„Israel sieht sich ungewöhnlich massiver Kritik vonseiten westlicher Regierungen und Medien ausgesetzt – in einer Intensität, die selbst verbrecherische Diktaturen kaum je über sich ergehen lassen mussten“, schreibt Herzinger. Als Beispiel nennt er die schnelle Forderung der EU nach einem Ende der Gaza-Blockade infolge der Razzia auf der „Mavi Marmara“. „Dass die treibenden Kräfte hinter der Aktion der angeblichen ‚Friedensaktivisten‘ in Wahrheit militante türkische Organisationen mit engen Verbindungen zur radikal-islamischen Hamas waren, hat bei westlichen Politikern und Medien weit weniger Irritation ausgelöst als die vermutete ‚Überreaktion‘ Israels. Und gänzlich unbehelligt blieb die türkische Regierung, die das vermeintliche Hilfsschiff ‚Mavi Marmara‘ von einem türkischen Hafen aus und unter türkischer Flagge zu seiner provokatorischen Mission aufbrechen ließ, ja diese sogar ausdrücklich unterstützte und mit wütenden antiisraelischen Parolen untermalte.“
In dem Artikel unter der Überschrift „Lässt der Westen Israel fallen?“ geht der Autor auch auf die Folgekonferenz zum Atomwaffensperrvertrag im Mai ein. Bei dem Kongress in New York unterzeichneten die USA eine Abschlussresolution, „die nur die Atombewaffnung Israels namentlich infrage stellt, das bedrohliche iranische Atomprogramm dagegen unerwähnt lässt. Diesen Loyalitätsbruch gegenüber ihrem langjährigen, treuesten Verbündeten im Nahen Osten, verbunden mit einer demütigenden Konzession an das antisemitische und amerikafeindliche Regime in Teheran, begründeten die USA damit, die arabischen Staaten hätten andernfalls die Teilnahme an einer weiteren Atomkonferenz verweigert“.
Herzinger folgert hieraus: „Diese Bereitschaft, dem Druck israelfeindlicher Kräfte nachzugeben – unter die sich mit der Türkei nun auch noch ein wichtiger strategischer Verbündeter des Westens eingereiht hat -, zeigt: Die herausgehobene Beziehung zu Israel passt der westlichen Politik nicht mehr ins Konzept – sie erscheint ihr vielmehr zunehmend als Hindernis bei der angestrebten Annäherung an die ‚islamische Welt‘.“
„Holocaust wird an den Rand gedrängt“
Zudem schwinde im Westen die „Wahrnehmung des Holocaust als Bezugspunkt eines absoluten moralischen Imperativs, der – wenn auch keineswegs ausschließlich – die besondere Beziehung zu Israel begründet“. Der „Welt“-Autor spricht von einer „Opferkonkurrenz“ und einem „Holocaustneid“ in Ländern, die in ihrer Geschichte unter Kolonialisierung zu leiden hatten: „Der europäische Sklavenhandel in Afrika etwa die jahrhundertelange innerafrikanische und arabisch-islamische Sklaverei wird dabei wohlweislich verschwiegen -, aber auch die angebliche ‚Vertreibung‘ der Palästinenser als Voraussetzung für die Gründung des Staates Israel 1948 sollen gemäß einer Ideologie des Antikolonialismus, die sich in manchen UN-Gremien wie dem Menschenrechtsrat bereits weitgehend durchgesetzt hat, in der internationalen Gedächtniskultur mindestens den gleichen Status als Menschheitsverbrechen erhalten wie der Holocaust. Es werden dafür sogar Begriffe geprägt, die dem der ‚Schoah‘ entsprechen sollen – ‚Yovoda‘ für die Sklaverei, ‚Nakba‘ für das Unrecht an den Palästinensern.“
Während sich der Westen trotz der gemeinsamen demokratischen Werte von Israel abwende, orientiere sich der jüdische Staat auf der Suche nach neuen Bündnispartnern in Richtung Indien, stellt Herzinger fest. Die bestehenden Beziehungen ließen „islamistische Extremisten bereits eine Verschwörung von ‚hindu-zionistischen Kreuzzüglern‘ wittern“. Gemeinsamkeiten zwischen Die beiden Staaten verbinde nicht nur ein enormes Potenzial an Hochtechnologie-Entwicklung. „Mit Israel teilt Indien zudem das Bewusstsein der unmittelbaren Bedrohung durch islamistischen Extremismus und Terrorismus. Indien blickt dabei vor allem auf Pakistan, hat aber großes Interesse daran, den islamistischen Einfluss im gesamten Nahen Osten sowie in Ostafrika zurückzudrängen.“
In der israelisch-indischen Zusammenarbeit sieht Herzinger zudem einen Anknüpfungspunkt für eine „Erneuerung des strategischen Bündnisses zwischen den USA und Israel“. Denn auch die Vereinigten Staaten setzten auf Indien als langfristigen Partner, um ein Gegengewicht zu China zu erhalten. „Die enge Kooperation zwischen Indien und Israel findet daher den ungeteilten Beifall der USA und macht für sie Israel als Bindeglied zur potenziellen Weltmacht Indien interessant.“ Zu Europa bemerkt der Verfasser abschließend: „Da es derzeit eher gegen seinen politischen und ökonomischen Niedergang ankämpfen muss, könnte es ihm irgendwann sogar einmal leidtun, Israel in einer kritischen Situation wie der jetzigen mit solch ultimativ fordernder Herablassung behandelt zu haben.“
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