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Was kommt nach Arafat?

„Wenn irgend jemand Arafat ersetzen kann, dann nur Arafat selbst“, war ein Slogan, der in den vergangenen Jahren immer wieder auftauchte, wenn irgendein Nahostneuling unter den Journalisten die Unfrage zu laut zu denken wagte: „Was ist, wenn Arafat nicht mehr ist?“

Jasser Arafat hat keinen Nachfolger herangezogen. Im Gegenteil, er hat potentielle Nachfolger gegeneinander ausgespielt, um seine eigene Machtposition zu konsolidieren. Weder alte Weggefährten wie Abu Ala oder Abu Mazen, noch ein starker Mann der jungen Generation wie Dschibril Radschub, Muhammad Dahlan oder Marwan Barghuti könnte „Abu Amar“ das Wasser reichen – „zu groß und schwierig sind die Schuhe, als dass sie von einer Person ausgefüllt werden könnten“, meint der ehemalige US-Botschafter in Israel, Martin Indyk.

Deshalb bleibt der Stuhl des PLO-Vorsitzenden bei den Kabinettssitzungen in Ramalla bislang demonstrativ leer. Der als „Abu Ala“ bekannte Ahmed Qrea und „Abu Mazen“, der auf den bürgerlichen Namen Mahmud Abbas hört, sind politisch die Schlüsselfiguren. Sie haben den Vater des palästinensischen Befreiungskampfes von Anfang an begleitet.

Militärisch liegt das entscheidende Gewicht bei Radschub und Dahlan. Die beiden ehemaligen Chefs der Präventiven Sicherheitsdienste in der Westbank und im Gazastreifen sind erbitterte Rivalen. Gemeinsam wären sie vielleicht in der Lage, kurzfristig Recht und Ordnung auf der palästinensischen Straße zu garantieren.

Israelische Geheimdienste meinen indes beobachten zu können, dass sich die rivalisierenden palästinensischen Sicherheitsdienste auf die Zeit nach Arafat vorbereiten, indem sie Waffen horten. Radikale Gruppierungen wie die Hamas-Bewegung, der Palästinensische Islamische Dschihad, die Volksfront zur Befreiung Palästinas und andere halten sich mit Machtansprüchen auf die Ära nach Arafat erstaunlich bedeckt.

In Israel spielt man seit Monaten bereits verschiedene Szenarien durch, die durch den Tod des mythenumwobenen Erzrevolutionärs Jasser Arafat ausgelöst werden könnten. Gewaltsame Unruhen in den palästinensischen Autonomiegebieten, in Israels Gefängnissen und vor allem auf dem Jerusalemer Tempelberg erscheinen schier unvermeidbar. Eines ist bereits jetzt klar: Israel wird als der Schuldige am Pranger stehen!

Man will aber auch auf Neues vorbereitet sein, wenn beispielsweise Tausende von emotionsgeladenen Palästinensern die Beerdigung des PLO-Chefs auf den Tempelberg verlegen wollen und auf dem Weg dorthin Straßensperren und Barrieren der israelischen Armee einfach überschwemmen. Rein militär-technisch könnte Israel die Beisetzung Arafats auf dem Tempelberg verhindern, müsste aber bei den dabei unvermeidlichen Auseinandersetzungen eine große Anzahl Todesopfer unter den Palästinensern in Kauf nehmen.

Eine andere Möglichkeit wäre, dass palästinensische Massen versuchen könnten, jüdische Siedlungen in den umstrittenen Gebieten in ihre Gewalt zu bekommen. Dies könnte gewaltsame Reaktionen von bedrohten Siedlern provozieren. In jedem Fall wäre nicht auszuschließen, dass die israelische Armee die palästinensischen Autonomiegebiete zurückerobern und wieder eine formelle Militärverwaltung einrichten muss.

Der israelische Oppositionsführer und Osloveteran Schimon Peres bleibt bei alledem optimistisch. Er will das Entstehen einer Struktur unter „guten und verantwortungsvollen Leuten“ wie Abu Ala und Abu Mazen erkennen können, die Ordnung in die palästinensischen Autonomiegebiete bringen können – und wagt gar laut zu hoffen, dass das Ableben seines alten Friedensnobelpreispartners die Chance für ein neues Abkommen eröffnet.

Ganz gleich wie sich die Lage in den Palästinensergebieten entwickeln wird, ganz unabhängig davon, ob in absehbarer Zeit ein unabhängiger Palästinenserstaat entstehen, oder sich die Situation als längerfristiger Status quo wieder stabilisieren (sprich: festfahren) wird – es bleibt festzuhalten: Jasser Arafat wird auch nach seinem Tod als authentisches Symbol der palästinensischen Nationalbewegung fortleben, denn er ist der einzige palästinensische Führer, den das palästinensische Volk je gekannt hat.

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