Wer in dieser Saison die Bundesliga-Heimspiele des FC Bayern oder des VfB Stuttgart verfolgt, sieht auch Bandenwerbung des Unternehmens Schwarz Digits: Diese verheißt „Digitale Souveränität für Europa“. Gemeint ist damit das Ziel, in der digitalen Welt unabhängiger von außereuropäischen Anbietern zu werden – etwa beim immer wichtiger werdenden Cloud-Angebot. Auch Fußball-Bundestrainer Julian Nagelsmann wirbt für das Unternehmen.
Derartige Ambitionen sind nicht neu, haben aber eine neue Dringlichkeit erhalten. Das Bundesinnenministerium teilte Mitte November in einem Lagebericht mit, dass es besonders im Zeitraum um die Bundestagswahlen und die Münchener Sicherheitskonferenz viele Cyberangriffe auf öffentliche Infrastruktur gegeben habe. Ziel sei es, das Vertrauen in den Staat zu erschüttern. Als Hauptverdächtiger gelte dabei Russland.
Das große Schreckensszenario lautet zudem „Kill-Switch“: Die Abschaltung wichtiger Dienste durch die USA oder China, wenn es zu politischem Streit kommt. Daher soll in Europa eine eigenständige Digitalarchitektur entstehen: Soziale Netzwerke, Prozessoren, Künstliche Intelligenz (KI) aus Europa für Europa – oder eben Cloud-Dienste, für die Schwarz Digits wirbt.
„Neue Ära des Cyberkriegs“
Allerdings scheint das Ziel nicht ohne israelische Hilfe erreichbar: In seiner Werbung preist das Unternehmen auch seine Abteilung XM Cyber an, ein israelisches Cybersicherheitsunternehmen. Die Schwarz-Gruppe, bekannt für die Marken Kaufland und Lidl, hatte im Jahr 2021 dort die Mehrheitsanteile übernommen. Beide Seiten vereinbarten dabei eine strategische Partnerschaft.
Gegründet wurde XM Cyber 2016 von ehemaligen israelischen Geheimdienst-Mitarbeitern, unter ihnen der ehemalige Mossad-Chef Tamir Pardo. Inzwischen schützt es unter anderem die digitalen Anlagen des FC Bayern und unterhält ein Büro im beschaulichen Neckarsulm, wo die Schwarz-Gruppe ihren Sitz hat.
XM Cyber ist nicht die einzige israelische Stütze bei Schwarz Digits: Im September gab das Unternehmen bekannt, die strategische Partnerschaft mit SentinelOne zu vertiefen. Der Israeli Tomer Weingarten gründete das Unternehmen 2013 zusammen mit zwei Partnern und leitet es bis heute. Inzwischen hat es einen Sitz im kalifornischen Mountain View.
Schwarz Digits verspricht mit XM Cyber und SentinelOne einen Rundumschutz aus einem Guss und unter Rückgriff auf Künstliche Intelligenz. Weingarten formulierte das Sicherheitsanliegen bei der Vorstellung der Partnerschaft recht drastisch: „Wir befinden uns in einer neuen Ära des Cyberkriegs, in der KI gegen KI kämpft.“
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Organisierter Erfolg
Der Rückgriff auf israelische Expertise ist nicht verwunderlich. Der jüdische Staat gilt als Supermacht im Bereich Cybersicherheit. Bei den weltweiten Exporten in dem Bereich erreicht er mit 5 Prozent den zweiten Platz hinter den USA. Nach Angaben der israelischen Regierung finden sich derzeit rund 400 Forschungszentren mit Fokus auf Cybersicherheit in dem Land.
Auch hier verzeichnet Israel Spitzenwerte: Im Jahr 2024 flossen 4 Milliarden US-Dollar in Jungunternehmen, die im Bereich Cybersicherheit tätig sind. Zum Vergleich: In Deutschland, ein Land mit der achtfachen Bevölkerungsgröße, kamen im selben Zeitraum laut der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) für einschlägige Jungunternehmen umgerechnet etwa 500 Millionen Dollar zusammen.
Der israelische Erfolg kommt nicht von ungefähr: Aus der Erfahrung existenzieller Bedrohung hat sich das Grundgefühl entwickelt, besser sein zu müssen als die Länder der Region, um zu überleben. In diesem Sinne hat Israel die Bedeutung des Cyberraums für die Verteidigung früh – Ende der 1990er Jahre – erkannt. Als der Bereich an Bedeutung gewann, war das Land bereits ein Hightech-Zentrum.
Eine weitere Wegmarke war Beobachtern zufolge ein Besuch von Regierungschef Benjamin Netanjahu (Likud) bei der legendären Aufklärungseinheit 8200 der Armee im Jahr 2010. Er war so angetan von den Fähigkeiten, dass er in der Folge eine Initiative ausrief: Israel sollte zu den fünf besten Ländern im Bereich Cybersicherheit werden. Anfang 2012 nahm das Cyberdirektorat der Regierung seine Arbeit auf, um die Bemühungen zu koordinieren.
Israelnetz Magazin
Harte Auswahl, frühe Verantwortung
Der größte Treiber für den Erfolg ist dabei die Armee selbst: Sie hält bereits in den Schulen des Landes Ausschau nach Talenten, die für einschlägige Einheiten infrage kommen. Dank der Wehrpflicht hat das Militär für einige Jahre Zugriff auf diesen Nachwuchs. Die Kandidaten müssen sich einem harten Auswahlverfahren unterziehen. Die Armee bietet ihnen dann eine intensive Schulung an.
Nach der Wehrpflicht stehen den Unternehmen und Universitäten diese geschulten Talente zur Verfügung, die zudem bereits vergleichsweise viel Erfahrung haben. Denn in der Regel werden sie in der Armee früh mit verantwortungsvollen Aufgaben betraut, das heißt, sie wenden Cybersicherheit gegen Feinde an.
Israel setzt zudem auf das Zusammenspiel von Armee, Sicherheitsdiensten, Unternehmen und Universitäten. In der Wüstenhauptstadt Be’er Scheva sollen diese Bemühungen zusammenkommen. So ziehen die Einheit 8200 und das Cyberdirektorat der Regierung dorthin, in dem Industriegebiet Gav Jam sitzen Cyberunternehmen, und die Ben-Gurion-Universität verfügt zudem über ein weltweit angesehenes Cyber-Forschungszentrum.
Die Regierung setzt neben dieser Nähe von Talent und Expertise auf zielgerichtete Förderung. So gründeten Armee und Verteidigungsministerium 2019 ein Innovationszentrum zur Unterstützung von Jungunternehmen, die kommerzielle Cyberwerkzeuge entwickeln, die auch im Militär Anwendung finden können. Auch der Auslandsgeheimdienst Mossad hat bereits ein ähnliches Förderprogramm aufgesetzt.
Förderliche Traditionen
Die Merkmale der israelischen Gesellschaft und des Judentums tragen ebenfalls zum Erfolg bei. Darauf weist das Begin-Sadat-Zentrum für Strategische Studien hin. Zu diesen Merkmalen gehört eine ausgeprägte Wertschätzung für Bildung und eine weniger ausgeprägte Achtung für Autoritäten und Normen in Verbindung mit einer Prise israelischer Chuzpe.
Im Bereich Cybersicherheit führt das dazu, gängige Ansätze zu hinterfragen und neue Methoden auszutüfteln. Hinzu kommen starke soziale Kontakte, die nicht zuletzt durch den Armeedienst entstehen. Auf diese Weise bleiben die Israelis auf dem Laufenden bei technischen Entwicklungen oder neuen Jobangeboten.
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Für Israel bedeutet der Vorsprung im Cyberraum nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch diplomatischen Erfolg. So sind die Abraham-Abkommen im Jahr 2020 auch deshalb zustande gekommen, weil die beteiligten Länder an der israelischen Expertise teilhaben wollten.
Auch Deutschland weiß, was es an Israel hat. Ende Juni war der Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) in Israel, um die Zusammenarbeit bei der Cybersicherheit zu stärken. Deutschland wolle von der Innovationskraft Israels profitieren und einen Cyber- und Sicherheitspakt mit Israel beschließen, betonte der Minister.
Die Dominanz im Bereich Hochtechnologie hat freilich einen bitteren Beigeschmack: Beim Terrormassaker vom 7. Oktober 2023 wurde deutlich, dass sich ein Land auch zu sehr auf seine Technik verlassen und dabei die nötige Wachsamkeit verlieren kann. Der Großangriff auf Israel erfolgte mit vergleichsweise einfachen Mitteln.
Das ändert jedoch nichts daran, dass die Cybersicherheit eine Säule der Landesverteidigung bleibt. Der Rückgriff auf israelische Expertise durch Deutschland und Europa ist Beleg für den Vorsprung, den Israel in diesem Bereich hat.
2 Antworten
Danke für den schönen Bericht ! Erneut wird uns aufgezeigt, wie WICHTIG ISRAEL in dieser heutigen Welt ist. Der liebe Gott zeigt uns allen, dass der Weg nur mit und nicht gegen Israel zum Erfolg führt.
Die moderne Welt wird also eine positive Richtung zeigen, mit Israel gemeinsam.
Manche Staaten sind einfach unverzichtbar.