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Wie Israel zu Ägypten schweigt

JERUSALEM (inn) - Das offizielle Israel hüllt sich zu den Entwicklungen im Nachbarland Ägypten weiterhin in Schweigen. Premierminister Benjamin Netanjahu wünscht lediglich, dass Ägypten weiterhin am Friedensvertrag mit Israel festhalten möge. 30 Jahre lang hielt dieser kalte Frieden mit minimalen Handelsbeziehungen und keinerlei kulturellen Kontakten, zumal die ägyptischen Berufsvereinigungen ihre Mitglieder verpflichten, jegliche "Normalisierung" mit Israel zu unterlassen.

Die ägyptische Maßnahme traf auch die große christliche Minderheit in Ägypten, die Kopten. Nur ganz selten trifft man in Jerusalems Grabeskirche koptische Pilger. Für die koptische Kirche in Jerusalem mit eigenen Klöstern und heiligen Stätten wie dem Hintereingang zum Grab Jesu hat das schlimme wirtschaftliche Folgen. Denn die Kirchen im Heiligen Land überleben durch Einnahmen von Pilgern, die ihre Hospize füllen und Andenken erwerben.

Während Israels Regierung offiziell nur behauptet, die Ereignisse "sehr genau" zu beobachten, gab es dennoch eine direkte israelische Unterstützung für Präsident Hosni Mubarak. So erlaubte Israel erstmals seit Unterzeichnung des Friedensvertrags die Verlegung von Militär in den entmilitarisierten Sinai. Offenbar sollten die Soldaten das Domizil von Mubarak in Scharm el-Scheich bewachen. Als aber die Ägypter eine weitere Entsendung von Soldaten auf die Sinaihalbinsel erbaten, verweigerte sich Israel gemäß Medienberichten.

Die MFO, eine internationale Beobachtertruppe, wacht darüber, dass im Sinai nur ägyptische Polizisten Dienst tun. Eine weitere sichtbare israelische Reaktion ist der Beschluss, den Bau des elektronischen Zauns entlang der Grenze zu Ägypten doppelt so schnell voranzutreiben, wie geplant. Ursprünglich sollte dieser weitere Sperrwall den Menschenhandel und das unkontrollierte Eindringen von afrikanischen Flüchtlingen und Arbeitssuchenden unterbinden. Tausende sind ohne Einreisevisum nach Israel gekommen, Prostituierte aus Moldavien, Nigerianer und ganze Familien aus Eritrea, Sudan und Nigeria. Beduinen im Sinai dienen als Schleuser, während die ägyptische Polizei nur gelegentlich diesen menschlichen Grenzverkehr durch tödliche Schüsse unterbindet. Von einer Verstärkung der israelischen Truppen entlang der Grenze oder einer erhöhten Alarmbereitschaft war bisher nichts zu hören. Das dürfte sich aber vorerst auch erübrigen, solange die Sinaihalbinsel weiterhin als entmilitarisierte Pufferzone einen ägyptischen Überraschungsangriff ausschließt.

Experten kommentieren Ereignisse

Im Gegensatz zu den schweigenden Politikern mangelt es nicht an Professoren, Experten und natürlich Journalisten, die ihre Kommentare zu den Ereignissen abgeben. Mehrere israelische Reporter wie Eldad Beck waren für ihre Zeitungen selber auf dem Tahrir-Platz und berichteten von dort. Am Freitag telefonierte der Militärkorrespondent von "Kanal 10" direkt aus Kairo mit seinem Sender. Selbstverständlich wurde Mubaraks Fernsehrede live auch im israelischen Fernsehen ausgestrahlt und simultan übersetzt.

Anders jedoch als manche europäische Reporter und die Berichterstatter des TV-Senders "Al-Dschasira" ergreifen die israelischen Reporter nicht unumwunden Partei für die Demonstranten und gegen Mubarak. Die israelischen Beobachter kennzeichnet eher eine besonnene Distanz. Das Gespenst einer Islamisierung Ägyptens oder einer Machtübernahme der Moslembrüder, was für Israel eine strategische Gefahr bedeuten könnte, wird keineswegs in den Vordergrund gestellt. Arabienforscher wie Guy Bechor bemühen sich vielmehr, den Israelis ein sachliches Bild der wahren Machtverhältnisse in Ägypten zu vermitteln, so auch die wirtschaftlichen Verflechtungen der Armee. Die Moslembrüder gelten zwar als eine der bestorganisierten politischen Gruppierungen, aber Bechor zweifelt, ob sie tatsächlich die Kraft hätten, Ägypten zu übernehmen.

Dank ihrer engen Kontakte mit Mubarak und Vizepräsident Omar Suleiman können sich manche Israelis Informationen aus erster Hand einholen. "Fuad" Ben-Elieser, früher Verteidigungsminister und heute Oppositionspolitiker der in jüngster Zeit erheblich geschrumpften Arbeitspartei, hat mit Mubarak nur wenige Stunden vor der Ausstrahlung seiner Rede am Donnerstag Abend telefoniert. Ben-Elieser erzählte, dass Mubarak sich des Endes seiner Amtszeit bewusst sei, aber den Weg zu einem "ehrenvollen Abgang" suche.

Zeitweise keine ägyptischen Schlagzeilen

An manchen Tagen machten die dreiwöchigen Unruhen in Ägypten gar keine Schlagzeilen. Viel größeres Interesse erzeugte der von Skandalen und politischen Rangeleien begleitete Wechsel des Generalstabschefs. Höchste Emotionen erzeugten von der Regierung beschlossene Verteuerungen des Benzins, des Wassers und sogar des Brotpreises. Die Unruhe in Israel war so groß, dass der Premierminister sich deswegen mit einer Pressekonferenz an das Volk wenden musste, wo er die meisten der erst vor wenigen Tagen beschlossenen Preiserhöhungen wieder "verantwortungsvoll" zurücknehmen musste."Zickzack Bibi" titelte eine Zeitung, während in Europa Mubarak volle Aufmerksamkeit genoss. "Wieso gehen die Israelis nicht auf den Rabin-Platz und demonstrieren gegen die Regierung?", fragten ganz neidisch Journalisten mit Blick auf Kairo. "Ich weiß es nicht. Vielleicht, weil sie gebildeter sind", antwortete etwas hilflos der Unternehmer und Millionär Dov Lautman.

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