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Zur neuen Eskalation in den israelisch-palästinensischen Beziehungen

Seit dem Heiligen Abend eskaliert die Lage in Israel und den Palästinensischen Autonomiegebieten (PA). Tote gab es in den letzten beiden Wochen des Jahres 2009 auf beiden Seiten. Wohin die neuen Spannungen, Anschläge und Kämpfe führen, kann jetzt noch niemand voraussehen. Begonnen hatte alles… - Ja, wo sollte man den Beginn der aktuellen Entwicklungen ansetzen?

An den zwei ersten Weihnachtstagen berichtete die „Deutsche Welle“ über gewaltsame Auseinandersetzungen lediglich aus Pakistan, dem Iran, Afghanistan, dem Jemen und dem Irak, mit mindestens 112 Toten. Aus dem Nahen Osten war zeitgleich nur von den Weihnachtsfeiern in Bethlehem zu hören und dem Friedensappell des lateinischen Patriarchen Fuad Twal, der laut DW meint, „Friede und Gewaltlosigkeit sollten Krieg und Gewalt ersetzen“. Erst ab dem 26. Dezember begann man sich bei der DW für die Realität im Heiligen Land zu interessieren und titelte: „Israels Armee tötet sechs Palästinenser“.

Am Morgen des zweiten Weihnachtstages vermutete die DW: „Die Armee reagierte damit offenbar auf einen Überfall, bei dem militante Palästinenser am Donnerstag einen Israeli im Westjordanland getötet hatten.“ Am Abend wurde dann nur noch der palästinensische Präsident Mahmud Abbas zitiert, der von einem „dramatischen Gewaltausbruch“ sprach und Israel vorwarf, „die Lage bewusst zu eskalieren“.

Anschlag auf Siedler

Doch ein entscheidender Einschnitt in den palästinensisch-israelischen Beziehungen geschah bereits am Heiligen Abend, als Rabbi Meir Avschalom Chai nahe der Siedlung Schawei Schomron in Samaria aus dem Hinterhalt erschossen wurde. Der 40-jährige Vater von sieben Kindern war mit dem Auto auf dem Heimweg von Einav nach Schawei Schomron und wurde aus einem vorbeifahrenden Auto angegriffen. Laut israelischen Medien war dies der erste Terroranschlag mit tödlichem Ausgang im Westjordanland seit sieben Monaten. Die Al-Aksa-Märtyrer-Brigaden, der militärische Arm der Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Abbas, bekannten sich zu dem Anschlag.

Die Palästinensische Autonomiebehörde verhaftete am darauf folgenden Freitag 120 Palästinenser, schaffte es aber nicht, die eigentlichen Drahtzieher des Rabbinermordes dingfest zu machen. Deshalb versuchten die israelische Armee und der Geheimdienst in der Nacht zum Samstag selbst führende Mitglieder der zur Fatah gehörenden Al-Aksa-Märtyrer-Brigaden festzunehmen. Da diese sich nicht ergaben, wurden Raed Surkadschi, Assan Abu Scharach und Annan Zubach erschossen.

Zwei der drei Männer, die alle im Alter zwischen 35 und 40 Jahren waren, waren in der Vergangenheit in israelischer Haft, hatten sich an mehreren Terroranschlägen beteiligt. Surkadschi war erst im Januar 2009 aus einem israelischen Gefängnis entlassen worden. Abu Scharachs Bruder Naif war als Anführer der berüchtigten „Tansim“ 2004 von israelischen Truppen getötet worden. Zubach war von Israel gesucht worden, hatte sich aber zur Gewaltlosigkeit verpflichtet und hatte deshalb eine Amnestie erhalten. Ein vierter Verdächtiger soll sich den palästinensischen Sicherheitskräften gestellt haben, bevor er von den Israelis gefangen werden konnte.

Die Büros des palästinensischen Präsidenten und Premierministers verurteilten „die Verbrechen der israelischen Besatzungstruppen in Nablus und am Übergang von Beit Hanun“. Der Sprecher des Präsidenten, Nabil Abu Rudeina, warf den Israelis vor, zu der alten „Politik der willkürlichen Morde“ zurückzukehren, um so „die Sicherheit und Stabilität des palästinensischen Volkes zu zerstören“, und forderte eine Intervention des UNO-Sicherheitsrates.

Der Sprecher der israelischen Armee lieferte stolz Bilder von Waffen, die während der Armee-Razzia im Haus von Annan Zubach in Nablus erobert worden waren. Einen Tag später wurde veröffentlicht, ballistische Untersuchungen hätten ergeben, dass diese Schnellfeuerwaffen tatsächlich benutzt worden waren, um Rabbi Chai zu ermorden.

„Nachlässigkeit gegenüber Fatah-Terroristen“

Der ehemalige Chef des israelischen Inlandsgeheimdienstes „Schabak“ und Kadima-Abgeordnete Avi Dichter meinte in einem Radio-Interview, die palästinensischen Sicherheitskräfte gingen hart und konsequent gegen die Hamas vor, seien aber sehr nachlässig gegenüber Fatah-Terroristen. Er warf den Palästinensern vor, nach der Festnahme des vierten Verdächtigen genügend Informationen über die Mörder von Rabbi Chai gehabt zu haben, um deren Festnahme zu ermöglichen.

In Israel wird darüber spekuliert, warum die drei „reichlich reifen“ Männer den Anschlag selbst ausgeführt haben – und warum so schnell nach ihrer Entlassung aus israelischer Haft. Mögliche Verbindungen zur libanesischen Hisbollah werden untersucht. Die israelischen Sicherheitskräfte weisen alle Vorwürfe zurück – aber natürlich fällt auf, dass keiner der drei Verdächtigen lebend gefangen wurde. Vor dem Kabinett meinte Regierungschef Benjamin Netanjahu: „Unsere Vorgehensweise gegen den Terror ist klar. Wir werden auch weiterhin scharf auf jeden Anschlag gegen israelische Bürger und auf jeden Beschuss israelischen Territoriums durch Raketen reagieren.“

Vielleicht müsste ein Bericht über die jüngste Eskalation in den israelisch-palästinensischen Beziehungen aber noch früher anfangen: Etwa bei den Reiseerleichterungen, die die israelische Regierungen Palästinensern aus Anlass des Weihnachtsfestes eingeräumt hatte. Oder auch bei den Straßensperren, die die Regierung Netanjahu in den Wochen vor dem Weihnachtsfest in der Westbank räumte, um den Palästinensern mehr Bewegungsfreiheit zu geben. Immerhin machte Gerschon Mesika, der Leiter des Regionalrates für Samaria, die Beseitigung der Straßensperre zwischen Nablus und Tulkarm zwei Wochen zuvor für den Tod von Rabbi Chai verantwortlich.

Dass der Staat Israel zum Jahreswechsel vor großen Herausforderungen steht, die der Öffentlichkeit vielleicht nicht sofort einsichtig sind, ist klar. Netanjahu bemüht sich ganz offensichtlich sehr um eine Erweiterung seiner Regierung und begründete dies ebenfalls vor dem Kabinett: „Der Staat Israel steht vor sehr großen Herausforderungen, sowohl im Blick auf die Sicherheit als auch in der Politik. Deshalb hoffe ich, dass die Kadima-Partei auf meine Bitte eingeht.“

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