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„Weihnachten 2004“ in Bethlehem

Trostlos, verregnet und verschlafen präsentiert sich Bethlehem in der Vorweihnachtszeit 2004. Die schwarze Flagge am „Bethlehem Peace Center“ auf dem Krippenplatz hat sich verheddert. Wegen der traditionellen Trauerzeit um Palästinenserpräsident Jasser Arafat hat die Stadtverwaltung der Geburtsstadt Jesu bislang auf jeden Weihnachtsschmuck verzichtet.

Nur der vier Meter hohe Gummi-Nikolaus vor dem „Jumana Gifts Center“ (Foto) in der Krippenstraße erinnert daran, dass eigentlich eine besondere Stimmung im Anzug sein sollte. Auf den eher mageren Regalen prangt neben billigem Weihnachtskitsch und moderner Popmusik eine CD mit Arafat-Liedern. Der Händler winkt müde lächelnd ab: „Abu Ammar – wie Arafat landläufig genannt wird – ist Vergangenheit!“

Tatsächlich endet die Trauerzeit termingerecht am 22. Dezember – „und dann werden wir das Christfest feiern, wie jedes Jahr“, beteuert Hanna Nasser, Bethlehems Bürgermeister. „Der Christbaum wird aufgestellt, die Straßen werden dekoriert und natürlich werden die Weihnachtschöre auf dem Krippenplatz auftreten.“

„Bethlehem ist einzigartig, die Stadt des Friedens – der aber noch immer der Frieden fehlt.“ Das alte Klagelied über die herzlose Besatzung, und wie gut alles wäre, wenn die brutalen Israelis endlich abziehen würden, wird nicht nur von Hanna Nasser, sondern auch von anderen seiner christlich-palästinensischen Mitbürger angestimmt.

„Es gibt nichts Neues unter der Sonne!“ Mit dem Wort des alten israelitischen Predigers kommentiert der Muslim Adel das Weihnachtsfest auf Hebräisch. Wie alle Jahre wärmen sich die Journalisten auf der Suche nach einer neuen Weihnachts-Story in dem Restaurant am Rande des Krippenplatzes auf und genießen Adels legendäre „beste Hähnchen in Bethlehem“. Er reibt sich die kalten Hände und schaut in das trübe Regenwetter hinaus: „Auch in diesem Jahr werden kaum Touristen kommen…“ Die Reisegruppe aus Nigeria, die sich fröstelnd vor der Geburtskirche um ihren Tourguide drängt, wurde von der israelischen Regierung subventioniert und bringt den Händlern am Krippenplatz nichts ein.

Neu sind aber viele Straßen in Bethlehem. Auch das Paradise-Hotel, das vor drei Jahren durch Panzergranaten schwer beschädigt wurde, wird renoviert. Nur die Einschüsse an der Geburtskirche zeugen als Narben von kämpferischen Zeiten. Ein Novum wird auch sein, dass am Heiligen Abend in der ersten Reihe der Christmette in der Geburtskirche kein leerer Stuhl für den „Rais“, den Palästinenserpräsidenten, mehr stehen wird. Das traditionelle Gerangel um einen Arafat-Besuch an Heiligabend in Bethlehem gehört endgültig der Geschichte an. Bürgermeister Nasser weiß, dass ein Vertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde anwesend sein wird. Wer es ist, weiß er indes noch nicht.

Und, wer weiß, vielleicht wird Weihnachten 2004 ja weniger „Politweihnacht“ als in den vergangenen Jahren? Da hatten sich Christen dadurch hervorgetan, einseitig die Gewalt der israelischen Besatzung anzuprangern – ohne den Balken im eigenen Auge, den palästinensischen Selbstmordterror, auch nur eines Wortes zu würdigen. Vielleicht wird der Wunsch in diesem Jahr ja wahr, der auf der Straße im nahegelegenen Beit Dschalla geäußert wird, nämlich, dass sich die Menschen auf das Eigentliche des Christfestes besinnen, auf das Kind, das vor zweitausend Jahren in der Krippe lag, um Schuld und Sünde dieser Welt zu bezwingen.

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