Alte Dochte künden von Webetechnik und Recycling

Ungewöhnlich gut erhaltene Dochte geben Aufschluss auf Gepflogenheiten der Mittleren Bronzezeit. Dazu gehört auch das Recycling.
Von Israelnetz

NEVE EFRAIM (inn) – Archäologen haben in Zentralisrael drei etwa 4.000 Jahre alte Dochte entdeckt. Sie sind ungewöhnlich gut erhalten, wie die Israelische Altertumsbehörde (IAA) am Sonntag mitteilte. Den Fund machten die Wissenschaftler an der Ausgrabungsstätte Neve Efraim bei Jehud, östlich von Tel Aviv. Ihre Erkenntnisse haben sie in der Zeitschrift „Atiqot“ veröffentlicht.

Auf einem Hügel in Neve Efraim legten Archäologen bereits vor einigen Jahren einen Friedhof aus der Mittleren Bronzezeit (2500–2000 vor der Zeitrechnung) frei. Er erstreckte sich über etwa 4,5 Hektar, damit entspricht das Gelände ungefähr 6,3 Fußballfeldern. Dort stießen die Forscher auf mehr als 1.200 versiegelte Gräber.

Neben den Verstorbenen fanden sich Grabbeigaben wie Keramikgefäße, Tierknochen, Metallwaffen und Steinkugeln. In 20 Prozent der Gräber wurden Öllampen entdeckt. Drei von ihnen enthielten versteinerte Dochte.

Dochte von kurzer Lebensdauer

Der Fund hat Selteheitswert. Denn Dochte aus alter Zeit sind kaum erhalten. Einerseits wurden sie zum Verbrennen hergestellt; andererseits zersetzten sich die Fasern, aus denen sie bestanden – zumal im eher feuchten mediterranen Klima. Und wenn sie doch einmal die Jahrhunderte überdauerten, konnten sie nur als Dochte identifiziert werden, wenn sie sich in einer Lampe befanden.

Aus der Mittleren Bronzezeit sind kaum Funde von Dochten bekannt. Eine Keramiklampe aus dem ägyptischen Saqqara mit Dochten wird in die VI. Dynastie (24.–22. Jahrhundert) datiert. Die in Israel entdeckten Dochte könnten sogar noch älter sein.

Foto: IAA, Facebook
Na’ama Sukenik ist bei der Altertumsbehörde für organische Artefakte zuständig

Zwei Dochtreste entdeckten die Archäologen bereits während der Ausgrabung, beim ersten Säubern. Auf den dritten wurden sie bei Konservierungsarbeiten in den Laboren der IAA aufmerksam.

Am besten erhalten ist ein Docht, der einen Durchmesser von 1,5 Zentimetern aufweist und noch 8 Zentimeter lang ist. An beiden Enden sind Rußspuren zu erkennen. Das kann entweder bedeuten, dass der Docht zu verschiedenen Zeiten an beiden Seiten angebrannt wurde, oder dass der Versuch von einem Ende erfolglos war. Möglicherweise haben die Benutzer den Docht aber auch absichtlich von beiden Seiten angezündet, um ein Ausfransen zu verhindern.

Besondere Webstruktur erkennbar

Eine mikroskopische Untersuchung ließ die Wissenschaftler kleine Stücke mit einer vollen Webstruktur erkennen. Der Webfaden geht dabei abwechselnd über und unter dem Kettfaden durch. Damit besteht der Docht aus gewebtem Textil, nicht aus gesponnenen Fasern, wie etwa bei einem Fund in Qumran.

Für die Herstellung wurde offenbar ein schmaler, langer Streifen erst nach links gewunden, dann auf die Hälfte gefaltet und nach rechts gewunden, so dass eine S-Windung entstand. Das Drehen in die Gegenrichtungen führt zu einem stärkeren Faden, der nicht leicht reißt. Bis heute ist das Prinzip bei der Seilherstellung üblich.

Foto: IAA, Atiqot
Doppelt gewunden hält besser

Das ursprüngliche organische Material ist vollständig versteinert: Die einstigen Dochte bestehen inzwischen aus Kalkspat, Ton und Quarz. Den Stoff konnten die Archäologen deshalb nicht eindeutig identifizieren. Aber es handelt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Leinen, schreiben die Wissenschaftler. Diese war in der fraglichen Epoche am meisten in der Region verbreitet. Die Webform sei auch charakteristisch für Leinwand, die zudem das bevorzugte Rohmaterial für Dochte war.

Darauf deuten sowohl archäologische Funde als auch historische Quellen hin. Als Beispiele nennen die Forscher „Naturalis Historia XIX“ vom römischen Schriftsteller Plinius dem Älteren (23/24–79 nach Christus) und eine jüdische Quelle:
Mischna Schabbat 2,3.

Leinwand wird aus Flachs gewonnen. Sie ist besonders stark und stabil. Die Fäden können bis zu 120 Zentimeter lang werden.

Recycling in alter Zeit

Ein Thema in dem wissenschaftlichen Aufsatz ist das Recycling. Dochte wurden im Altertum aus Stoffen hergestellt, die bereits eine andere Verwendung gehabt hatten. So enthält ein Brief aus der Zeit von Pharao Ramses II. (13. vorchristliches Jahrhundert) eine Bitte um die Zusendung von Gewebestreifen für Dochte. In einem weiteren Brief aus der Regierungszeit von Ramses III. (12. Jahrhundert) bestellt ein Diener für seinen Herrn unter anderem alte Kleider zur Herstellung von Dochten.

Textilien hatten in der Antike einen hohen Wert. Es sei unwahrscheinlich, dass sie nur für das Verbrennen gewoben wurden, heißt es in dem Artikel. Ein in Tell el-Amarna in Mittelägpyten entdeckter Docht habe dekorative Elemente enthalten. Das deute auf eine frühere Nutzung als Kleidungsstück hin.

Die Zweitverwertung kommt auch in der rabbinischen Literatur vor. In der Mischna Schabbat (21,2) geht es um abgetragene Textilien, aus denen Lumpen gefertigt werden. Mischna Parah 11,9 spricht von Stöpseln. In der Schabbat 19,2 wiederum ist von Bandagen die Rede, die auch für die Beschneidung dienen sollen. (eh)

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Eine Antwort

  1. Die Fosilien zeigen uns, dass Recycling keine moderne Erfindung, sondern nur in der Moderne unter anderem wiederentdeckt worden ist.

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