TEL AVIV / JERUSALEM (inn) – Beim zweiten Aktionstag binnen anderthalb Wochen haben Zehntausende Israelis am Dienstag einen Deal zur Freilassung von Geiseln gefordert. Sie appellierten an die israelische Regierung – und an US-Präsident Donald Trump (Republikaner).
Den Aktionstag hatte das Forum der Familien von Geiseln und Vermissten organisiert. Höhepunkt war am Abend eine Massenkundgebung auf dem Geiselplatz in Tel Aviv. Nach Angaben der Organisatoren nahmen daran etwa 350.000 Menschen teil.
Vater von Geisel: „Ich sehe, wie mein Kind stirbt“
Einer der Redner war Ofir Braslavski. Sein Sohn Rom Braslavski wird vom Palästinensischen Islamischen Dschihad im Gazastreifen festgehalten. Anfang August hatten die Angehörigen der Veröffentlichung eines von der Terror-Organisation Hamas verbreiteten Videos zugestimmt, das ihn abgemagert und blass in einem Tunnel zeigt.
„Mein Kind – ich sehe ein Bild von ihm, wie es stirbt. Man kann es nicht anders beschreiben“, sagte der Vater laut der Zeitung „Yediot Aharonot“. „Dies sind Schrecken des Holocaust. Wir sehen ihn gefoltert, leidend. Ein Monat ist seit dem Video vergangen, und nichts wurde getan. Ich will mein Kind nicht in einem Sack zurückerhalten.“ Die Familie habe den Glauben an die Regierung verloren.
Auch Noam Peri sprach bei der Kundgebung. Ihr Vater Chaim Peri wurde am 7. Oktober 2023 entführt und in der Gefangenschaft ermordet. Sie sagte: „Wir wollen keinen unendlichen Krieg auf dem Rücken unserer Soldaten und Geiseln.“
Die Tochter wandte sich auf Englisch an Trump: „Die Israelis stimmen mit ihren Füßen ab. Die Nation will, dass dieser Krieg endet und die Geiseln nach Hause gebracht werden“, zitiert sie die Nachrichtenseite „Times of Israel“. „Für meinen Vater ist es zu spät, aber Sie können noch die anderen Geiseln retten und als der Präsident in Erinnerung bleiben, der Geschichte schrieb.“
Kommunalpolitikerin: Kompromiss nötig
Die Vorsitzende des Regionalrates Eschkol an der Grenze zu Gaza, Michal Usiahu, sprach von der unvorstellbaren Zerstörung, die ihre Region am 7. Oktober erlitten habe. „Seitdem haben wir die Häupter erhoben. Aber bei jedem Schritt, den wir unternehmen, wissen und fühlen wir: Es gibt keine Heilung ohne die Rückkehr der Geiseln.“
Die Entscheidungsträger müssten einen Weg nach vorn finden, ergänzte die Kommunalpolitikerin. „Es ist schwer, es erfordert einen Kompromiss. Sicherheit ist nicht nur ein militärischer Sieg, sondern auch der Triumph des menschlichen Geistes. Wir werden weitermachen, fordern und nicht nachlassen – bis jeder heimkommt.“
Im Laufe des Tages blockierten Demonstranten mehrere wichtige Straßen, auch die Schnellstraße 1 zwischen Jerusalem und Tel Aviv. Vereinzelt verbrannten Aktivisten Reifen. Die Polizei räumte die Blockaden. Bereits am 17. August hatte das Geiselforum einen Aktionstag veranstaltet.
Sicherheitskabinett spricht nicht über Deal
In Jerusalem tagte derweil das Sicherheitskabinett. Während der Sitzung versammelten sich Hunderte Demonstranten vor dem Regierungsamt. Sie forderten die Regierung auf, den Deal anzunehmen, dem die Hamas zugestimmt hat. Demnach würden zehn lebende Geiseln im Austausch gegen zahlreiche inhaftierte Terroristen freikommen. Die Freilassung sollte ihrer Ansicht nach Priorität vor der geplanten Offensive in Gaza-Stadt haben.
Das Sicherheitskabinett indes diskutierte nicht über den Vorschlag. Thema der Sitzung waren vielmehr die Pläne der Armee für die Einnahme von Gaza-Stadt.
Von den 50 verbliebenen Geiseln wurden 49 während des Terrormassakers am 7. Oktober verschleppt. Das Militär hat 28 für tot erklärt. Zudem gelten 20 Geiseln als lebend, und bei zweien besteht große Sorge um ihren Zustand. Die 50. Geisel ist ein Soldat, der 2014 im Gazastreifen fiel. (eh)
30 Antworten
Handelt die derzeitige israelische Regierung überhaupt demokratisch? Als gewählter Ministerpräsident in einer Demokratie ist man verpflichtet, die Interessen der Bürger zu vertreten. Wer das nicht tut und die Interessen des Volkes ignoriert, wie Netanjahu es tut, ist meiner Meinung nach kein Demokrat.
@Gideon Lahav
Netanjahu wurde demokratisch gewählt und macht Fehler, die Demonstranten machen Fehler, jeder macht Fehler. Nur das Sicherheitskabinett macht keine Fehler.
@Gideon Lahav
Ein Faschist, der demokratisch gewählt wurde, wird dadurch nicht zum Demokraten, sondern die Demokratie wird zum Faschismus.
–Noar Glem–
Er kann es nicht beenden, weil es ihn seinen Job und alles kosten würde, was er jemals erreicht hat.
@Ludovico, was sollte Netanjahu Ihrer Meinung nach tun?
@Jakob
Ich fürchte, da werden Sie keine Antwort bekommen. Und wenn, so heißt sie: der Erpressung der Hamas nachgeben, 10 lebende Geiseln gegen 200 Verbrecher, den Krieg beenden und sich weiter von der Hamas drangsalieren lassen. Ist es das, was GANZ Israel möchte?
Ich fürchte, der Wunsch wäre die Erfüllung der Hamas-Charta: from the river to the sea – judenrein muss es sein. Ich warte immer noch auf die Antwort, wo er die Juden dann hintun würde.
Ernsthaft? Es geht Netanjahu ausschließlich um Netanjahu? Nicht um die tödliche Bedrohung Israels, nicht um Geiseln, nicht um getötete Soldaten und Zivilisten, nicht um die Existenz Israels? Damit folgen Sie 1:1 der Propaganda der Hamas und allen Israel feindlich gesonnen Medien, Politikern und oft (vorgeblichen) Freunden.
Ach, jetzt verfolgt man also Hamas Propaganda wenn man Netanjahu kritisiert? Nein, Netanjahu ist nicht Israel, und er spricht nicht für das israelische Volk, wenn man sich die Umfragen ansieht.
Wir sind uns alle einig, dass die Hamas zerstört und die Geiseln freigelassen werden müssen, aber das heißt nicht, dass man Benjamin Netanjahu Rückendeckung gibt stehe und sagt, dass er vieles richtig macht. Nein, er macht vieles, wenn nicht sogar alles, falsch. Er war nie mein Präsident und wird es auch nie sein, und das sage ich als stolzer Deutsch-Israeli.
Wie sieht es mit den 75% der Israelis die Ende des Krieges fordern denn aus? Sind die in ihren Augen auch Hamas freunde?
@Gideon Lahav
Nein, wie unser Bischof, bester Humanist von allen, sagt: ihre Meinung respektieren, aber nicht teilen.
@Gideon Lahav
Warum fordern diese ein Ende des Krieges? Wenn Israel den Krieg einseitig beendet, werden keine Geiseln heimkehren. Leider.
Logische Folgerung: diese Forderung ist ganz im Sinne von Hamas & Co.
Also: was muss getan werden?
Liebe Rts, die Frage ist, wie lange wir uns diesen Krieg militärisch und finanziell leisten können? Vergessen Sie nicht, dass wir an 5 Fronten kämpfen: Gaza, Libanon, Syrien, Jemen und natürlich Iran.
Tatsache ist, dass ein ewiger, nie endender Krieg nicht gut für die Gesellschaft wäre.
@Gideon Lahav
Uihhh. Damit fordern Sie eine Vereinbarung, dass 10 lebende Geiseln freikommen, hunderte von Terroristen freigelassen werden und der Krieg beendet wird? Was wird aus den anderen 10 (hoffentlich) noch lebenden Geiseln? Damit verurteilen Sie diese zum Tod. Ohne Krieg gibt Hamas und Co. niemanden frei. Das ist traurige Tatsache. Ich mag B.N. und die Regierung nicht. Aber ich persönlich möchte nicht wie die entscheiden müssen zwischen Pest und Cholera. Wenn Sie das können, toll.
Welche 10 lebende Geiseln sollen im Gazastreifen zurückbleiben? Und wer sagt ihnen das?
@Gideon Lahav: Nein! Aber ich fürchte viele leiden unter Realitätsverlust. Nur der Wunsch nach Kriegsende bringt noch lange nicht FRIEDEN. Die Hamas ist eiskalt. Defacto fordert sie für die Freilassung der Geiseln die bedingungslose KAPITULATION Israels. So wäre der nächste Krieg schon gebucht. Bis jetzt haben sich alle(!) Geiselnahmen extrem bezahlt gemacht für diese Mordbanden. Will Israel so weiter machen? Nie lernen?
Die Hamas ist derzeit so geschwächt, dass ein erneuter 7. Oktober nicht möglich ist. Der Gazastreifen ist international isoliert, unter anderem durch eine Seeblockade und einen gesperrten Luftraum. Da wir nun auch den Grenzübergang zu Ägypten kontrollieren, ist es der Hamas unmöglich, neue Waffen aus dem Ausland zu importieren.
Und leider ist es der israelischen Armee bisher nur gelungen, ein oder zwei Geiseln aus eigener Kraft zu befreien; die meisten wurden im Rahmen von Verhandlungen freigelassen. Daher haben wir nur eine Priorität: Geiseln oder Hamas zuerst? Ich bin eindeutig für Ersteres, denn die Geiseln können nicht länger warten. Erst wenn alle wieder zu Hause sind, können wir die Kämpfe wieder aufnehmen und die Hamas ein für alle Mal vernichten.
Ich kann es fast nicht glauben, welches Demokratieverständnis hier zugrunde gelegt wird.
Es ist sicher einfach die Verantwortlichen zu kritisieren, aber selbst keinen Kompromisvorschlag aufzuzeigen.
Es ist schade, daß die Hamas u. ….. es schaffen Israel zu spalten. Es gab in der Vergangenheit viel positive Beispiel wie stark das Volk Israel ist, wenn sie zusammenhalten
Mich würde tasächlich interessiern wer wirklich hinter den Demostrationen steht.
Hamas schaut zu bei den Demos und lernt: „Wir müssen nur noch mehr Geiseln quälen, foltern, erneut Geiseln nehmen, das Volk spalten, weiter Druck ausüben mit qualvollen Videos. Irgendwann knickt Israel ein. Wir werden gewinnen. Wir haben jetzt schon gewonnen, weil das israel.Volk für uns stimmt und alle Welt gegen Israel ist.“
350.000 Israelis protestieren. Das ist nicht ganz Israel. Ganz Israel müsste eigentlich fordern, ALLE Geiseln zu entlassen, warum nur 10 lebende? Das wäre kein Deal sondern Erpressung und statt ein NIE WIEDER ein NUR WEITER SO.
Es ist und bleibt ein Dilemma, das ich nicht entscheiden möchte.
Volle Zustimmung, Ella. Die Hamas jubelt und macht alles, damit die Geiseln noch mehr leiden.
Rom Braslavski ist einer der dt-israelischen Geiseln. Aber kein Wort an die dt. Regierung: kümmert euch darum. Seit 7.10.23 haben die dt. Regierungen nicht viel getan, um den Geiseln zu helfen.
Ja, ganz Israel müsste die Freilassung ALLER Geiseln fordern. Welche will man zurücklassen im Gazastreifen? Als Demokrat müsste Netanjahu das Volk vertreten? Ja, aber alle Geiseln ist auch das Volk.
Was passiert nachher? Die Hamas hat gesagt, es wird neue 7.10 geben. Wie viele möchte das Volk denn haben? Und Gideon, bei der nächsten Geiselnahme sind vielleicht Sie dabei? Was sagen Sie dann? Dann ist auch Netanjahu schuld obwohl er jetzt für die Vernichtung derer steht, deren Gastfreundschaft Sie dann vielleicht 5 Jahre genießen dürfen. Mit einem Pitabrot, 250 ml Wasser und einer Schaufel für den „Leistungssport“.
Gibt übrigens eine Geschichte, Ella, da hat die Hamas gesagt, einer der Gründe warum sie das Massaker angerichtet haben, waren die roten Kühe, die in Israel seit Corona unversehrt vorhanden sind. Im Gegensatz zu den Säkularen Juden weiß die Hamas ganz genau um dieses spirituelle Geschehen.
@Christin
Ja Christin, ich kenne die Geschichte der roten Kühe. Die radikal-islam. Hamas-Miliz nannte die Ankündigung, dass rote Kühe aus Texas importiert werden sollen, als einen der Gründe für das Massaker: Juden wollten „rote Kühe“ importieren, um ihren Tempel auf dem Tempelberg errichten zu können. Zumindest hatte irgendein ultra-orthodox. Abgeordneter der Knesset angekündigt, dass der dritte Tempel Jerusalems an der Stelle, wo die Al-Aksa-Moschee jetzt steht, gebaut werden sollte.
Ob es der tatsächliche Grund für das Massaker war, weiß ich nicht. Aber eins ist sicher. Wenn Hamas jetzt nicht vernichtet oder entmilitarisiert wird, geht der Terror immer weiter, denn das Erpressungssystem funktioniert ja.
Ella und Christin:
Danke für eure Kommentare. Ich kann jeden eurer Sätze unterschreiben.
Es gibt übrigens auch Israelis, die sagen: Keinen Deal mit Terroristen!
Die gehören auch zu „ganz Israel“. Sie schreien nur nicht so laut….
Das mit den roten Kühen als ein Grund habe ich auch gelesen.
Es gibt so gut wie keine lösbaren Probleme mehr. Es wird nicht einfach gut werden!
Lieber Gruß Martin
Nein, lieber Untertan, es wird alles gut, nur Geduld haben, wie unser Bischof sagt.
Das haben die falschen Propheten früher auch immer gesagt! Vorsicht ist angesagt!
Lieber Gruß Martin
Komischerweise denkt kaum jemand daran, was passieren kann, wenn Netanjahu hinschmeißt und den anderen das Regieren überlässt. Dann wird die neue Regierung die Geiseln wahrscheinlich ebenfalls nicht freibekommen und die Hamas stellt sich neu auf. Sie werden immer wieder neue Massaker anrichten, wie sie es angekündigt haben. Dann erst recht.
Es wird in Deutschland und anderswo niemanden interessieren, im Gegenteil. Die Deutschen werden sich freuen, weil der böse „Faschist“ weg ist und Israel wie gewünscht kaputt geht. Dann gibt es wieder Freudentänze und Süßigkeiten auf der Berliner Sonnenalle.
@Gast
Genau diesen Gedanken hatte ich schon ganz oft. Was ist wenn Bibi weg ist? Was würde sich posiriv ändern? Geiseln alle frei? Ich denke,es würde sich nicht viel ändern.
Nach dieser Hamas wird eine neue Organisation dieser Art kommen wenn sich nicht die Einstellung der Völker zu einander ändert! Einer muß den Versuch wagen, es wird dutzende geben, die beim ersten Rückschlag sagen: da hast du es! Es geht nicht! Es wird sehr, sehr viel Zeit und Verständnis für die Wunden der anderen Seite brauchen, aber wie soll es sonst weitergehen?
Wie viele Kriege hat die Hamas seit 2007 angezettelt? Wie wieviel Versuche soll es noch geben?
Es wäre mal ganz gut, einen Inner-Israelischen Dialog zu suchen, aber das wird es leider nicht geben.
Die Zeit bleibt schwierig, die Welt bleibt momentan Israel-feindlich, und Putin bereitet auch immer neue Sorgen.
Gute Ideen wird es immer geben, aber die Mächtigen setzen diese nicht um.
Indes wird die Hamas nie uneigennützig einen „Deal“ machen, Freilassungen von Geiseln ohne Gegenleistungen wäre so ein Deal. Das wird es nicht geben, doch irgendwann wird es ein Ende des Drama geben, aber erst wenn die Hamas besiegt ist. Die Innenpolitischen Probleme Israels werden leider auch immer größer…