, die Ende Oktober im ehrwürdigen Königspalast zusammenkommt. Die Eröffnungsrede hält der spanische Ministerpräsident Felipe González, neben ihm US-Präsident George Bush Senior und sein sowjetischer Amtskollege Michail Gorbatschow. Das Ziel: Nach dem Ende der Blockkonfrontation und dem ersten, für die USA siegreichen Golfkrieg gegen den Irak wollen die ehemaligen Kontrahenten auch Frieden im Nahen Osten schaffen. Bereits im März 1991 hatte Bush öffentlich verkündet, dass es nun Zeit sei, „dem israelisch-arabischen Konflikt ein Ende zu setzen“. Nach offizieller Zählung war es der zweite Golfkrieg, da der Iran-Irak-Krieg aus den 80er Jahren als der erste Golfkrieg gilt.

Ambivalent war die Rolle der Sowjetunion angesichts ihres bevorstehenden Zusammenbruchs. Sie glich in weiten Teilen der eines tragischen Helden in einer griechischen Tragödie: Ein an sich selbst gescheiterter Riese, der sich damals wie heute gegen den Absturz in die weltpolitische Bedeutungslosigkeit sträubte, was erst jüngst mit der russischen Waffenhilfe für Syrien zutage trat. Ein außenpolitischer Schachzug Wladimir Putins im Frühjahr 2017, der die Diktatur in Damaskus vor dem Untergang bewahrte und Israel weiter unter Zugzwang setzt, sich weiter gegen den Aggressor aus dem Norden, gegebenenfalls auch militärisch, zur Wehr zu setzen.

Doch zurück nach Madrid. Das 1991 erklärte Anliegen, Frieden im Nahen Osten zu schaffen, gelang – wie von jeher – nur in Trippelschritten. Und aufs Ganze gesehen – darin sind sich Historiker einig – scheiterte die Konferenz auf breiter Linie, was sich erst im jüngsten Wiederaufflammen der Hamas-Angriffe auf Israel aus dem Gazastreifen gezeigt hat. Dennoch konnte Israel die Konferenz als außenpolitischen Erfolg für sich verbuchen. Denn der scheinbar regional begrenzte Konflikt bewegt sich seither unter dem Rampenlicht der Weltöffentlichkeit. Das kann jeder bestätigen, der in Melbourne, Tokio, La Paz oder Paris an einem Zeitungskiosk vorbeigeht und die Schlagzeilen studiert, sobald die politische Fieberkurve im Nahen Osten mal wieder nach oben schnellt.

Das Problem: Seit seiner Gründung 1948 war es nur in wenigen Fällen gelungen, das Verhältnis zwischen Israel und seinen Nachbarn auf eine kooperative Basis zu stellen oder gar Frieden zu schließen – wie mit Ägypten in Camp David 1979 oder mit Jordanien 1994. Dies änderte sich mit dem kriegerischen Schlagabtausch zwischen dem Westen unter Führung der USA und dem damaligen irakischen Diktator Saddam Hussein um das ölreiche Kuweit. „Der erste Golfkrieg bewirkte eine Umgestaltung der politischen Ordnung im Nahen Osten“, sagt der Historiker Uwe Puschner von der FU Berlin. Die Folge war, dass auch die arabischen Anrainerstaaten begannen, ihre Haltung gegenüber Israel zu überdenken. Damals wie heute litten ihre Volkswirtschaften unter dem latent-permanenten Kriegszustand, was die Unzufriedenheit in der Bevölkerung anfachte und im „Arabischen Frühling“ 2010 zum Ausbruch kam.

Meilenstein Madrid

Gegenstand der Madrider Konferenz waren auch multilaterale Gespräche über regionale Schlüsselfragen. Und immerhin: Bis heute führten diese zu diversen, für Israel wichtigen Interim-Abkommen mit den Palästinensern. Darin ging es etwa um Fragen der Wasser- und Stromversorgung im Westjordanland oder des Zugangs zum israelischen Arbeitsmarkt, aller schwelenden Konflikte zum Trotz. „Was zeigt, dass sich der Nahe Osten auf einen fragilen, aber dennoch irgendwie funktionierenden Modus vivendi geeinigt hat“, sagt Historiker Puschner.

Die Konferenz von Madrid gilt trotz ihres Scheiterns als Meilenstein auf dem Weg, das Verhältnis zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn auf eine konstruktive Basis zu stellen. Und bis heute bewegen sich Friedensverhandlungen – wenn sie denn ernsthaft von arabischen Potentaten in Erwägung gezogen werden – weiter zwischen jenen Koordinaten, die in Madrid gesteckt worden waren.

Muslimisches Desinteresse

Und dennoch: Die Begeisterung der israelischen Bevölkerung und der Regierung für die internationale Konferenz in Madrid hielt sich in Grenzen. So wurden etwa die Palästinenser nur im Rahmen einer jordanischen Delegation akzeptiert und auch nur solche Vertreter zugelassen, die keine offenen Verbindungen zur „Palästinensischen Befreiungsorganisation“ (PLO) pflegten.

Begleitet wurden die Tage in Madrid zudem von Protesten radikaler Muslime im Westjordanland und im Libanon, von Zusammenstößen zwischen Palästinensern und der israelischen Armee sowie israelischen Militärschlägen im Südlibanon. Aber sie gingen auch einher mit der Hoffnung auf eine friedliche Lösung, wie sie in Bildern von Palästinensern zum Ausdruck kam, die mit Ölbaumzweigen in den Händen auf die Straßen gingen.

Weniger euphorisch blickten seinerzeit journalistische Beobachter auf die Madrider Tagungsrunden. „Die Konferenz offenbarte nur eines: Araber wie Israelis stehen sich weiter unversöhnlich und voller Hass gegenüber“, urteilte etwa der „Spiegel“ am 4. November 1991. Das prunkvolle Ambiente im königlichen Palast in Madrid habe ebenso wenig wie die geschliffenen Reden über die frostige Atmosphäre hinwegtäuschen können, schrieb das Hamburger Nachrichtenmagazin.

Zwischenlösung in Oslo

Den vorläufigen Durchbruch erzielten unterdessen parallele, zunächst geheime Verhandlungen, für die die norwegische Regierung einen geschützten Rahmen geschaffen hatte. Sie waren es, die 1993 zum ikonischen Bild der Friedensprozesse führten: dem Handschlag zwischen Jitzchak Rabin und Jasser Arafat wenige Momente, nachdem sie in Washington ihre Unterschrift unter das erste Oslo-Abkommen gesetzt hatten. Ein Abkommen, das immerhin dafür sorgte, dass Israel – von vereinzelten Attacken auf sein Staatsgebiet mal abgesehen – seither in keinen direkten Krieg mehr mit seinen Nachbarn verwickelt wurde und zudem endgültig seinen Platz auf dem Parkett der Weltdiplomatie gefunden hat.

Dr. Benedikt Vallendar arbeitet als freier Publizist und ist Berichterstatter der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt am Main. 2004 promovierte er an der FU Berlin im Fach Neuere Geschichte.

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