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Wie geht es weiter nach dem „Gipfel der Angst“?

In Folge des 29. November 1947 akzeptierte das jüdische Volk zähneknirschend eine Zwei-Staaten-Lösung für Restpalästina – als die UNO-Vollversammlung diese in der Resolution 181 forderte. Die Araber lehnten sie rundweg ab und gelobten, die Juden ins Meer zu treiben. Auf den Tag genau 60 Jahre danach kehrten die Konferenzteilnehmer aus Annapolis in ihre Länder zurück und Israels Premierminister Ehud Olmert erklärte: "Wenn die Zwei-Staaten-Lösung kollabiert und wir einen Kampf um gleiches Wahlrecht haben, ist der Staat Israel am Ende." Vielleicht nicht nur auf dem Hintergrund der gewaltsamen Anti-Annapolis-Demonstrationen in den Fatah-Hochburgen der Westbank, die mehrere Todesopfer forderten, verkündete dagegen der palästinensische Präsidentenberater Nabil Abu Rudeine: "In Annapolis wurde nichts vereinbart, das die Palästinenser verpflichten würde."

Überraschend war die gemeinsame palästinensisch-israelische Erklärung, die George Bush zu Beginn der Konferenz verlas. Nicht ihr Inhalt ist entscheidend – es sind nichts als die altbekannten Worthülsen, die schon zu oft von der gewalttätig-blutigen Realität überrollt wurden – sondern die Tatsache, dass Israelis und Palästinenser etwas gemeinsam zu sagen hatten und vor allem weiter verhandeln wollen. Am 12. Dezember 2007 sollen die Gespräche beginnen und bis Ende 2008 zu einem Endstatusabkommen führen – so als hätten sie nichts gelernt aus all den Zeitplänen der vergangenen zwei Jahrzehnte und ihren Folgen. Die israelische Außenministerin Zipi Livni meinte denn auch: „Wir werden uns bemühen, dieses Ziel zu erreichen. Und wenn wir’s nicht erreichen, verhandeln wir eben weiter.“

Selbst die größten Verfechter eines Erfolgs von Annapolis mahnen zur Nüchternheit. Präsident Bush hat den Konfliktparteien im Nahen Osten die volle Unterstützung seines Landes zugesagt, gleichzeitig aber betont, dass sie einen Frieden letztendlich selbst durch „Geduld und Flexibilität“ erarbeiten müssen. Ehud Olmert meinte nach seiner Rückkehr: „Annapolis ist kein historischer Wendepunkt, aber ein Punkt, der hilfreich sein könnte.“

Was also bleibt von dem Megatreffen in Annapolis? Ist „außer Spesen nichts gewesen“, wie ein Beobachter zynisch meinte? – Annapolis soll ein Neuanfang sein. Ein Neuanfang, der über Verhandlungen zu einem unabhängigen Palästinenserstaat führt. Insofern ist alles offen. Aber was ist neu in der Post-Annapolis-Ära, die der palästinensische Präsident Mahmud Abbas als historischen Einschnitt zu kennzeichnen suchte?

Israels UNO-Botschafter Dan Gillerman erklärte das Treffen von Annapolis unmittelbar nach den Eröffnungsreden zum „Gipfel der Hoffnung“ (wie er das wohl als Diplomat in Staatsdiensten zu tun hatte) und „Gipfel der Angst“. Und tatsächlich ist das irrationale Gefühl der Ausweglosigkeit, das wir gemeinhin als „Angst“ bezeichnen, wohl das Hauptmotiv, das ein so breites Spektrum von Mächtigen nach Maryland getrieben hat. Im besten Falle war es wohl die Angst um ein bleibendes Vermächtnis oder das politische Überleben. Im schlimmsten Falle die Erkenntnis, dass extremistische Kräfte noch nie so viel Land gewonnen hatten, wie in der jüngsten Zeit. Unter den arabischen Teilnehmern ist es zweifellos die Sorge um den zunehmenden Einfluss des Iran, die diese beispiellose Koalition ermöglicht hat.

Die eigentlichen Triebkräfte des Nahostkonflikts – die Hamas, die Hisbollah und der Iran – waren nicht vertreten. „Niemals werden wir Israel anerkennen“ skandierten deren Anhänger auf einer Massendemonstration in Gaza-Stadt. Es ist also nicht falsch, von einer „Koalition der Gemäßigten“ zu reden, die sich in Annapolis um einen gemeinsamen Nenner für eine gemeinsame Zukunft bemüht hat.

Aber sind es nicht die selbstverschuldeten Träume, die so oft zu Enttäuschungen geführt und neue Abgründe eröffnet haben? Dazu gehören Vorstellungen, wie etwa die von Präsident Bush, der meinte: „Wir glauben, dass Demokratie Frieden bringt!“ Hat er das Wahlergebnis der ersten wirklich freien – und von niemand angefochtenen! – Wahl des Nahen Ostens im Januar 2006 vergessen? Wie würden die Wahlergebnisse aussehen, würde man nicht nur den Palästinensern, sondern allen arabischen Völkern ihre netten Diktatoren nehmen und tatsächlich Demokratie verordnen?

Präsident Mahmud Abbas ist heute nur von Israels Gnaden Machthaber in einer Hälfte der Palästinensergebiete. Der Vorwurf, „Kollaborateur des Westens“ zu sein, schwebt wie eine dunkle Wolke über ihm und seinen Gefolgsleuten. Wenn die israelische Armee nicht die gesamte Westbank unter ihrer Kontrolle hätte, hätte dort die Hamas vielleicht ebenfalls die Macht ergreifen können.

Auch Ehud Olmert wird sich nach seiner Rückkehr der Realität stellen müssen. Schon am Rande der Konferenz hatte er offensichtlich eine Konfrontation mit orthodoxen amerikanischen Juden. Die monierten, dass der israelische Regierungschef in seiner Rede – im Gegensatz zu PLO-Chef Abbas – Jerusalem überhaupt nicht erwähnt hatte, und meinten: „Wenn Sie Jerusalem vergessen – können sie unsere Unterstützung vergessen.“ Worauf Olmert gekontert haben soll, dass ihm die Meinung dieser amerikanischen Juden egal sei.

Neben sozialen Problemen, einem seit mehr als einen Monat andauernden Lehrerstreik und Korruptionsvorwürfen, erwartet ihn eine wackelige Koalition, die vor allem der Mangel an einer wirklich attraktiven Alternative zusammenhält. Immerhin wehrte Olmerts rechtsgerichteter Koalitionspartner Avigdor Lieberman die Frage nach einem Austritt aus der Regierung lächelnd vom Tisch. Olmert habe ihm versichert, es werde erst zu ernsthaften Vereinbarungen mit den Palästinensern kommen, wenn Abu Masen auch über Gaza herrscht. Und da zeigt Lieberman sich gelassen: „Dass Abu Masen amerikanischer Präsident wird, ist wahrscheinlicher, als dass er über Gaza herrschen wird.“

Aber es gibt doch einen entscheidenden Unterschied zwischen Annapolis und allen vorangegangenen vergleichbaren Konferenzen. Seit einigen Jahren ist Israel in der Lage, eine fast totale Ruhe vor palästinensischem Terror auf militärischem Wege zu erzwingen – dank der „Apartheids-Mauer“, einer hervorragenden Arbeit der Geheimdienste und weil die Armee, wie schon erwähnt, überall im Westjordanland präsent ist. Wo früher militante Palästinenser in der Lage waren, politische Vereinbarungen durch Terror gegen Israel außer Kraft zu setzen, sind diesen Leuten heute weitgehend die Hände gebunden. Wenn Abbas in seiner Rede „eine Morgenröte für die Bewohner von Gaza“ und eine Zukunft ohne die Hamas versprach – rechnete er dann mit einem israelischen Einmarsch in dieses Gebiet? Immerhin traf sich Verteidigungsminister Ehud Barak noch mit den Amerikanern, um über Gaza zu beraten. Und ganz so nebensächlich, wie das Schweigen der internationalen Medien vielleicht suggeriert, ist es nicht, dass während des Annapolis-Wochenendes Dutzende von Raketen und Mörsergranaten auf Südisrael fielen und die israelische Armee immerhin 20 militante Palästinenser tötete.

Der eigentliche Erfolg des Fototermins von Annapolis aber war aus israelischer Sicht die Teilnahme von arabischen Staaten, wie etwa Saudi Arabiens oder des Libanon, die keine diplomatischen Beziehungen mit Israel haben. Die Vertreter Bahrains, Qatars, Marokkos und Pakistans schüttelten sogar Premierminister Olmert die Hand. Damit bröckelt die Wand der Isolation und des Boykotts, den diese arabischen Länder um den jüdischen Staat zu halten suchen, sichtbar.

Und schließlich war auch Syriens Vizeaußenminister Faisal Mekdad nach Annapolis gekommen – und hatte sich damit massivem Druck aus Teheran widersetzt. Ganz unabhängig davon, welche Forderungen Syrien stellt – dass dieses Land grundsätzlich dazu bereit ist, über Frieden mit dem Staat zu reden, den der iranische Präsident von der Landkarte wischen möchte, ist bemerkenswert und darf sehr wohl als Riss in der Achse Teheran-Damaskus-Südlibanon bezeichnet werden.

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