RAMALLAH (inn) – Auf seinen Reisen rund um die Welt hatte der verstorbene PLO-Chef Jasser Arafat immer einen Koffer voller Geld bei sich. Ein Journalist aus Ramallah veröffentlicht nun, was er über die Geldgeschäfte des Palästinenserführers weiß.
In Insider-Kreisen war er bekannt als „der schwarze Koffer“. Er enthielt einmal 170.000 US-Doller in bar. „Für Notfälle“, wie es heißt. Das Geld brauchte Arafat für Geschenke, Bestechungen und Trinkgelder. Später stieg der Kofferinhalt sogar auf 500.000 Dollar.
Wie die Tageszeitung „Ha´aretz“ berichtet, hatte Arafat bei seiner letzten Reise nach Paris im Oktober 2004 laut Vertrauten 1,6 Millionen Dollar im Koffer. Ein spezieller Gehilfe war dafür zuständig, den Koffer überall hin mitzunehmen.
Als Arafats Leichnam zwei Wochen später mit einem ägyptischen Hubschrauber nach Ramallah gebracht wurde, fiel einigen auf, dass der Koffer nicht mitgeflogen war. Eventuell hatte der Koffer-Träger das Geld inzwischen zurück ins Hauptquartier gebracht; die meisten wollen gar nicht erst nachfragen, aus Angst, die alten Freunde Arafats zu verärgern.
Hafes Barghuti, Journalist der Tageszeitung „Al-Hajat Al-Dschadida“ in Ramallah, klagt nun an, dass das Geld gestohlen worden sei. Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) habe eine Untersuchung über den Verbleib des Koffers eingeleitet. „Arafats Geheimnisträger, der den schwarzen Koffer trug, arbeitet nun in der palästinensischen Botschaft in Moskau“, sagt Barghuti, „und keiner weiß, was mit dem Koffer geschehen ist.“
Barghuti beschuldigt ihn, den Koffer gestohlen zu haben. Und einige der Arafat-Getreuen seien an dem Diebstahl beteiligt.
Einmal habe ein Reporter Arafat um Geld gebeten. Dieser rief den Mann mit dem schwarzen Koffer herbei und befahl, dem Reporter eine bestimmte Summe auszuzahlen. Als der Journalist das Geld zählte, war es jedoch weniger, als Arafat ihm versprochen hatte. Als er Arafat darauf ansprach, rügte dieser seinen Gehilfen vor allen Anwesenden. „Ich frage mich, wie oft sich dieser Kofferträger in den vergangenen Jahrzehnten vertan hat“, sagt Barghuti. „Die meisten, denen Arafat Geld gab, haben sich nicht getraut, es zu zählen.“
Barghuti, der entfernt verwandt ist mit Marwan Barghuti, dem Fatah-Anführer und derzeitigen Insassen eines israelischen Gefängnisses, klagt vor allem die engsten Vertrauten Arafats an. Sie seien „arrogant, wichtigtuerisch und ordinär“. „Arafat war im Grunde eine Geisel in den Händen dieser Kumpanen“, so Barghuti. „Keine Entscheidung wurde ohne ihre Einwilligung getroffen.“
Einer von ihnen habe Geld von prominenten Geschäftsleuten genommen, damit diese Arafat besuchen konnten. Wenn Arafat ihnen diverse finanziellen Hilfen anbot, nahm er erneut Geld von ihnen. Auch nahm er Bestechungsgelder von Krankenhäusern, die Patienten aufnahmen, deren Unterhalt Arafat zahlte. Arafats vorläufiger Nachfolger, Rauhi Fatuh, deckte 3.000 Anfragen von palästinensischen Frauen auf, die wegen Unfruchtbarkeit behandelt werden wollten. Die Krankenhäuser verwiesen die Frauen an Arafat.