NIR OS (inn) – Jarden Bibas kam am 1. Februar aus der Geiselhaft der Hamas frei. Doch seine Frau Schiri und die Kinder Ariel und Kfir kehrten drei Wochen später nur als Leichen aus dem Gazastreifen zurück. Bei einem Besuch im Kibbuz Nir Os fasst er seine Empfindungen in Worte.
Bibas ist im Gegensatz zu seiner Ehefrau nicht in Nir Os geboren: „Aber ich habe hier die letzten vier Jahre gewohnt“, schreibt er zwei Jahre nach dem Terrormassaker vom 7. Oktober 2023 in der Zeitung „Yediot Aharonot“. „Hier wurde Schiri geboren, und hier lernten wir beide, Eltern zu sein, eine Familie. Hier lernte Ariel laufen und sprechen, hier erzählte er seinen ersten Witz. Hier wurde er zum großen Bruder, als Kfir geboren wurde. In diesem Haus gibt es mehr gute Erinnerungen, als ich mir vorstellen kann.“
Diese Erinnerungen wolle er sortieren, wie Gegenstände vor einem Umzug: „Ich entscheide, was ich mitnehme und was ich hinter mir lasse. Gegenstände mit Einschusslöchern oder Blut, oder alles, was mich an den 7. Oktober erinnert, nehme ich nicht mit. Ich will die guten Erinnerungen nicht beschädigen.“ Mit den Jahren, so fürchte er, werden sie verschwinden.

„Ich sitze auf dem Sofa, in meiner Ecke, in der ich immer saß“, schreibt die ehemalige Geisel. „Fast zwei Jahre sind vergangen, seit ich hier saß, und ich kann noch das Haus sehen, wie es am 6. Oktober war, nur dass es diesmal nicht sauber ist, und nicht aufgeräumt, und diesmal gibt es einen großen Blutfleck von Toni, unserem Hund, auf dem Boden.“ Das Sofa, auf dem Schiri zu sitzen pflegte, sei von Kugeln durchlöchert. „Kfirs Trampolin steht verlassen draußen, schmutzig. Ariels Sandkasten ist voller Dinge, die ich nicht identifizieren kann.“
Der letzte Kuss
Am 7. Oktober hatte Jarden Bibas den Schutzraum verlassen, um die Angreifer abzuwehren. Die Terroristen forderten ihn auf, hinauszugehen. Er bat, Schiri zum Abschied küssen zu dürfen. Es wurde ihm gewährt: „Ich ging zu Schiri, sagte ihr, dass sie zum Entführen gekommen sind, dass sie keine Frauen und Kinder mitnehmen. ‚Alles wird gut, ich gehe mit ihnen, damit sie euch nicht schaden und es meinetwegen keine Probleme gibt.‘ Schiri war verängstigt, zwang sich dazu, nicht zu weinen. Ich küsste Schiri, Kfir und Ariel, sagte ihnen, dass ich sie mehr als alles in der Welt liebe, für immer.“
Bis er in einen Tunnel im Gazastreifen gestoßen wurde, habe er gedacht, dass er gleich sterben werde. Dann wurde ihm bewusst: „Sie wollen mich lebend.“ Der Gedanke an Schiri und die Kinder, die an einem sicheren Ort auf ihn warten würden, gab ihm Kraft.
Doch die drei wurden ebenfalls verschleppt und bereits im November 2023 brutal ermordet, wie die Armee Ende Februar 2025 feststellte. „Wenn ich gewusst hätte, dass es das letzte Mal ist, hätte ich vielleicht mehr geküsst, weiter geküsst“, schreibt Bibas. „Heute begreife ich, wie bedeutsam er war. Der letzte Kuss.“ Er sei aus dem Schutzraum gezogen worden, der zugleich Ariels Zimmer war – der letzte Ort, an dem die Familie zusammen war. „Das war das Ende der Familie Bibas.“
Erinnerungsstück von der Hochzeit
Ein Gegenstand, den er „zwischen den Trümmern, nach dem Terror-Tornado, den dieses Haus durchgemacht hat“, fand, ist eine Serviette. Sie hätte „leicht weggeworfen werden oder zwischen den Ritzen verschwinden können. Eine orange Serviette, von unserer Hochzeit“. Darin stecken Scherben von dem Glas, das er unter dem Traubaldachin im Gedenken an die zerstörten Jerusalemer Tempel zertreten hat. „Wir haben sie aufgehoben, wollten daraus etwas machen, haben es aber nicht geschafft.“
Er habe Sehnsucht nach Ariels Stimme und Kfirs Lachen. Und nach Schiri, die sagt: „Jarden, dreh dich um, du schnarchst.“ Schiri sei für ihn die perfekte Partnerin gewesen.
„Wenn das Leben ein Lauf wäre, dann wären Schiri und die Kinder meine Ziellinie. Sie waren mein Sieg in der Welt. Sie waren die Erfüllung meines Traumes, Ehemann und Vater zu werden. Wenn ich morgens aufwache, ist das erste, was ich empfinde, der Verlust. Ich hatte alles, und ich habe alles verloren. Dieser Lauf ist beendet, und davon bleibt mir nur die Erinnerung.“ Er könne nicht weiter schauen als bis zum morgigen Tag. „Aber ich habe das Leben gewählt, und in meinem Rhythmus, ganz langsam, werde ich vielleicht auch das Übermorgen sehen.“
Im Haus in Nir Os fühlt er sich fremd: „Ich bin zu Hause, an einem Ort, den ich kenne, und nicht kenne, der von bekannt zu fremd wurde.“ Ebenso sei das jetzige Leben, das er nicht kenne – auch sein Leben sei unordentlich, blutverschmiert, traurig geworden.
Drei Tage lang geweint
In der Geiselhaft sprach er mit dem immer noch entführten Nimrod Cohen viel über Feste, auch über Purim. „Damals kam mir die Erinnerung daran, wie Ariel als Dinosaurier verkleidet war, vor seiner Batman-Phase. Schiri schickte mir das Video aus dem Kindergarten – jedes Kind stieg auf die Bühne, um seine Verkleidung vorzuführen.“ Als er mit Nimrod darüber sprach, habe er das Video pausenlos im Kopf gehabt. „Drei Tage lang hörte ich nicht auf zu weinen.“
Jarden Bibas ist derweil dankbar für sein Volk: „Egal, wie sehr sich der Staat in einer Krise befinden mag, gespalten, zerstritten – letztlich ist das Volk Israel das warmherzigste und hat die besten Leute in der Welt.“
Bei aller Trauer und Wut äußert er auch Zuversicht: „Jede Geisel hat eine Familie, und jede kann eine Zukunft haben. Auch ich möchte der Hamas sehr schlimme Dinge antun, Dinge, gegenüber denen die Filme der Horrorserie ‚Saw‘ wie Disney-Filme wirken. Aber das wird mir nicht die Familie zurückbringen, die ich verloren habe. Die anderen Geiseln, die lebenden und die gefallenen, kann und muss man noch zurückbringen.“ (eh)
8 Antworten
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Ich möchte ihn umarmen, ihm sagen, dass es Menschen gibt, überall auf der Welt, die mit ihm weinen.
@Antonia
Ich schließe mich dem an. 🙏🙏🙏🙏🎗🎗🎗🎗🫂🫂🫂🫂😭😭😭😭 Wenn ich an die Bibases denke, kommen mir immer die Tränen, manchmal aus Trauer, manchmal aus Wut.
Ich finde keine richtigen Worte. Bin nur traurig.😢😢 Ich kann Jarden gut verstehen. Da sieht er die Trümmer, was einmal das Zuhause von ihm und seiner Familie war. Einschließlich Hund. Grausam zerstört. In einem kurzen Augenblick. Und auch die anderen Geiseln mit Angehörigen. Ich hoffe,Jarden und die anderen können irgendwann einmal das ganze Elend aufarbeiten! Auch wenn sie für immer gebrochen sind. In Gedanken umarme ich alle! Ich bete viel und hoffe,der Herr möge das alles bald beenden!!! Das ist mein größter Wunsch.
Liebe Shiri,lieber Ariel und Kfir: ihr steht für alle anderen lebenden und toten Geiseln. Eine traurige Berühmtheit.😪🤧🥰🥰🥰😘😘😘
I STAND WITH ISRAEL!!!🇮🇱🇮🇱🇮🇱🎗🎗🎗
Manu 🌻🌻🌻🌻🌻🌻🌻🌻🌻
Es ist ein Tag der Trauer und der Finsternis.
Jarden Bibas symbolisiert die Trauer von Vielen, es wird nichts mehr so sein wie vor dem 7.Oktober 2023.
Die Zeit der Trauer ist wichtig in einer Welt voller Hass und Kriege, voller bösen Mächte.
Die Hamas ist geschwächt, vielleicht ist dies die einzige Hoffnung an diesem Tag.
Israel trauert und die Hamas feiert den 7.10. Friede mit solchen abartigen Mördern?
Ich habe geweint, als ich das laß. Und zu Gott gebetet, daß er mir diesen Haß aus meinem Herzen nimmt – vergeblich.
@Christian
Danke Christian, für Ihre Ehrlichkeit.
Mir geht es ebenso. Lg Ella 😡🙏