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Wie gefährlich ist der Iran?

In Israel schlug die Nachricht wie eine Bombe ein: Die Amerikaner haben ihre Sicht über den Iran verändert und glauben, dass die Mullahkratie 2003 die Entwicklung von Atomwaffen eingestellt hat – aufgrund internationalen Drucks. Der Bericht des "National Intelligence Estimate" (NIE), der Anfang der zweiten Dezemberwoche 2007 veröffentlicht wurde, ist eine Gemeinschaftsproduktion aller 16 Nachrichtendienstorganisationen der USA. Die Spionagechefs der USA jedenfalls mussten eine gehörige Portion Mut aufbringen, um diese Erkenntnis zu veröffentlichen, weil sie der Politik der Bush-Administration widerspricht.

Seit Jahren rätseln westliche Geheimdienste, wie lange der Iran noch braucht, um zur Atommacht zu werden. Das iranische Atomprogramm stammt aus der Zeit des Schahs und wurde mit Unterstützung Amerikas, Frankreichs, Deutschlands, Israels und einiger anderer Länder in Angriff genommen. Später hat dann der Vater der pakistanischen Atombombe, Dr. Abdul Kader Khan, die Pläne für den Bau von Zentrifugen geliefert, die für die Anreicherung von waffenfähigem Material notwendig sind.

Nach der iranischen Revolution von 1979 haben die für die Überwachung der atomaren Ambitionen des Iran zuständigen Behörden – die Internationale Atomenergiebehörde IAEA und die westlichen Nachrichtendienste – schlicht geschlafen. Letztendlich ist der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad zufällig über das iranische Atomprogramm gestolpert, weil er sich für den vermissten Luftwaffennavigator Ron Arad und die Aktivitäten der Hisbollah interessierte. An die Öffentlichkeit gelangte die Information über die Existenz eines iranischen Atomprogramms schließlich im Herbst 2002 über eine umstrittene Organisation iranischer Dissidenten, die schon öfter dazu benutzt wurde, geheimdienstliche Information zu „waschen“.

Seit Jahren rätseln nun Experten, wie viele Zentrifugen zur Anreicherung von Uran der Iran tatsächlich besitzt. Was ist Show und was stimmt von dem, was Ahmedinedschad vor laufender Kamera sagt? Über welches Know How verfügen die Wissenschaftler in Persien, und wie viel Glück werden sie haben, dieses dann auch in die Praxis umzusetzen? „Denn auch, wer theoretisch weiß, wie eine Atombombe gebaut wird, schafft das noch lange nicht“, weiß einer, der es wissen muss, dessen Name aber nicht veröffentlicht werden darf. Vorsichtig geht er davon aus, dass wir im Iran nur „die Spitze des Eisbergs“ sehen. Man munkelt von „mindestens zwei Dutzend Nuklearanlagen“ im Iran.

Der Weg von einem Sprengsatz zu einer kriegsfähigen Bombe ist weit und nicht unkompliziert. Vergleichswerte um Voraussagen machen zu können, bekommen die Experten beispielsweise aus der Entwicklung Pakistans, das dieselbe Technologie verwendet hat, um seine Atombombe zu bauen. Nordkorea hat einen atomaren Sprengsatz gezündet, ist aber noch nicht in der Lage, eine Bombe zu bauen, die im Krieg eingesetzt werden könnte. „Optimistische“ Einschätzungen gehen davon aus, dass der Iran bis 2010 eine Atombombe bauen kann – aber es könnte auch noch einige Jahre länger dauern.

Auch wenn es stimmen sollte, dass der Iran sein Atomwaffenprogramm seit 2003 eingefroren hat, wäre das Land damit noch lange nicht ungefährlich. Seine Einstellung gegenüber dem Westen und insbesondere Israel ist bekannt. Auch hat er nach wie vor ein immenses Arsenal an Langstreckenraketen und Massenvernichtungswaffen. Außerdem sagt der US-Bericht nicht, dass der Iran sein ziviles Programm zur Anreicherung von Uran eingestellt hat, das zu einem späteren Zeitpunkt leicht für militärische Zwecke genutzt werden könnte.

Irans Präsident Mahmud Ahmedinedschad bezeichnete den Bericht als Sieg für den Iran. Russland und China meinten spontan, jetzt müssten die Sanktionen gegen den Iran neu überdacht werden. Wogegen der EU-Botschafter in Israel, Ramiro Cibrián-Uzal, zu bedenken gab, dass der Iran, auch wenn die US-Einschätzung stimmen sollte, trotzdem noch gegen das Abkommen zur Nichtverbreitung von Nuklearmaterial verstoßen habe – was Sanktionen nach wie vor rechtfertige.

Politiker und die Medien in Israel reagierten auf den US-Bericht mit der Aussage, nichts habe sich verändert. Außenministerin Zipi Livni befürchtet gar, der Iran könne jetzt seine Entwicklung von Nuklearwaffen geheim weiterführen. Staatspräsident Schimon Peres, der „Vater des israelischen Atomprogramms“, warnt, dass nachrichtendienstliche Einschätzungen auch ungenau sein können und „wir eines Tages aufwachen und einen nuklearen Iran vor uns haben werden“. Israels Minister für strategische Angelegenheiten, Avigdor Lieberman, bezeichnete den NIE-Bericht schlichtweg als „irrelevant“ und betonte, dass niemand wirklich wisse, wie lange der Iran braucht, um eine Atombombe herstellen zu können.

Die US-Nachrichtendienstler begründen ihre jüngste Einschätzung mit Notizen, die sie von iranischen Militärs erhalten haben, sowie Gesprächen von iranischen Vertretern, die abgehört wurden. Bei der Auswertung des Materials wurde auch die Möglichkeit erwogen, dass diese Informationen das Ergebnis einer iranischen Desinformationskampagne sind. Israelische Nachrichtendienstler betonen, dass nicht nur eine Unterschätzung der Fähigkeiten des Iran ein Geheimdienstversagen darstellt, sondern auch eine Überschätzung, und erklären, dass Fehleinschätzungen in beide Richtungen fatale Folgen haben können – was nicht zuletzt das nachrichtendienstliche Desaster im Vorfeld des amerikanischen Einmarschs im Irak verdeutlicht.

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