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Zwischen Wunder und Heldentum

Das jüdische Lichterfest beginnt in diesem Jahr am Abend des 28. November. Eine Frage, die seit langem besteht: geht es bei Chanukka um ein göttliches Wunder oder doch eher um einen heldenhaften militärischen Sieg? Je nach Kontext wird der Schwerpunkt unterschiedlich bewertet.
Nicht alle Juden sind sich einig, ob das Chanukka-Wunder auf göttliches oder menschliches Handeln zurückzuführen ist. Alle aber entzünden die Kerzen in Erinnerung an das Chanukka-Geschehen.

Auf jüdischen Internetplattformen fasst der Oberrabbiner von Südafrika, Warren Goldstein, die Chanukka-Geschichte zusammen: „Vor etwa 2.200 Jahren besetzte das große griechische Imperium, eine Weltmacht, das alte Königreich Israel und unterdrückte die Juden. Bezeichnenderweise waren es die Makkabäer, die Tempelpriester, die sich gegen die Griechen auflehnten, um die Juden zu verteidigen. Mithilfe von Gottes Wunder waren sie in der Lage, die Griechen zu besiegen. Der kleine rituell reine Ölrest, der übrig war, um den Tempelleuchter zu entzünden, hätte eigentlich nur einen Tag reichen können. Doch der Leuchter brannte acht Tage.“

Der Rabbiner fragt die Gläubigen: „Was feiern wir denn nun? Den großartigen militärischen Erfolg? Oder den Umstand, dass das Öl für ein paar Tage mehr brannte? Die Weisen aus dem Talmud sagen uns, dass wir das Wunder feiern sollen.“

Tatsächlich fragen die Talmud-Gelehrten im Traktat Schabbat 21B nach dem Sinn von Chanukka. Sie sprechen davon, dass die Griechen mit dem Betreten des Tempels das Öl entweihten. Der rituell reine Rest habe nur durch ein Gotteswunder für acht Tage gereicht. Die Ausführungen legen fest: „Die Weisen entschieden, dass es ein Hallel geben würde.“

Das Hallel umfasst die Psalmen 113 bis 118 und wird zu den in der Bibel erwähnten Feiertagen gebetet. Es enthält den Dank dafür, dass Gott sein Volk beschützt hat. Chanukka ist kein biblisches Fest, doch spätestens durch das Hallel bekommt es eine besondere – und eine definitiv religiöse – Bedeutung.

Zionisten betonen das menschliche Handeln

Der Begründer des modernen Zionismus, Theodor Herzl (1860–1904), scheint die Ereignisse von Chanukka anders zu deuten. In seinem Buch „Der Judenstaat“ schreibt er: „Darum glaube ich, dass ein Geschlecht wunderbarer Juden aus der Erde wachsen wird. Die Makkabäer werden wieder aufstehen.“ Dass die zionistische Bewegung stärker die menschlichen Taten als das göttliche Handeln betont, wird vor allem in bekannten Liedern der Bewegung deutlich. Der Makkabäer wird zum Vorbild für den starken, unabhängigen Hebräer: „Auf Wunder sind wir nicht angewiesen, wir haben es aus eigener Kraft geschafft.“ Die Zionisten singen: „Uns ist kein Wunder geschehen, wir haben keinen Tonkrug gefunden“ und „Wir sind die Makkabäer, unsere Fahne ist hoch erhöht. Wir haben die Griechen bekämpft und der Sieg ist unser.“

Der Rabbiner Goldstein mag vielleicht erklären: „An Chanukka feiern wir nicht den Sieg über unsere Widersacher. Sondern dass die Lichter von Gottes Tora in jeden Aspekt unseres Lebens scheinen“. Doch die Zionisten singen ihr eigenes Lied: „Für den Kopf des Helden, des Makkabäers, flechten wir einen Siegeskranz.“ Die Spannung zwischen den Gläubigen und den Zionisten bleibt bestehen.

Aschkenasische und sephardische Traditionen, Judentum und Christentum

Für Geschichts- und Fremdsprachenfreunde bietet die Israelische Nationalbibliothek in diesem Jahr das Projekt „8 Nächte, 8 Schätze, 8 Sprachen“. Mit jedem Tag, an dem eine weitere Kerze entzündet wird, stellen Wissenschaftler in einem Kurzvideo ein Objekt aus der Bibliothekssammlung in der Sprache vor, in der das Schriftstück geschrieben wurde.

Französisch, Polnisch, Russisch und Italienisch sind dabei – an Tag vier gibt es einen Einblick in Musikstücke, die von einer Schallplatte abgespielt werden, welche die offizielle Kerzenentzündung von 1957 in der israelischen Präsidentenresidenz aufzeichnete. Dabei ist die Stimme von Jo Amar zu hören, ein Neueinwanderer aus Marokko, der traditionell-aschkenasische Chanukka-Lieder auf seine Weise, also auf sephardische Art, vertont.

Im Video zur sechsten Kerze stellt die Bibliotheksforscherin Chaja Meier-Herr in deutscher Sprache ein Heft vor, das 1914 vom Verband der Deutschen Juden als „Gruß an die jüdischen Soldaten im deutschen Heer“ herausgebracht wurde. Unter anderem ist darin eine Geschichte des Feldrabbiners Georg Wilde abgedruckt, der ein Zwiegespräch zwischen dem Chanukkalicht und dem Weihnachtslicht beschreibt. Sie schließt mit dem Satz: „So wollen wir beide leuchten. Glaube und Treue, Kraft und Liebe wollen wir in die Herzen unserer Bekenner hineinstrahlen, dass sie wetteifern in Achtung der Menschenrechte und in Menschenliebe.“ Vielleicht eignet sich das Chanukkafest, zu zeigen, wie scheinbare Gegensätze in Einklang miteinander stehen können: Gotteswirken und Menschentaten ebenso wie aschkenasische und sephardische oder jüdische und christliche Tradition.

Von: mh

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