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Bunt und kaum überschaubar

Die genaue Anzahl der Kandidaten ist einen Tag vor den Kommunalwahlen in Israel noch immer unbekannt. Fest steht: deutlich mehr Männer als Frauen stehen zur Wahl. Spannend wird, wer in den großen Städten Tel Aviv, Haifa und Jerusalem Oberhaupt wird.
Am 30. Oktober sind in Israel Kommunalwahlen

Am Dienstag wird in Israel gewählt. Dabei sind die rund 6,6 Millionen Wahlberechtigten aufgerufen, die Stimme für ihre künftige Bürgermeister abzugeben. Nach Angaben des Innenministeriums stehen 3.400 Parteien und eine noch unbekannte und unüberschaubare Anzahl Kandidaten in 291 Städten und Ortschaften zur Wahl.

Bunt sind die Eigenschaften der Kandidaten. Der jüngste ist erst 26 Jahre alt: Ajub Abu Kaf, in der Beduinenortschaft Sal-Kasom. Die Ältesten sind 82, sie sind Kandidaten für Be’er Scheva und Javne. 665 Männer wollen Bürgermeister werden, aber nur 58 Frauen. Die Zahl der sich bewerbenden Frauen liegt immer noch bei weniger als einem Zehntel der Kandidaten.

Grundsätzlich muss der Sieger mindestens 40 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen, um Bürgermeister zu werden. Andernfalls gibt es am 13. November eine zweite Wahlrunde, um zwischen den beiden Siegern zu entscheiden.

Gerichte mischen sich ein

Erwähnenswert sind vor allem die kleinen Skandale und Gerichtsprozesse, die den Wahlkampf begleiten. Im Dorf Arabe hat ein Gericht dem Kandidaten Aliah Asalah verboten, sich wegen eines Verkehrsdelikts aufzustellen. Er ist in seinem Dorf erwischt worden, wie er zu schnell gefahren war. Es war das erste Mal, dass ein Kandidat wegen einer solchen Verfehlung nicht zugelassen wurde. Ansonsten gab es Ausschlüsse von Kandidaten wegen Korruption oder Vetternwirtschaft.

In einigen Orten haben Gerichte eingegriffen und Kandidaten ausgeschaltet. In der frommen Stadt Elad zum Beispiel wurde der Kandidat Jitzhak Pindrus gesperrt, weil er angeblich dort nicht wohnt. Er habe sich in Elad zwar eine Wohnung gemietet, um einen Wohnsitz anzumelden, lebe aber mit seiner Familie weiterhin in Jerusalem. Das Gericht musste entscheiden, wo denn nun sein „Lebensmittelpunkt“ sei.

Signalwirkung haben nur die Bürgermeister der großen Städte: Haifa, Tel Aviv und Jerusalem. Jonah Jahav, Ron Huldai und Nir Barkat sind auch jenseits ihrer Stadtgrenzen bekannt. Und so wird spekuliert, ob sie sich nach den Wahlen in die nationale Politik stürzen wollen, vielleicht gar, um Premierminister Benjamin Netanjahu den Posten als Regierungschef streitig zu machen.

Wann die nächsten landesweiten Wahlen zur Knesset stattfinden, ist offen – solange Netanjahus Koalition zwar immer wieder wackelt, aber hält. Der Premier jedenfalls versucht, den Termin so weit wie möglich in die Ferne zu schieben. Das kann sich jederzeit ändern, entweder weil es doch zu einer Anklageschrift gegen ihn kommt, oder weil zum Beispiel die frommen Koalitionspartner plötzlich abspringen, weil es mal wieder einen Verstoß gegen die Sabbatruhe gegeben hat.

Anders als in Deutschland, wo die Wahlen in den Bundesländern eine klare Signalwirkung für den nächsten Bundestag haben, zumal sich die gleichen Parteien bewerben, herrscht in Israel ein kunterbuntes Durcheinander.

Fromme Städte

In frommen Städten wie Bnei Brak nahe Tel Aviv, Elad oder Beitar haben nur fromme oder ultra-orthodoxe Parteien eine Chance. Andere bewerben sich dort gar nicht erst. Gleiches gilt für arabische Ortschaften, wo nur Mitglieder der arabischen Einheitspartei gegeneinander streiten. In der „Vereinten Liste“ haben sich Islamisten, Kommunisten und Nationalisten zu einer gemeinsamen Partei vereint, um die seinerzeit hohe Sperrklausel zu überwinden.

Haifa

In Haifa war Einat Kalisch Rotem vom Innenministerium ausgeschlossen worden, weil die Arbeitspartei zwei Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters angemeldet hatte. Das widerspreche den Regeln. Das Oberste Gericht überstimmte inzwischen den Beschluss. Jetzt sieht sich der seit 2003 in der Stadt regierende Jonah Jahav mit ernsthaften Konkurrenten konfrontiert, darunter dem Anwalt und früheren Berater des Finanzministers David Etzioni, dem Generaldirektor des Hafens, Mendi Saltzman, dem früheren Direktor der Stadtverwaltung Jisrael Savjon und Avihu Hahn von der Grünen Partei in Haifa. Einige werden sich angeblich mit dem amtierenden Bürgermeister ein Kopf-an-Kopf-Rennen leisten.

In der Hafenstadt Haifa wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet Foto: Israelnetz/Dana Nowak
In der Hafenstadt Haifa wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet

Jerusalem

Völlig offen ist der Ausgang der Wahlen in Jerusalem. Nir Barkat will sich nicht wieder aufstellen. Die meisten Kandidaten stehen der Likud-Partei nahe. Spannend wird es wegen des arabischen Kandidaten Muhammad Ramadan Dabasch aus dem Viertel Zur Bacher. Doch wegen Morddrohungen ist nicht klar, ob er sich wirklich wählen lassen will.

Die Araber in Jerusalem stellen etwa 40 Prozent der wahlberechtigten Stadtbewohner. Doch seit 1967, als Israel den Ostteil der Stadt von Jordanien erobert und eingegliedert hat, boykottieren die Araber die Kommunalwahlen. Der Gang zur Urne gilt als „Anerkennung“ der „illegalen Besatzung“.

Gleichwohl sagen auch Araber in Jerusalem, dass sie bei einer geschlossenen Wahlbeteiligung durchaus eine Mehrheit im Stadtrat erringen und vielleicht sogar den Bürgermeister stellen könnten. Aus Sicht der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) kommt die Kandidatur von Dabasch einem „Hochverrat“ am palästinensischen Nationalkampf gegen die Zionisten gleich. Und Hochverrat wird mit dem Tode bestraft.

Sollte Dabasch gewählt werden, wäre es eine Sensation für das politische Gefüge in Israel. Die Araber Jerusalems sind übrigens ausnahmslos Inhaber der jordanischen Staatsbürgerschaft und nicht „Palästinenser“, weil sie nicht in den Autonomiegebieten leben.

Araber in Jerusalem stellen 40 Prozent der wahlberechtigten Stadtbewohner Foto: Israelnetz/Dana Nowak
Araber in Jerusalem stellen 40 Prozent der wahlberechtigten Stadtbewohner

Bisher klagten sie stets, von der Stadtverwaltung vernachlässigt worden zu sein. Tatsächlich mangelt es unter anderem an Müllabfuhr. Die Schlaglöcher in den Straßen ihrer Viertel werden kaum jemals repariert. Doch wissen die Araber inzwischen, dass das etwas mit der Demokratie zu tun hat. Denn wenn nur Juden im Stadtrat vertreten sind und kein einziger Araber, wieso sollten die jüdischen Stadträte die knappen Gelder in den arabischen Vierteln für eine vernünftige Müllabfuhr investieren, wenn sie von dort keine einzige Stimme für ihre Wiederwahl erwarten können?

Die Araber sind als „ständige Bewohner“ wahlberechtigt, auch ohne die israelische Staatsbürgerschaft zu besitzen. Bürgermeister kann aber nur werden, wer Israeli ist. Das gilt auch auf den Golanhöhen, wo erstmals in drei drusischen Ortschaften Kommunalwahlen abgehalten werden sollen.

Von: Ulrich W. Sahm

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