Wissenschaftsminister Mohrs: „Wir glauben an unsere Freundschaft mit Israel“

Mit israelisch-deutscher Forschungszusammenarbeit befasst sich eine Veranstaltung zum 60-jährigen Bestehen der diplomatischen Beziehungen. Eine pro-palästinensische Aktivistin stört ein Podiumsgespräch, als es um den Abbau von Vorurteilen gehen soll.
Von Elisabeth Hausen

HANNOVER (inn) – Wissenschaft baut tragfähige Brücken zwischen Deutschland und Israel. Dies zeigte am Montag eine Veranstaltung in Hannover. Sie stand unter dem Titel „Bridges of Knowledge“ (Wissensbrücken). Anlass war das 60-jährige Bestehen der offiziellen deutsch-israelischen Beziehungen – und ein Jubiläum zweier renommierter Universitäten in Israel.

Die Universität Hannover kooperiert seit Jahrzehnten mit der Technischen Hochschule in Haifa, dem Technion. Dieses blickt auf 100 Jahre Lehrbetrieb zurück. Der für Forschung zuständige Vizepräsident, Noam Adir, erinnerte an das erste Semester im Jahr 1924. Mittlerweile habe das Technion mehr als 60 Forschungszentren. Zweighochschulen gebe es in New York und im chinesischen Guangdong. Adir äußerte die Hoffnung, dass letztere in ein paar Jahren eine unabhängige und im westlichen Stil geführte Universität sein werde. Das Technion hat bislang vier Nobelpreisträger hervorgebracht, alle erhielten die Auszeichnung in Chemie.

Auch die Hebräische Universität Jerusalem blickt auf 100 Jahre zurück. Ihr Kanzler Menahem Ben-Sasson wies darauf hin, dass bereits auf dem 1. Zionistischen Kongress 1897 in Basel ein Heidelberger Wissenschaftler, Hermann Schapiro, gefordert habe: „Wir müssen mit Bildung anfangen.“ Entsprechend hätten die beiden großen wissenschaftlichen Institute die Staatsgründung 1948 mit vorbereitet. Professoren aus Deutschland hätten ihr Wissen darüber eingebracht, wie man eine Universität aufbaut. Der Lehrbetrieb sei später auch eine Fortsetzung von dem gewesen, was in Europa wegen der Judenverfolgung abgebrochen wurde. Acht Nobelpreisträger haben an der Hebräischen Universität studiert oder gelehrt.

„Wissenschaft baut Brücken“

Der niedersächsische Wissenschaftsminister Falko Mohrs (SPD) betonte: „Wissenschaft baut Brücken.“ Er würdigte „sechs Dekaden der Zusammenarbeit nach dem Tiefpunkt der Geschichte unseres Landes und der Juden“. Ein weiterer tiefer Schatten sei durch die „Gräueltaten des 7. Oktober vor fast zwei Jahren“ auf Israel gefallen. Er sei danach zweimal in Israel gewesen und habe sich entschieden, die Zusammenarbeit zu vertiefen und auszuweiten. Viele „Freunde und Partner“ hätten sich von Israel abgewandt. Deshalb sei es nötig, dass „die Freunde in Niedersachsen die Geldmittel aufstocken“. Mohrs fügte an: „Wir glauben an unsere Freundschaft mit Israel.“

Für die Botschaft des Staates Israel in Berlin sprach Michael Baror. Der Direktor der Abteilung Wissenschaft und Wirtschaft sagte, ein Staat wäre nicht möglich ohne ein starkes wissenschaftliches Fundament. Akademische Forschung sei per Definition zukunftsorientiert. Leider stellten jetzt manche Stimmen die Zusammenarbeit in Frage. „Ein Boykott bevorzugt die kurze Gegenwart gegenüber der langen Zukunft.“

Foto: Israelnetz/Elisabeth Hausen
(v.l.) Armin Feldhoff, Meirav Mann-Lahav, Schimschon Belkin, Timur Sevincer und Moderatorin Shelly Kupferberg

Ein Podiumsgespräch befasste sich mit „Niedersachsen-Israel-Projekten“. Die Chemikerin Meirav Mann-Lahav vom Technion erzählte, wie sie einen Partner gesucht und Armin Feldhoff von der Leibniz Universität Hannover gefunden hätten. Trotz der Herausforderungen durch die Covid-Pandemie und das Hamas-Massaker vom 7. Oktober habe das israelisch-deutsche Forschungsteam sechs gemeinsame Beiträge veröffentlicht. Dabei seien die deutschen Partner geduldig, wenn die Israelis etwa wegen des Militärdienstes langsamer als erwartet vorankämen.

Auch Feldhoff ist begeistert von der Zusammenarbeit. Israelis und Deutsche hätten sich sehr schnell auf ein Thema geeinigt: Bei dem Projekt geht es unter anderem um Thermoelektrizität.

Aus wissenschaftlicher Partnerschaft wird Freundschaft

Schimschon Belkin von der Hebräischen Universität sieht Kontakte mit Deutschen als eine Konstante des wissenschaftlichen Lebens in Israel. Das Geheimnis für eine gute Zusammenarbeit sei der beiderseitige Wunsch nach einem interessanten und geförderten Projekt. Schnell werde daraus eine Freundschaft, die ebenso wichtig sei wie die Wissenschaft. Aus der guten Kooperation entsprängen weitere Projekte. Dabei profitierten die beiden Seiten voneinander: „Die Israelis machen Biologie, die Deutschen liefern Technologie.“

Ort der Veranstaltung in Hannover war das Schloss in den Herrenhäuser Gärten. Vor dem Gebäude protestierten Demonstranten lautstark gegen Israel. Eine kleine Schar mit israelischen und alten iranischen Flaggen mit dem Löwensymbol versuchte, dagegen zu halten.

Foto: Israelnetz/Elisabeth Hausen
Anti-israelischer Protest vor dem Schloss in den Herrenhäuser Gärten

Aktivistin stört Beitrag zu Abbau von Vorurteilen

Eine pro-palästinensische Aktivistin hatte es geschafft, sich unter die geladenen Gäste zu mischen. Als der Lüneburger Psychologe Timur Sevincer über ein Projekt zum Abbau von Vorurteilen bezüglich des israelisch-palästinensischen Konfliktes erzählen wollte, schrie sie von hinten: „You are supporting genocide (Ihr unterstützt Völkermord)!“ Sie wurde unter „Free, free Palestine!”-Rufen vom Sicherheitspersonal aus dem Saal eskortiert.

Nun konnte Sevincer sein Projekt aus dem Bereich der Interventionspsychologie vorstellen: Es gehe darum, feindliche Haltungen zu mindern – bei und gegenüber Israelis. In einer Studentenversammlung hatte er gefragt, ob jemand aus dem Nahen Osten sich beteiligen wolle. Sofort habe sich ein iranischer Student gemeldet, der an der Jubiläumsveranstaltung teilnahm. Ihm wurde sein Studienabschluss im Iran aus politischen Gründen verweigert, sagte er gegenüber Israelnetz. Deshalb sei er nach Deutschland gewechselt. Ferner arbeitet ein Student mit palästinensischen Wurzeln mit – dessen Großvater musste im israelischen Unabhängigkeitskrieg aus dem ehemaligen Mandatsgebiet Palästina fliehen.

„Deutschland liegt näher als die USA“

Eine zweite Diskussionsrunde befasste sich mit Perspektiven und Ausblicken auf die deutsch-israelische Zusammenarbeit. Der Hannoveraner Kardiologe Thomas Thum sieht im Studentenaustausch einen der Schlüssel für zukünftigen Erfolg. Deutschland könne in der Forschung viel von Israel lernen.

Die Volkswagenstiftung fördert seit 1977 deutsch-israelische Forschungsprojekte. Vorstand Georg Schütte ist überzeugt: Lehre und Forschung könnten einen großen Einfluss auf diplomatische Beziehungen haben. Politische Lösungen müssten allerdings im politischen Raum entwickelt werden, Wissenschaft und Forschung könnten militärische Konflikte nicht lösen.

Menahem Ben-Sasson von der Hebräischen Universität hält Kontinuität in der Forschung für nötig. Manche Gelehrte gelte es zu überzeugen, dass Deutschland näher liegt als die Vereinigten Staaten. Ein Problem in Europa sei die Idee eines auch akademischen Israelboykottes. „Doch dieser Nachmittag ist der Bedeutung einer Entboykottisierung gewidmet.“

Noam Adir vom Technion thematisierte die anti-israelischen Proteste: Jeder wünsche sich Kritik in einer offenen und logischen Weise, wenn es um ihn selbst gehe. „Doch wir haben keine Diskussion, sondern leider ein bedeutungsloses Geschrei.“

Mit Blick auf den Lehrbetrieb beobachte er trotz der Digitalisierung jeden Tag im Labor den Wunsch, mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten. Dies geschehe auch bei Aufgaben, die Studenten allein erledigen könnten. Deshalb gehe er davon aus, dass auch die Suche nach Projektpartnern in Deutschland weitergehen werde.

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Denise Hilfiker-Kleiner lehrt an der Medizinischen Hochschule Hannover. Sie nimmt mit Bezug auf die Proteste an vielen akademischen Einrichtungen wahr: „Wir vergessen den Weg, offene Diskussionen ohne Polarisierung, mit objektiven Meinungen zu führen.“ Die Diskussionen und Proteste seien außer Kontrolle geraten. Medizinstudenten seien allerdings kaum betroffen. Sie seien sehr auf Bildung fokussiert, hätten Freude am Lernen, am Zusammenarbeiten, am Forschen. Insofern gehe es ihr im Vergleich zu Dozenten an anderen Fakultäten in dieser aufgewühlten Zeit gut.

Veranstalter waren neben der Volkswagenstiftung das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur sowie die Deutsche Technion-Gesellschaft.

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3 Antworten

  1. Wissenschaft und Forschung können militärische Konflikte nicht lösen, aber sie können Brücken bauen. Das wünsche ich mir für Israel und Deutschland. Statt Geschrei auf der Straße aufeinander zugehen, miteinander reden. Momentan ist es eher so: Lautstarke und gewaltbereite Demos gegen eine kleine Schar, die dagegenhält.
    Ich wünsche den Forschenden gute Zusammenarbeit, freundliche Gefühle für die unterschiedlichen mitgestaltenden Länder, Mut und Anstrengung für ein gemeinsames Herzensanliegen: Forschung und Bildung für eine zukunftsorientierte Welt. 🙏🇮🇱🇩🇪

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  2. Die israelisch-deutsche Forschungsarbeit ist ein Gewinn für den Staat Israel als auch für die BRD. Ich hoffe, dass diese Zusammenarbeit auch noch in Zukunft besteht und blüht.

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  3. Danke für diesen wunderbaren Bericht. Ich freue mich immer sehr darüber lesen zu können, was uns zusammenbringt und zusammenhält. Ich bin mir sicher, dass beide Seiten davon profitieren. Mir ist aber auch wichtig, dass wir der Welt zeigen, dass wir gern mit Israel zusammenarbeiten und uns nicht gegen Israel stellen.

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