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Was nun, Herr Olmert?

Israel sieht sich der unmittelbaren Bedrohung durch einen nuklear aufgerüsteten und der Vernichtung des Judenstaates verpflichteten radikal-islamischen Iran gegenüber. Daneben steht aber vor allem die Bedrohung der jüdischen und demokratischen Identität des Staates Israel durch das Gespenst einer arabischen Bevölkerungsmehrheit innerhalb der eigenen Grenzen. Dass die demografische Entwicklung eine genauso reale Existenzbedrohung des jüdischen Staates ist wie das wütende Schnauben des iranischen Präsidenten, war Hauptanliegen Olmerts bei seinem Besuch in den USA.

Premierminister Ehud Olmert sieht als einzigen Weg, der demografischen Herausforderung zu begegnen, die einseitige Trennung von den Palästinensern. Je nach propagandistischer Absicht wird dieser Plan von seinen Gegner oder Befürwortern als „Abkoppelung“, „Loslösung“, „Zusammenlaufen“, „Annäherung“, „Konvergenz“ oder auch „Vertreibung“ und „ethnische Säuberung“ bezeichnet. Der babylonischen Verwirrung scheinen keine Grenzen gesetzt.

Gegenüber der „New York Times“ bezeichnete Ehud Olmert seinen Konvergenzplan als „dynamisches Konzept“, bei dem es noch viel auszubügeln gebe, was vor allem daraufhin deutet, dass im Blick auf die praktische Umsetzung noch vieles unsicher und ungeklärt ist. Letztendlich geht es der Regierung Olmert jedoch darum, einseitig eine Grenze zu den Palästinensergebieten festlegen, die vor allem den Zweck hat, eine jüdische Mehrheit im Staat Israel zu garantieren und Israel von der Verantwortung für die Palästinenser zu befreien, die durch die Besatzung entstanden ist.

Nach Ansicht des israelischen Regierungschefs hätte deshalb der Rückzug im August vergangenen Jahres umfassender sein und größere Gebiete im Westjordanland, dem biblischen Judäa und Samaria, einschließen sollen. Insider munkeln, der Scharon-Nachfolger hätte nicht nur vier Siedlungen in Nordsamaria räumen wollen, sondern insgesamt 17 Siedlungen, wodurch alle jüdischen Bewohner zwischen Ramallah und Dschenin evakuiert worden wären. Siedlerführern, die ihrer Sorge über die innere Zerrissenheit der israelischen Bevölkerung in Folge des Gazarückzugs Ausdruck verliehen, sagte Ehud Olmert am Vorabend seines US-Besuchs: „Wir werden nicht alles halten können, was wir heute in Händen halten.“

Israelische Medien spekulieren jetzt darüber, wie viele Siedlungen in Judäa und Samaria letztendlich tatsächlich geräumt werden. Wenn der Sicherheitszaun die Grenze zum einseitig von Israel erklärten palästinensischen Territorium wäre, müssten mehr als 55 Siedlungen und 70.000 israelische Siedler evakuiert werden. Doch Berater von Olmert versichern anonym, dass diese Zahlen übertrieben seien und reden von 20 bis 30 jüdischen Ortschaften, die verlegt werden sollen. Einige Siedler seien gar schon in Regierungsbüros erschienen und hätten eine freiwillige Räumung angeboten, sollten ihnen dafür Reparationen bezahlt werden.

Bei Palästinensern, den arabischen Staaten und in Europa stoßen die Absichtserklärungen der neuen israelischen Regierung auf heftigen Widerstand. So meinte der französische Außenminister Philippe Douste-Blazy während eines Besuchs in Israel, sein Land sei gegen eine einseitige Festlegung der Grenzen zwischen Israelis und Palästinensern. Frankreich unterstütze vielmehr Gespräche zwischen Olmert und dem als gemäßigt geltenden Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas, dessen Macht auf den palästinensischen Straßen allerdings immer mehr zu schwinden scheint.

Auch Jordaniens König Abdallah meldete sich in einem Brief an US-Präsident Bush zu Wort und warnte vor einseitigen Aktionen Israels, die „negative Auswirkungen auf die Palästinenser, Araber und islamische Welt“ haben könnten. Dem Haschemitenherrscher dürfte vor allem eine gemeinsame Jordangrenze mit einem Palästinenserstaat ein Dorn im Auge sein. Das könnte Auswirkungen auf seine eigene palästinensische Bevölkerungsmehrheit haben, die seit jeher eine Bedrohung für das aus Saudi-Arabien stammende Königshaus ist. Dass hinter den Selbstmordattentätern von Dahab auf der ägyptischen Sinaihalbinsel am 24. April jetzt palästinensische Drahtzieher identifiziert wurden, ist kein gutes Omen für potentielle Nachbarstaaten eines unabhängigen Palästina.

Spätestens seit Ehud Olmerts Besuch in Washington betonen israelische Regierungsvertreter verstärkt, Israel sei zu einer bilateralen Lösung bereit, sollte Mahmud Abbas seine Wahlversprechen einlösen. Dazu rechnen die Israelis an erster Stelle eine Auflösung der Terror-Organisationen, zu denen auch die regierende Hamas gehört. Der Weg zu Verhandlungen steht den Palästinensern aus Sicht Israels unter den drei Bedingungen offen, die das internationale Quartett (USA, Russland, EU und UN) formuliert haben: Anerkennung Israels, Absage an den Terror und Anerkennung früherer Abmachungen.

Gegenüber Amerikas Außenministerin Condoleezza Rice sprach der israelische Regierungschef von sechs bis neun Monaten, die er den Palästinensern geben wolle, um mit Israel in Verhandlungen einzusteigen, der stellvertretende Premier Schimon Peres will der Hamasregierung bis zu zwölf Monaten geben, um sich für Gespräche zu öffnen. Dass es Israel mit der Verhandlungsoption ernst ist, hat das Treffen von Außenministerin Zipi Livni und Vizepremier Schimon Peres Mitte Mai im ägyptischen Scharm el-Scheich mit dem palästinensischen Autonomievorsitzenden Mahmud Abbas gezeigt.

Mit seiner Amerika-Visite in der zweiten Maihälfte hat Israels neuer Premier einen diplomatischen Marathon begonnen, der ihn über Europa auch in die Nachbarländer Ägypten und Jordanien führen wird. Olmert hofft, seine Gesprächspartner von den Vorteilen seines Planes auf dem Weg zu einer Zweistaatenlösung überzeugen zu können.

Doch der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern geht mit niederer Intensität täglich weiter, auch wenn sich selbst in israelischen Medien eine gewisse Müdigkeit bemerkbar macht, jeden Vorfall zu melden. Täglich fallen Kassamraketen vom Gazastreifen aus auf den nördlichen Negev – und in letzter Zeit sind es gar vereinzelt die gefürchteten Katjuscharaketen, die seit Jahren von der Hisbollah an Israels Nordgrenze eingesetzt werden und eine doppelt so große Reichweite haben, wie die Kassams „Made in Palestine“.

Dafür verantwortlich meldet sich meist der Palästinensische Islamische Dschihad, die der Fatah nahe stehenden Al-Aksa-Märtyrer-Brigaden oder die Volksbefreiungskomittees, die sich in den vergangenen Monaten im Gazastreifen formiert haben. Der Dschihad wird ebenso wie die Hisbollah im Südlibanon vom Iran durch syrische Kanäle unterstützt. Die Hamas hat sich bislang konsequent an ihr „Stillhalten“ gehalten, das sie in Folge des Gipfels von Scharm el-Scheich im Februar des letzten Jahres verkündigt hatte.

Täglich ist auch von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen israelischer Armee und palästinensischen Aktivisten zu hören, bei denen immer wieder Palästinenser getötet werden. Allerdings kommen momentan mehr Palästinenser bei innerpalästinensischen Auseinandersetzungen ums Leben, als im Kampf gegen Israel.

Die Grenzübergänge zum Gazastreifen werden von israelischen Sicherheitskräften immer wieder geöffnet und geschlossen, je nachdem, ob Warnungen von bevorstehenden Terroranschlägen vorliegen. Verteidigungsminister Amir Peretz wird nicht müde, zu betonen: „Unser Krieg gilt dem Terror, nicht den Bewohnern des Gazastreifens.“

Das relative Wohlergehen der Palästinenser und der dazu notwendige Warenaustausch zwischen den beiden Nachbarn liegen im Interesse Israels, weil man den Terror nicht auch noch durch eine Wirtschaftskatastrophe anheizen möchte. Deshalb hat das israelische Kabinett Mitte Mai auch die Freigabe von umgerechnet etwa neun Millionen Euro palästinensischer Steuergelder genehmigt, die vom israelischen Verteidigungsministerium in Form von Medikamenten und medizinischer Ausrüstung direkt an Hilfsorganisationen übergeben werden.

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