Mit Computerprogramm gegen psychische Störungen unter Soldaten

Forscher der Universität Tel Aviv entwickeln eine Methode, um Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung zu verringern. Sie findet am Computer statt, ist kostengünstig und verhältnismäßig leicht durchführbar.
Von Jörn Schumacher

TEL AVIV (inn) – Erst Anfang Dezember hat Israels Verteidigungsministerium eine Studie veröffentlicht, nach der seit dem Terrorangriff der Hamas auf den Süden am 7. Oktober 2023 rund 22.000 verwundete Soldaten behandelt wurden. Von ihnen leiden etwa 58 Prozent an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) oder anderen psychischen Erkrankungen.

Unter PTBS versteht man eine psychische Erkrankung, die sich entwickeln kann, nachdem Soldaten traumatische Angriffe oder Explosionen erlebt haben oder mitansehen mussten, wie andere verletzt oder getötet wurden. Auch wenn die Soldaten längst nicht mehr im unmittelbaren Kampfeinsatz sind, können sie Flashbacks, Albträume und ein ständiges Bedrohungsgefühl erleben.

Ein Aspekt, der PTBS begünstigt, ist die sogenannte bedrohungsbezogene Aufmerksamkeitsverzerrung. Dabei halten Soldaten weiterhin Ausschau nach Gefahren und nehmen Bedrohungen wahr, selbst nachdem die Gefahr vorüber ist.

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Wissenschaftler der Universität Tel Aviv haben ein computergestütztes Präventionsprogramm entwickelt, das die Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung bei ehemaligen Kampfsoldaten senken kann. Von mehr als 500 Soldaten zeigte in einem Versuch nur 1 Prozent nach der Behandlung durch das Programm Symptome einer PTBS. In einer Kontrollgruppe, die nicht am Programm teilnahm, waren es 5,3 Prozent. Das deutet auf eine Verringerung der Symptome auf ein Fünftel hin.

Jair Bar-Chaim ist Professor für Psychologie und Neurowissenschaften an der Universität Tel Aviv und Direktor des Nationalen Zentrums für Traumatischen Stress und Resilienz. Er und die Doktorandin Chelsea Gober Dykan veröffentlichten ihre Ergebnisse im Fachjournal „American Journal of Psychiatry“.

Aufmerksamkeit soll früh auf Bedrohungsreize gerichtet werden

Die Teilnehmer waren männliche Soldaten der israelischen Armee mit einem Durchschnittsalter von 19 Jahren. Sie durchliefen innerhalb einer dreimonatigen militärischen Grundausbildung vor jedem Kampfeinsatz vier Sitzungen. Jede Sitzung umfasste 160 Durchgänge und dauerte etwa 7 Minuten.

Den Versuchspersonen wurden jeweils zuerst das wütende und dann das neutrale Gesicht einer Person gezeigt, gefolgt von einem Pfeil, der entweder nach links oder rechts auf das Gesicht zeigte.

Die Teilnehmer wurden angewiesen, so schnell wie möglich auf die entsprechende Pfeiltaste auf einer Tastatur zu drücken. Die Forscher maßen, wie schnell die Teilnehmer auf die Pfeiltasten drückten.

Brauchten die Personen länger bei den bedrohlich wirkenden Gesichtern, wies das auf eine entsprechend negative Reaktion hin. Außerdem sorgte ein Eyetracker dafür, dass die Blickrichtung der Versuchspersonen genau untersucht werden konnte. Auch hier wurden sowohl weibliche als auch männliche Gesichter gezeigt, die jeweils einmal wütend und einmal neutral blickten.

Anpassung fördern

„Die Berücksichtigung von Bedrohungen ist im Kampf von Vorteil, da Wachsamkeit das Überleben sichert“, schreiben die Forscher. „In Extremsituationen wie dem Kampf und möglicherweise auch in weniger extremen Gefahrensituationen kann die Berücksichtigung von Bedrohungen die Anpassung fördern.“ Durch das Training werden die Soldaten darin geschult, bereits im Voraus Stresssituationen gegenüber wachsam zu sein. Sie sollen lernen, ihre Aufmerksamkeit bevorzugt auf Bedrohungsreize zu richten.

Aus praktischer Sicht beschreiben die Forscher die Methode als niedrigschwellige, kostengünstige und leicht skalierbare Maßnahme, die sich gut in militärische Ausbildungsprogramme integrieren lässt – allerdings nicht als alleinige Maßnahme, sondern als Baustein umfassender Resilienzprogramme.

Ein Sprecher der israelischen Streitkräfte teilte gegenüber der Nachrichtenseite „Times of Israel“ mit, dass der Bereich der psychischen Gesundheit im Militär in den vergangenen zwei Jahren „durch die Erweiterung bestehender und die Schaffung wichtiger neuer Rahmenbedingungen erweitert wurde“.

Die Armee richtete im März 2024 eine Abteilung für psychische Resilienz ein. Darin würden „Instrumente zur Stärkung der Resilienz der Soldaten entwickelt und implementiert“, sagte der Sprecher. Bar-Chaims Programm ist derzeit jedoch nicht Teil dieser Abteilung.

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4 Antworten

  1. Wieder eine gute Erfindung aus Israel ! Aufgrund der aktuell angespannten Lage wird dieses Computerprogramm wichtige Dienste leisten , denn viele IDF-Soldaten/innen sind betroffen von psychischen Störungen.

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  2. Das Bar Chaim-Programm ist sicherlich von Vorteil, wenn es in der bestehenden Ausbildung integriert wird und dadurch schon vor Beginn des Traumas diesem entgegenwirkt. Es ist absolut nachzuvollziehen, dass die traumatischen Erlebnisse jahrelang Nachwirkungen zeigen und einer optimalen Behandlung bedürfen.
    Eine Vermeidungshaltung von bedrohlichen Situationen bringt nur kurzfristig Linderung, das kennt man aus der Psychotherapie. Das Chaim-Programm ist ein Baustein, Angst -und Depressionsbehandlung bedürfen weiterhin tiefenpsychologischer Therapie, das kann kein Computer leisten, ist aber lebensnotwendig, sonst droht der Suicid.
    Ich wünsche allen betroffenen Soldaten und auch den Geiseln Stressreduzierung, optimale Behandlung hrer PTBS und Heilfinden in den Armen Gottes.🙏🎗🇮🇱

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  3. Es ist schwer, gut zu schlafen, wenn (Israel selbst) berichtet, dass 83 % der Opfer Zivilisten sind, darunter 20.000 Kinder!!! Für diejenigen, die daran beteiligt waren, kann es keine Rehabilitation geben, weder psychologisch noch menschlich!

    Um dem Whataboutism zuvorzukommen: „Aber Sie finden das, was die Hamas tut, in Ordnung“…
    Nein, das finde ich nicht!!!

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