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Wie ein Rabbi für den Glauben argumentiert

Gottes Existenz ist logisch, meint der israelische Rabbi Mosche Ratt. Im pro-Interview erklärt er, warum er den Glauben für rational hält – und dass der Islam in der Pubertät steckt.
Dr. Mosche Ratt (36 Jahre) stammt aus einer jüdisch-orthodoxen israelischen Familie. Er hat unter anderem allgemeine Philosophie studiert. Sein Buch „Einfach glauben“ erschien bislang nur auf Hebräisch.

Israelnetz: Rabbi Ratt, Sie haben ein Buch mit dem Titel „Einfach glauben“ geschrieben. Warum ist Ihrer Meinung nach Glauben einfach?

Mosche Ratt: Einfach glauben, weil der Glaube ein untrennbarer Bestandteil der menschlichen Existenz ist. Jeder glaubt an etwas. Deshalb ist die Frage nur, an was man glauben soll und welche Glaubensrichtungen sinnvoller sind als andere. Was ich in dem Buch zu zeigen versuche, ist, dass der religiöse Glaube vernünftiger, logischer und erfolgreicher ist als der atheistisch-materialistische.

Der Untertitel des Buches lautet: „Führer für den rationalen Gläubigen“. Atheisten rühmen sich oft, besonders rational zu sein. Passen Glaube und Rationalität zusammen?

Auf jeden Fall. Rationalität bedeutet, alle Faktoren in Betracht zu ziehen. Wenn man das tut, stellt sich heraus, dass der Glaube ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Bewusstseins ist und man ihn nicht ignorieren kann. Die Atheisten hingegen sind nicht zwangsläufig rational, sie schließen sich lediglich einem engen Weltbild an, das nur den empirischen Raum enthält, und leugnen alles, was nicht in den Lichtkreis der Wissenschaft fällt. Darin liegt nichts besonders Rationales – im Gegenteil, die Logik deutet darauf hin, dass die Wirklichkeit umfassender und reicher ist als das, was uns im Augenblick bekannt ist, und das ist der Raum, der dem Glauben gehört.

Beschreiben Sie uns kurz, was und an wen Sie glauben.

Als Jude glaube ich an den Ewigen, den Gott Israels, und an die Grundsätze des jüdischen Glaubens: Tora, die vom Himmel kommt, Lohn und Strafe für die Taten der Menschen, die kommende Welt und ähnliches. Ebenso glaube ich, dass die Wirklichkeit, die wir mit den Sinnen erfassen, nur ein kleiner Teil von dem ist, was wirklich existiert, und dass es noch viele andere Welten, Dimensionen und Existenzebenen gibt.

Mit Atheisten gehen Sie nicht gerade sanft um. Sie setzen Atheismus mit Autismus gleich, was auch Autisten als herabwürdigend empfinden könnten. An einer anderen Stelle bezeichnen Sie es als albern, sich damit zu befassen. Haben Sie solche Aussagen schon einmal in einer direkten Konfrontation mit Menschen gemacht, die an keinen Gott glauben?

Atheisten verachten oft Religiöse, behaupten, dass sie an einen Fantasiefreund glauben, vergleichen Gott mit dem Fliegenden Spaghettimonster und so weiter. Deshalb sollten sie sich nicht beklagen, wenn man ihnen im selben Stil antwortet. Zur Sache selbst: Ich denke in der Tat, dass Atheismus eine Art Verschließen gegenüber der Wirklichkeit ist, und eine Unfähigkeit, das Göttliche zu empfinden. Thomas Nagel, ein bekannter atheistischer Philosoph, hat etwas Ähnliches gesagt – er sagte, dass ihm der „sensus divinatis“ fehle, der es Gläubigen ermöglicht, die Wirklichkeit Gottes zu empfinden, die in der Welt zum Vorschein kommt. Atheisten mögen es zwar nicht, wenn man ihnen solche Dinge sagt, aber es ist die Wahrheit.

Kompakt: Die Unterschiede zwischen Christentum und Judentum

Foto: pro
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Der britische Gelehrte John Lennox sagte vor einigen Jahren in einem Interview des Christlichen Medienmagazins pro, Richard Dawkins wolle seiner Ansicht nach die Atheisten in ihrem Glauben stärken. Wie bewerten Sie diese Aussage?

Ich denke, dass das stimmt. Atheismus ist definitiv eine Art Glaube, an dem festzuhalten nicht leicht ist. Deshalb investieren Leute wie Dawkins und seine Kollegen viele Anstrengungen, um Menschen zu überzeugen, an diesem Glauben festzuhalten.

Sie haben allgemeine Philosophie studiert. In Ihrer Argumentation für den Glauben verweisen Sie auch auf christliche Denker wie Gilbert Keith Chesterton, den Sie gar als Vorbild für den jüdischen Kampf gegen den Atheismus bezeichnen. Waren Sie schon einmal in der Versuchung, den christlichen Glauben anzunehmen?

Ich habe nicht wenige Schriften von christlichen Denkern und Philosophen gelesen. Ein Teil macht eine sehr gute Arbeit, aber ich denke nicht, dass das Christentum im Vergleich zum Judentum eine ausreichend rationale Grundlage hat. Das Christentum ist zwar aus dem Judentum entstanden und glaubt an die Offenbarung am Sinai und an die damit verbundene Massenoffenbarung. Aber es behauptet, dass Gott in der Folge seine Meinung geändert und das Judentum durch das Christentum ersetzt habe. Ich würde erwarten, dass, wenn es wirklich geschähe, Gott eine weitere Massenoffenbarung im Maßstab der Offenbarung am Sinai initiieren und darin alle über die Aktualisierung informieren würde.

Warum sollten wir einem einzelnen Mann glauben, der kommt und behauptet, dass er im Namen Gottes spricht und dass Gott plötzlich seine Meinung geändert und alle früheren Gebote der Tora aufgehoben habe? Selbst wenn er Wunder tut, ist das kein Beweis dafür, dass der Ewige ihn gesandt hat, denn in der Tora steht geschrieben, dass ein Lügenprophet kommen wird und Wunder vollbringen kann. Wenn wir jedem Menschen glauben, der behauptet, dass der Ewige sich ihm offenbart habe, warum dann gerade Jesus? Warum nicht Mohammed oder dem Gründer der Mormonen, Joseph Smith? Das Judentum ist die einzige Religion, die auf einer Massenoffenbarung basiert und nicht auf den Worten eines einzelnen Menschen wie die übrigen Religionen. Deshalb ist es die rationale Entscheidung, ihm zu glauben.

Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Unterschiede zwischen Judentum und Christentum?

Es gibt natürlich Unterschiede im Bereich der Theologie. Das Judentum, wie ich dargelegt habe, basiert mehr auf Logik und Wissen, während das Christentum mehr Glauben fordert. Das Judentum strebt nicht danach, eine weltumfassende Religion zu sein, sondern es ist allein die Religion des Volkes Israel und derjenigen, die sich ihm anschließen wollen. Alle anderen Menschen können in die kommende Welt gelangen, wenn sie sieben grundlegende Gebote halten.

Also die sogenannten sieben noachidischen Gebote, die aus der Zeit Noahs abgeleitet werden.

Hingegen ist im Christentum der einzige Weg, um in den Garten Eden zu gelangen, der Weg des Glaubens an Jesus, und jeder, der nicht an ihn glaubt, selbst wenn er ein guter und geradliniger Mensch ist, wird für alle Ewigkeiten in die Hölle gehen.

Und auf der praktischen Seite?

Da fordert das Judentum vom Menschen, in allen seinen Lebensbereichen genau die Gebote einzuhalten, was ihn in jedem Augenblick seines Lebens mit dem Ewigen verbindet, während das Christentum dem Menschen nicht viele Gebote auferlegt außer den Glauben selbst.

Am Beginn eines Kapitels zitieren Sie eine Szene aus dem Buch „Der König von Narnia“ von dem christlichen Autor C. S. Lewis. Können Sie sich vorstellen, dass es – wie in den „Narnia“-Chroniken, „um die Ecke“ andere Welten gibt?

Ja, ich glaube entschieden, dass es solche Welten gibt. Was ich bei Lewis liebe, ist die Art, in der er Fantasy nutzt, um den religiösen Glauben zu stärken. Letztlich sprechen sowohl Fantasy als auch Religion von Welten, die jenseits unserer Welt existieren, von einer umfassenden Wirklichkeit, in der alles möglich ist. Deshalb passen sie gut zusammen. Nicht durch Zufall waren sowohl Lewis als auch der Schriftsteller J. R. R. Tolkien, die beiden Väter der modernen Fantasy, sehr religiöse Menschen.

In dem Buch bringen Sie viele Argumente für einen religiösen Glauben. Was ist aus Ihrer Sicht das am meisten einleuchtende Argument dafür, dass es einen Gott gibt?

Ich denke, dass eine einfache Betrachtung der Wirklichkeit davon zeugt, dass dahinter ein verstandesmäßiger Wille steckt. Die Erscheinung des Universums, des Lebens, des Menschen, des Bewusstseins, die Entwicklung der Menschheit selbst – all das sind Stufen in einem Prozess, in dem die Wirklichkeit immer komplizierter, vollkommener und wunderbarer wird. Das ist genau das, was zu einer theistischen Weltauffassung passt und nicht mit dem materialistischen Bild zusammenpasst, nach dem alles durch Zufall entstanden ist.

Wie beurteilen Sie insgesamt den Islam, auch angesichts der islamistisch motivierten Anschläge?

Der Islam ist noch eine relativ junge Religion. Wenn wir sagen, dass alle 100 Jahre in der Entwicklung einer Religion so viel wert sind wie ein Jahr im Leben eines Menschen, dann ist das Judentum 33 Jahre alt, das Christentum 20, der Islam aber erst 14. Deshalb verhält er sich wie ein Jugendlicher am Anfang der Pubertät. Er ist sicher, dass er alles weiß, und reagiert mit Gewalt und mit Aggressivität auf jeden, der ihm etwas anderes sagt. Ich hoffe, dass der Islam diese Phase erfolgreich überwindet und eine reifere Form des Glaubens erreicht, ähnlich wie der Prozess, den Judentum und Christentum durchgemacht haben, damit er der Welt Segen bringen kann und nicht Fluch.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Elisabeth Hausen

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