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Wider das Vergessen: Neues Holocaustmuseum in Yad Vashem

„Jeder Mensch hat einen Namen, den ihm Gott gegeben hat.“ Das Kinder-Mundharmonika-Orchester aus Ramat Gan brachte im Rahmen der hochkarätigen Feierstunde musikalisch erstklassig auf den Punkt, worum es in Israels zentraler Holocaustgedenkstätte „Yad Vashem“, zu Deutsch „Gedenken und Namen“, geht, nämlich, dass die Namen derer, die dem Massenvernichtungswahn der Nazis zum Opfer fielen, nicht vergessen werden.

Zur Eröffnung des neuen Museums in Yad Vashem am 15. März 2005 waren Staats- und Regierungschefs aus mindestens 17 Ländern angereist. Insgesamt waren zum „größten internationalen Ereignis in Israel seit der Beerdigung von Jitzhak Rabin“, wie ein Sprecher des israelischen Außenministeriums feststellte, hochrangige Gäste und Delegationen aus mehr als 35 Staaten gekommen. Die deutsche Regierung war durch Bundesaußenminister Joschka Fischer vertreten. Die Jerusalemer Bürger nahmen dieses weltweite Interesse am Holocaust vor allem in Form eines Dauerstaus in weiten Teilen ihrer Stadt am Einweihungstag wahr.

Wie ein Pfeil bohrt sich das 180 Meter lange, dreieckige Gebäude nach zehn Jahren Bauzeit durch den Berg, auf dem Yad Vashem liegt. Die mehr als 4.200 Quadratmeter Ausstellungsfläche liegen zum großen Teil unterirdisch. Nach dem Gang durch das ausschließlich aus Beton gebaute Museum steht man vor einem riesigen, dreieckigen Fenster. „Das ist das Ende der Geschichte des Holocaust“, erklärt der Architekt, Mosche Safdie, den Blick auf das jüdische Jerusalem und seine Berge.

Der Kurator und Vorsitzende von Yad Vashem, Avner Schalev, betont, dass dieses neue Museum die Geschichte der „Scho’ah“, wie das traumatischste Erlebnis des modernen Judentums auf Hebräisch genannt wird, aus einer einzigartigen jüdischen Perspektive erzählt. Professor Schevach Weiß, der Vorsitzende das Yad Vashem-Rates, betonte in seiner Eröffnungsansprache, das dies mehr als ein Museum sei, „ein unablässiger Schrei gegen das Böse“.

Israels Staatspräsident Mosche Katzav erinnerte an diejenigen, die zwar den Holocaust überlebten, denen es aber nicht gelang, ein neues Leben aufzubauen, sei es aufgrund der psychischen Schäden, die sie aus der Scho´ah mitbrachten, sei es, weil sie in den Kriegen Israels ihr Leben lassen mussten. Premierminister Ariel Scharon konstatierte, dass der Staat Israel der einzige Ort auf der Welt sei, an dem sich Juden selbst schützen könnten: „Der Staat Israel ist das einzige Unterpfand dafür, dass so etwas nie mehr passieren wird.“

UNO-Generalsekretär Kofi Annan war mit seiner Frau Nane angereist, deren Onkel, Raoul Wallenberg, als schwedischer Diplomat während des Zweiten Weltkrieges 100.000 ungarische Juden retten konnte, bevor er von den Sowjets verschleppt wurde. „Wenn die Vereinten Nationen nicht in vorderster Front im Kampf gegen Antisemitismus und jede Form von Rassismus stehen, verleugnen sie ihre Geschichte“, nahm der Profidiplomat aus israelischer Sicht den Mund wohl etwas voll. Dass die UNO Zionismus einmal als Rassismus verurteilt hat, ist im jüdischen Staat unvergessen.

Im Vorfeld der Eröffnungsfeierlichkeiten war es auf einer gemeinsamen Pressekonferenz des israelischen Außenministeriums und Yad Vashems zum öffentlichen Eklat zwischen den beiden Sponsoren der Museumseröffnung gekommen. Der Generaldirektor des Außenministeriums, Ron Prosor, wollte den Staat Israel als einzig mögliche Antwort auf den Holocaust verstanden wissen. Avner Schalev dagegen betonte, die zionistische Antwort sei lediglich eine Möglichkeit, während beispielsweise die Existenz einer jüdischen Gemeinde in New York nicht weniger legitim sei.

Einer der bekanntesten Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz, Elie Wiesel, verlieh seiner Sprachlosigkeit angesichts des unfassbar Schrecklichen eloquent Ausdruck. „Das war nicht ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, polterte der Literaturnobelpreisträger, „das war ein Verbrechen gegen die Juden!“ Und im Blick auf die Schlussstrichbefürworter auf Opfer- wie Täterseite: „Wir müssen uns den Erinnerungen stellen. Wenn wir sie verdrängen, werden sie uns verfolgen.“

Yad Vashem ist eine staatliche Einrichtung Israels, wie etwa die Rundfunkbehörde oder die Altertumsbehörde. Seit seiner Gründung 1953 stand der Name „Yad Vashem“ vor allem für das Holocaustmuseum, die Ehrung der „Gerechten unter den Völkern“ und die Archivierung von Zeugnissen von Überlebenden.

Angestachelt durch die Konkurrenz der Holocaust-Museen in Washington und Berlin verkündete Yad Vashem vor etwa zehn Jahren einen mit 100 Millionen US-Dollar dotierten Ausbauplan, inklusive eines neuen Museums und einer „Internationalen Schule für Holocaust-Studien“. Der Staat Israel verpflichtete sich zu einer Beihilfe von 10 Prozent, der Rest der Gelder kam von privaten Spendern. Der Gesamthaushalt der Holocaustgedenkstätte beläuft sich jährlich auf 95 Millionen US-Dollar, wobei 15 Millionen von der israelischen Regierung kommen, 25 Millionen von der Claims-Konference und der Rest von Spendern aus dem Ausland.

In Deutschland hat sich ein „Freundeskreis von Yad Vashem e.V.“ formiert, dem die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth und Albrecht Fürst zu Castell-Castell vorstehen. Dieser Freundeskreis hat sich zum Ziel gesetzt, in Deutschland aufklärend im Blick auf die deutsche Vergangenheit und gegen Antisemitismus und Rassismus tätig zu werden.

Kontaktadresse:
Büro des Freundeskreises von Yad Vashem e.V.
Große Bockenheimer Str. 33-35
60313 Frankfurt/Main
Telefon/Fax: 069 29 72 45 94

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