Aus der Asche zu neuem Leben – das jüdische Volk erhält endlich seinen Staat“ – unter diesem Motto organisierte der Verein „Initiative 27. Januar“ in diesem Jahr zwei Holocaust-Gedenkveranstaltungen, bei denen der israelische Jude Mosche Harel als Hauptredner sprach. In seiner Vita vereint er beides: Die Gräuel des Holocaust, die er als Fünfjähriger im Konzentrationslager Bergen-Belsen überlebt hatte, und die Geburtsstunde des modernen Staates Israel vor 70 Jahren, in dessen Luftwaffe er später erst als Ingenieur und dann als Test- und Kampfpilot diente.
Beim Schreiben dieser Zeilen, die den Versuch darstellen sollen, aufzuzeigen, was die Bibel über die Gründung des modernen Staates Israel vor 70 Jahren zu sagen hat, steht mir Mosche vor Augen, der, vielleicht ohne es zu wissen, eine leibhaftige Erfüllung biblischer Prophetie ist.
Die Geburt des modernen Staates Israel
Von Menschen wie Mosche hat der biblische Prophet Hesekiel in seiner berühmten Vision der Ebene voller Totengebeine gesprochen. Er sagt voraus, dass die Knochen, die das Haus Israel symbolisieren, nicht nur lebendig, sondern auch zu einem großen Heer werden würden. Wer schon einmal in der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem war, der weiß, dass dort am Eingangstor aus Hesekiels Prophetie zitiert wird: „Und ich will meinen Odem in euch geben, dass ihr wieder leben sollt, und will euch in euer Land setzen“ (Hesekiel 37,14).
Die Bibel verknüpft also diese beiden einschneidenden, heilsgeschichtlich relevanten, historischen Ereignisse miteinander: Die Scho‘ah und die Alija, die Rückführung der Juden nach Israel, das ihnen verheißene Land! Doch während zweifelsohne eine zeitliche Nähe zwischen den beiden Ereignissen existiert, bestand die Bewegung des vorstaatlichen Zionismus schon lange vor und unabhängig vom Holocaust. Am 14. Mai 1948 war es dann endlich so weit, David Ben-Gurion erklärte die Gründung und Unabhängigkeit des Staates Israel. So erfüllte sich die biblische Weissagung Jesajas, der prophezeit hatte: „Wer hat je so etwas gehört? Wer hat etwas Derartiges gesehen? Wurde je ein Land an einem Tag zur Welt gebracht? Ist je ein Volk auf einmal geboren worden?“ (Jesaja 66,8).
Motor der Alija: Fischer und Jäger
Der Zeitgenosse Hesekiels, Jeremia, sagte im 16. Kapitel seines Buches voraus, dass es zwei wichtige, antreibende Faktoren für die Rückkehr des jüdischen Volkes ins Land Israel geben würde: Metaphorisch spricht er von Fischern und Jägern. Während die einen ziehen, treiben die anderen. In der Reihenfolge tauchten sie dann auch tatsächlich auf der Weltbühne auf: Zuerst kamen die „Fischer“, unter anderen Theodor Herzl, Chaim Weizmann, David Ben-Gurion und Nahum Sokolov. Sie luden Juden weltweit dazu ein, sich dem zionistischen Projekt anzuschließen und ins Eretz Israel, Land Israel, zurückzukehren.
Doch die Fischer allein bewirkten die Rückkehr nicht; auch die „Jäger“ taten und tun ein Übriges hinzu. Gerade in unseren Tagen ist solch ein Prozess bedauernswerter Weise wieder zu betrachten, unter anderem in Frankreich, wo antisemitische Vorfälle rapide ansteigen und eine Rekordzahl von auswanderungswilligen Juden das Land mit Ziel Israel bereits verlassen hat, beziehungsweise gerade verlässt.
„Doch siehe, es kommen Tage, spricht der HERR, da man nicht mehr sagen wird: ‚So wahr der HERR lebt, der die Kinder Israels aus dem Land Ägypten heraufgeführt hat!‘, sondern: ‚So wahr der HERR lebt, der die Kinder Israels heraufgeführt hat aus dem Land des Nordens und aus allen Ländern, wohin er sie verstoßen hatte!‘ Denn ich will sie wieder in ihr Land zurückbringen, das ich ihren Vätern gegeben habe. Siehe, ich will viele Fischer senden, spricht der HERR, die sie fischen sollen; danach will ich viele Jäger senden, die sie jagen sollen von allen Bergen und von allen Hügeln und aus den Felsenklüften“ (Jeremia 16,15-16).
Nachwehen: Terror, kein Friede
Doch auch im Land Israel wähnt die Bibel die gerade der Scho‘ah und den Jägern Entkommenen nicht in Sicherheit. Jeremia schreibt über diese Zeit, in der das jüdische Volk aus einer beinahe zweitausendjährigen Diaspora wieder zurück nach Israel kommt: „Denn siehe, es kommen Tage, spricht der HERR, da ich das Geschick meines Volkes Israel und Juda wenden werde, spricht der HERR; und ich werde sie wieder in das Land zurückbringen, das ich ihren Vätern gegeben habe, und sie sollen es in Besitz nehmen. Das aber sind die Worte, die der HERR zu Israel und Juda gesprochen hat: So spricht der HERR: Wir haben ein Schreckensgeschrei vernommen; da ist Furcht und kein Friede!“ (Jeremia 30,5). Einige englische Übersetzungen, wie die „New International Version“, geben dies als „terror, not peace“ (Terror, kein Friede) wieder. Eine treffendere Beschreibung der Kindheitsphase des modernen Staates Israel gibt es nicht.
Anfangs gab es andauernd Krieg: Den Unabhängigkeitskrieg (1947–49), die Suez-Krise (1956), den Sechs-Tage-Krieg (1967) und den Jom-Kippur-Krieg (1973). Ab den frühen 1970er Jahren kam der moderne Terrorismus als Waffe auf, der zuerst gegen Israel eingesetzt wurde. Viele Terrorphänomene, mit denen heute auch wir in Westeuropa konfrontiert werden, sind von den Palästinensern gegen Israel erdacht, eingeführt und auf perfide Art und Weise perfektioniert worden: Flugzeugentführungen, Geiselnahmen und Selbstmordattentate, mittlerweile aber auch Messer- und Auto-Attacken. Diese Szenerie sorgte auch lange nach der Geburtsstunde Israels für „terror, not peace“.
Jerusalem, Taumelkelch und Laststein
Die Befreiung Jerusalems im Juni 1967 durch die israelische Armee läutete die letzte Phase der Epoche ein, die Jesus als „Zeiten der Heiden“ bezeichnete (Lukas 21,24). Diese von Juden und den Nationen völlig unerwartete Wendung war sicherlich eines der bedeutsamsten historischen Ereignisse der neueren Geschichte, zumindest aus biblischer Perspektive.
Der Prophet Sacharja beschreibt die Folgen dieser Entwicklung für die Weltpolitik: Zum einen werde Jerusalem zum „Taumelkelch“, das heißt, es entfaltet eine bewusstseinsverändernde Wirkung, gleich einem Rausch „für alle Völker ringsum“ (die islamische Welt). Zum anderen sei es ein Laststein für die Nationen, deren Leiter sich kontinuierlich darin abmühten, diesen heben zu wollen: „Siehe, ich mache Jerusalem zum Taumelkelch für alle Völker ringsum, […] Und es soll geschehen an jenem Tag, dass ich Jerusalem zum Laststein für alle Völker machen werde; alle, die ihn heben wollen, werden sich gewisslich daran wund reißen“ (Sacharja 12,2–3).
Die Taumelkelch-Phase begann unmittelbar nach der Wiedereroberung Jerusalems. Die umliegenden, islamisch geprägten Nationen agierten in den darauffolgenden Jahrzehnten tatsächlich alles andere als nüchtern. Die Laststeinphase begann in besonderem Maße in den 1990er Jahren, mit dem Oslo-Prozess. Seither liegt die Jerusalem-Frage auf dem Verhandlungstisch und die Leiter der Nationen reißen sich reihum daran wund. Die 1990er Jahre standen aber auch ganz im Zeichen eines anderen Handelns Gottes mit dem Volk der Juden: Der Fokus der Alija beruhte nämlich auf dem „Land des Nordens“, wie Jeremia in der bereits oben zitierten Prophetie in Kapitel 16 die ehemalige Sowjetunion bezeichnete, die vom Land Israel aus betrachtet im Norden liegt.
Jesaja sagt als „Sprachrohr Gottes“ in dieser Phase: „Ich will zum Norden sagen: Gib heraus!“ (Jesaja 43,6). Und der Norden gab heraus: Über eine Million Juden verließen die Sowjetunion und emigrierten nach Israel, ihr Vorkämpfer und Pionier war Natan Scharanski.
Trump, der moderne Kyrus?
In den letzten Jahren haben besonders zwei Ereignisse das Thema Jerusalem wieder ganz oben auf die Agenda der Weltgemeinschaft gesetzt: Die israelkritische Resolution 2334 vom 23. Dezember 2016 hat der UN-Sicherheitsrat im letzten Amtsmonat des US-Präsidenten Barack Obama mit dessen Wohlwollen – die USA verzichteten auf ein Veto – verabschiedet. Die Resolution ist zwar nicht bindend, schreibt aber Ostjerusalem den Palästinensern zu und verändert damit die bisherige Friedensarchitektur einseitig zulasten Israels. Seither hängt sie wie ein Damokles-Schwert über Israels Ansprüchen an den umstrittenen Gebieten.
Dem entgegen steht Obamas Nachfolger Donald Trump. Dessen begrüßenswerte Entscheidung, anlässlich des 70. Jahrestages der Gründung des Staates Israels die US-amerikanische Botschaft am 14. Mai 2018 von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, dient als faktische Widerlegung der in Resolution 2334 erklärten Sichtweisen. In Amerika lassen sich deutliche Stimmen vernehmen, vor allem in der evangelikalen Welt, die Trump als einen modernen Kyrus preisen. In biblischen Zeiten förderte dieser als heidnischer Herrscher den Wiederaufbau Jerusalems und die Wiederherstellung des zerstörten jüdischen Tempels (vergleiche 2. Chronik 36,22–23).
Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu sieht die Jerusalem-Entscheidung Trumps ebenfalls in einer Liga mit dem Erlass des Kyrus und anderen historischen Entscheidungen wie der Balfour-Erklärung der britischen Regierung. Auch wenn mit der Botschaftsverlegung das größte Geburtstagsgeschenk für Israel bereits feststeht, kann man sich von Herzen mitfreuen und in den Chor der Gratulanten miteinstimmen. 70 Jahre moderner Staat Israel, was für ein Grund zu feiern!
PS: Wenn die Geburtstagsfete vorbei ist und mit dem Sommer auch das Zeitfenster für kriegerische Auseinandersetzungen im Nahen Osten kommt, wird es nötig sein, unser Auge von der Vergangenheit auf die Zukunft zu richten und in den biblischen Propheten nachzuforschen, was diese über die noch bevorstehenden Dinge und Konflikte gesagt haben: Über Syrien, die Türkei, Russland und den Iran.
Diesen Artikel finden Sie auch in der Ausgabe 2/2018 des Israelnetz Magazins. Diese besondere Themenausgabe befasst sich mit dem 70-jährigen Bestehen des Staates Israel. Sie können die Zeitschrift kostenlos und unverbindlich bestellen unter der Telefonnummer 06441/915152, via E-Mail an info@israelnetz.com oder online. Gerne können Sie auch mehrere Exemplare zum Weitergeben oder Auslegen anfordern.
Josias Terschüren ist studierter Theologe und arbeitet als Direktor für Öffentlichkeitsarbeit bei der Initiative 27. Januar.
Von: Josias Terschüren