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Als israelische Kampfjets der Queen Angst einflößten

Nicht ein einziges Mal hat Königin Elisabeth II. Israel besucht. Im Nahen Osten war sie aber sehr wohl. Und wurde dabei auch in den israelisch-arabischen Konflikt hineingezogen.
Von Sandro Serafin

Wenn Ihre Majestät Königin Elisabeth II. an diesem 6. Februar, dem Tag der Thronbesteigung, auf 70 lange Jahre ihrer Herrschaft zurückblickt, werden ihr viele Erinnerungen in den Kopf schießen: Mehr als 100 Länder hat die Monarchin in dieser Funktion bereist. Von Mexiko bis China, von Norwegen bis Südafrika, und natürlich auch Deutschland. Nach Israel hat das Leben die 95-Jährige aber trotz mehrfacher Einladung von israelischer Seite nicht geführt. Oder besser: die Politik.

Denn die Frage, wo die Königin hinreist, ist in der durch ungeschriebene Gebräuche und Normen eng eingehegten „gekrönten Republik“ (Orwell) des Vereinigten Königreichs aus Großbritannien und Nordirland eine Angelegenheit der „Regierung Ihrer Majestät“ und damit zutiefst politisch. Die Reiseziele Elisabeths werden also nicht im Buckingham Palace oder auf Schloss Windsor ausgesucht, sondern „in Whitehall“, dem Londoner Regierungsviertel. Und dort hält man es offenbar – so lässt sich vermuten – für keine gute Idee, die berühmteste Königin der Welt in das berühmteste Konfliktfeld der Welt zu schicken. Egal was sie dort tut: Es könnte eigentlich nur schiefgehen.

Obwohl: Davon, dass die Regierung es generell scheuen würde, Elisabeth in den israelisch-palästinensischen Konflikt oder gar den Nahen Osten insgesamt zu involvieren, kann eigentlich keine Rede sein. 1979 zum Beispiel, im Iran herrschte gerade Islamische Revolution, bereiste die Königin sieben arabische Staaten, darunter Saudi-Arabien, bestaunte dort Kamelrennen und trat ihren islamistisch-patriarchalen „Amtskollegen“ als „honory man“ (Mann ehrenhalber) gleichberechtigt gegenüber.

Mit Raketenabwehr in Jordanien

1984 dann schickte die Tory-Regierung von Margaret Thatcher Elisabeth nach Jordanien. Dieser fünftägige Staatsbesuch sorgte bereits im Vorfeld in der britischen Presse für viel Aufsehen. Von der „gefährlichsten und diplomatisch sensibelsten Reise“ der Königin war etwa in der „Times“ zu lesen. Gefährlich war die Reise, weil nur zwei Tage zuvor eine Bombe im Intercontinental-Hotel im Herzen der jordanischen Hauptstadt Amman detoniert war. Eine radikale Abspaltung der „Palästinensischen Befreiungsorganisation“ (PLO) in Syrien, Gegner nicht nur Jasser Arafats, sondern auch des jordanischen Königs Hussein, reklamierte den Anschlag für sich und drohte der britischen Regierung wegen deren „feindlicher Politik“.

Stundenlang beriet Premierministerin Margaret Thatcher mit ihrer Regierung, ob Elisabeth trotzdem fliegen sollte oder nicht. Am Ende ließ sie die Königin tatsächlich ziehen. „Den Besuch jetzt noch abzusagen, hätte einen schädlichen Schlag gegen König Husseins Prestige bedeutet und einen Sieg für den Terrorismus“, leitartikelte die „Times“.

Die Maschine mit Elisabeth mied den Überflug über Syrien und war mit einem neuen Raketenabwehrsystem ausgestattet. Mit an Bord: der persönliche Sicherheitschef der königlichen Familie, Spitzname: „Jackal Hunter“ (Schakal-Jäger). In Jordanien standen unzählige Soldaten mit automatischen Gewehren bereit, die Bevölkerung wurde auf Abstand gehalten. „Die einzigen Explosionen kamen von den 21 Salutschüssen“, stellte der Korrespondent der königstreuen „Times“ erleichtert fest und lobte: „Die Königin wirkte bemerkenswert ruhig angesichts der Risiken, die sie eingeht.“

Heikler Besuch

Blieb noch das diplomatisch Heikle der Reise: Der Haschemiten-König Hussein sah sich schon aus Eigeninteresse als Sachwalter der palästinensischen Angelegenheiten, bestand doch die Bevölkerung seines Königreichs (und so ist es bis heute) zu großen Teilen aus palästinensischen Arabern. Von den Briten erhoffte er sich ein Gegengewicht zum pro-israelischen Mann im Weißen Haus, Ronald Reagan.

Die wundesten Punkte der israelisch-palästinensischen Auseinandersetzung sollte Königin Elisabeth zwar umgehen. So schlugen die Briten zeitgenössischen Berichten zufolge etwa eine Einladung zum Besuch eines UNRWA-Flüchtlingscamps für Palästinenser aus. Am Ende war Thatcher aber doch daran gelegen, König Hussein mit dem Besuch der Queen glücklich zu machen und ihn so auf die Seite der Briten zu ziehen.

Entsprechend ließ die Regierung der Königin für deren Ansprache beim Staatsbankett ins Redemanuskript schreiben, Jordanien sei ein „Leuchtfeuer der Stabilität“. Dem vorgegebenen Text folgend ging Elisabeth aber noch weiter und beklagte die „Tragödie, die über das palästinensische Volk gekommen ist“ und Jordanien in besonderer Weise betreffe.

„Bedrückend“, entfuhr es der Queen mit Blick auf die Siedlungen

Zwei Tage später rückte der israelisch-palästinensische Konflikt noch einmal ins Zentrum der Reise: Auf der jordanischen Seite des Jordans, in Sichtweite von Jericho, legte Kronprinz Hassan der Königin das Problem der israelischen Politik aus jordanischer und palästinensischer Sicht dar, indem er ihr eine Karte der israelischen Siedlungen im Westjordanland vorführte. „Bedrückend“, entfuhr es der Königin da, ganz ohne Sprachzettel, aber offenbar gut hörbar für die aufmerksamen Journalistenohren. Sodann waren israelische Kampfjets am Himmel zu hören: „Wie furchterregend“, ließ Elisabeth verlauten. Die jordanische Königin Noor sekundierte umgehend: „Entsetzlich!“

Die heikelsten Punkte waren damit vorüber. Anschließend wohnte Elisabeth noch einem Beduinen-Picknick in einem Zelt am Toten Meer, nahe der israelischen Grenze, bei, besuchte Akaba bei Eilat am Roten Meer und besichtigte die berühmte Felsenstadt Petra. Als sie Jordanien wieder verließ, war vor allem die Erleichterung groß, dass es keinen Sicherheitsvorfall gegeben hatte. Bei den 21 Salutschüssen zum Abschied bemerkte der „Times“-Korrespondent noch, dass die Kanonen extra nicht in Richtung Israel aufgestellt wurden, um Missverständnisse zu vermeiden.

„Die Queen hat nicht Partei für die Araber ergriffen. So etwas tut sie nicht.“

Ein Sprecher des Palastes zur Jordanien-Reise 1984

Auch die israelische Presse hatte den Besuch beobachtet, wenngleich die Zeitung „Ma’ariv“ demonstrativ behauptete, die Israelis seien daran nicht wirklich interessiert – zuvor hatte sie selbst auf dem Titelblatt einer anderen Ausgabe mit dem Thema aufgemacht. Unterdessen warf die „Jerusalem Post“ der Königin vor, diese habe sich für ein „Medienevent König Husseins“ einspannen lassen. Ein Palastsprecher rechtfertigte die Äußerungen, die während des Besuchs gefallen waren: Jeder wisse, dass im Nahen Osten eine „bedrückende Situation“ herrsche, das sei ein Fakt und keine Stellungnahme. „Die Queen hat nicht Partei für die Araber ergriffen. So etwas tut sie nicht.“

Das konnte Elisabeth schon kurz darauf dem israelischen Staatspräsidenten Chaim Herzog persönlich erklären, der bereits während ihres Jordanien-Besuchs in London geweilt hatte und nach deren Rückkehr einen Termin bei der Königin hatte. Herzog hatte zuvor in der BBC, offensichtlich in Reaktion auf die Rede beim Staatsbankett, erklärt, es seien die arabischen Führer, die für die Tragödie des palästinensischen Volkes verantwortlich seien.

Schimon Peres: Ein Ritter der Queen

Das Treffen bei der Queen war für Herzog nur ein Arbeitsbesuch, ohne Pomp und Glamour. Bis zum ersten richtigen Staatsempfang sollte es noch 13 Jahre dauern: 1997 kam Eser Weizmann, im Zweiten Weltkrieg Soldat der Royal Air Force, zu einem Aufenthalt nach London, Kanonenfeuer und Kutschfahrt inklusive. Er gab ein Bankett für die Queen, sie gab eins für ihn. Ihre Rede beendete Elisabeth auf Hebräisch: „LeChajim!“ Besonders wurde es auch noch einmal 2008, als die Königin Israels Präsident Schimon Peres die Ehrenritterwürde antrug.

Zu den Einladungen nach Israel ließ der Palast schon vor Jahrzehnten verlauten, die Queen werde diese gerne „zu gegebener Zeit“ annehmen. Mit Prinz William, dem zweiten in der Thronfolge, besuchte 2018 erstmals überhaupt ein britischer Royal in offizieller Funktion das Heilige Land. Für einen Besuch der Majestät selbst aber ist die Zeit aus Sicht der britischen Regierung bis heute nicht gekommen.

Schade eigentlich, nicht nur für Juden und Araber in Israel und dem Westjordanland, sondern wohl auch für Elisabeth selbst, die immerhin Oberhaupt der Anglikanischen Kirche ist. Das erste Lied bei ihrer Krönungszeremonie im Jahr 1953 war seinerzeit übrigens „I was glad“, eine Hymne bestehend aus Psalm 122, einem Wallfahrtslied König Davids. Darin heißt es: „Wir werden in das Haus des Herrn gehen. Unsere Füße sollen in deinen Toren stehen: O Jerusalem.“

Foto: Library and Archives Canada, K-0000045 / zugeschnitten von Israelnetz | CC BY 2.0 Generic

„Gesalbt wie König Salomo“

Wie ihre Vorgänger wurde auch Königin Elisabeth II. vom Erzbischof von Canterbury gesalbt, „so wie Salomo zum König gesalbt wurde durch Zadok, den Priester, und Nathan, den Propheten“, wie es in der Salbungsformel heißt. Diese ist 1. Könige 1, Verse 38 bis 40 entnommen und wurde auch in der monumentalen Krönungshymne von Georg Friedrich Händel verarbeitet. Bis heute gibt es Anhänger des sogenannten Anglo-Israelismus, die glauben, dass die Angelsachsen Nachkommen der verlorenen Stämme Israels sind. Die „Britisch-Israelische Weltföderation“ etwa postuliert dementsprechend auch, die Königin sei eine Nachfolgerin König Davids. Das Königshaus selbst verbreitet diese Theorie nicht, sie ist kein Teil der royalen Tradition. (ser)

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