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Komplizierte Selbstauflösung

Die Koalition strebt eine Auflösung der Knesset an. Die Abstimmung darüber ist für den heutigen Montag vorgesehen. Der Ausgang ist wegen der fehlenden Mehrheit ungewiss.
Von Ulrich W. Sahm
Abgeordnete der Knesset stimmten am Donnerstag für die Verlängerung des Bürgerschaftsgesetzes

JERUSALEM (inn) – Die 120 Abgeordneten der Knesset sind sich eigentlich alle einig, dass Neuwahlen schon wieder notwendig sind, zum fünften Mal in dreieinhalb Jahren. Doch für die Auflösung des Parlaments bedarf es eines speziellen Gesetzes. Und das kann nur mit einer absoluten Mehrheit, also 61 Stimmen verabschiedet werden.

Wegen der fast gleichen Stimmverteilung zwischen Regierung und Opposition hängt jedes Gesetzesvorhaben von dem Willen eines einzigen Abgeordneten ab, also auch von irgendwelchen ehrgeizigen Hinterbänklern. Die sehen die Chance, einmal in die Nachrichten zu gelangen und „nationales Gesprächsthema“ zu werden. Das tun sie natürlich auch angesichts des bevorstehenden Wahlkampfes. 

Ein großes Streitthema ist die Verabschiedung eines Gesetzes, das speziell auf den derzeitigen Oppositionschef Benjamin Netanjahu (Likud) gemünzt ist. Es soll einem Angeklagten verbieten, sich künftig als neuer Regierungschef aufstellen zu lassen. Die schon in einer ersten Lesung zugelassene Vorlage verstößt eigentlich gegen demokratische Grundsätze. Auch in Israel gilt man als „unschuldig“, solange ein ordentliches Gericht kein Urteil ausgesprochen hat. 

Noch läuft der Prozess gegen Netanjahu wegen angeblicher Bestechung und Korruption. Aber die Richter haben noch nicht entschieden, ob die Mitbringsel seiner Milliardärsfreunde einem Blumenstrauß ähnliche Gastgeschenke waren – oder aber versuchte Bestechung. Es geht um viele Flaschen französischen Champagners und Havanna-Zigarren. Freunde des ehemaligen Premierministers stemmen sich gegen die vermeintliche Vorverurteilung Netanjahus durch jene Aktivisten, die wochenlang gewaltsam vor seiner Residenz in der Jerusalemer Balfour-Straße demonstriert haben.

Lehrerstreiks und Verkehrsprobleme

Ein weiteres Streitthema betrifft jede Familie mit Kindern. Die Lehrer streiken, weil sich die Lehrergewerkschaft und Finanzminister Avigdor Lieberman (Israel Beiteinu) immer noch nicht auf eine gebührende Entlohnung der Lehrer einigen konnten. Die Gewerkschaft verlangt umgerechnet 2.884Euro als Monatslohn für Anfänger und langgediente Lehrer, während der Finanzminister den Daumen auf dem Staatsgeld hält und ihnen höchstens 2.363 Euro pro Monat zubilligen will .

Weil die Lehrer streiken, fallen Sommerkurse und geplante Ausflüge während der Sommerferien aus. Zudem wagt niemand vorherzusehen, ob das Schuljahr am 1. September beginnen kann. Der Lehrerstreik bedeutet, dass viele Eltern zuhause bleiben müssen, um auf ihre Kinder aufzupassen, wenn die nicht in die Schulen geschickt werden können. Das lähmt dann die ganze Wirtschaft.

Ebenso geht es um den Bau einer Metro in Tel Aviv und um die Erweiterung von Landstraßen mitsamt Mittelstreifen und einer Spur, um sicher am Straßenrand anhalten zu können. Schwere Autounfälle mit vielen Toten sowie die unendlichen Verkehrsstaus im Landeszentrum machen tägliche Schlagzeilen. Doch die Gelder zur Finanzierung dieser Projekte kommen viel zu zögerlich.

Arabische Abgeordnete wie Mansur Abbas (Ra’am) nutzen die Gelegenheit, um Vorteile und eine Erfüllung von Versprechen gegenüber den arabischen Israelis einzufordern. Wenn die Regierung nicht einknickt, drohen sie, nicht für die Auflösung des Parlaments zu stimmen. Eine einzige Stimme reicht, um das Projekt zu Fall zu bringen.

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