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Warum in Israel kein Friede werden will

Wie kaum ein anderes Land und Volk erlebt Israel die Friedlosigkeit dieser Welt, leidet an der Abwesenheit von Frieden und sehnt sich nach echtem Frieden. Warum kommt das Land Israel trotzdem nicht zur Ruhe? Eine Analyse von Johannes Gerloff
„Betet für den Frieden Jerusalems“,  heißt es in der Bibel
Das Kaddisch-Gebet wird oft als jüdisches Totengebet bezeichnet, weil es auf Beerdigungen rezitiert wird. Zudem beten Juden das Kaddisch im Gedenken an geliebte Verstorbene. Eigentlich ist dieses Gebet, das in besonderer Weise den Namen Gottes groß macht, heiligt und verherrlicht, aber Teil jeder Synagogenliturgie. Dass Gott sein Reich aufrichten und der Messias „in unseren Tagen“ kommen möge, ist Lebensatem allen jüdischen Seins. Zum Abschluss des Kaddisch steigt der Gebetsschrei zum Himmel: „Der Frieden schafft in der Höhe, er schaffe Frieden über uns und über ganz Israel!“ Doch warum kommt das Land Israel nicht zur Ruhe? Potentielle Israelreisende plagen sich mit Überlegungen, ob man heute das Risiko einer Fahrt ins Heilige Land überhaupt noch verantworten könne. Kaum eine Region steht so sehr im Fokus von Friedensbemühungen. Warum sind alle Friedensinitiativen bis dato vergeblich? Seit Jahrtausenden fordert die Bibel: „Betet für den Frieden Jerusalems!“ Trotzdem steht vielen Menschen gerade diese heilige Stadt als Symbol für Krieg und Leid, Terror und Tränen, Mauern, Besatzung, Freiheitskampf, Extremismus, Intoleranz und religiösen Fanatismus. In den sechs Jahrtausenden ihrer archäologisch nachweisbaren Existenz wurde die Stadt, die den „Frieden“ im Namen trägt, mindestens zweimal vollständig dem Erdboden gleich gemacht, 40-mal teilweise zerstört, 23-mal belagert, 52-mal angegriffen und 44-mal erobert oder zurückerobert. Zweifellos wurde Jerusalem im Laufe seiner Geschichte Zeuge grauenhafter Szenarien. An manchen Stellen häufen sich die Trümmer 14 Meter. Junge, lebenslustige Israelis zieht es heute viel mehr nach Eilat, Tel Aviv oder Haifa, als in die heiligen Städte Sichem, Hebron oder Jerusalem. Wer der Frage nach dem Frieden Jerusalems beziehungsweise der Friedlosigkeit des Landes Israel nachgeht, muss sich darüber klar werden, in welcher Relation der Zustand Israels beurteilt werden soll. Im Vergleich zu den Friedensaussichten der Bibel sieht es in der heutigen Hauptstadt des Staates Israel selbstverständlich düster aus. Wir sind weit davon entfernt, dass Wölfe und Lämmer, Leoparden und Böcke, Löwen und Mastvieh friedlich beieinander liegen. Das Kommen des Messias, der den Völkern Frieden gebietet und alle Tränen abwischt, liegt noch in der Zukunft. Der Schrei des Kaddisch nach Frieden „wie im Himmel so auf Erden“ ist nach wie vor unbeantwortet. Aber gilt das nur für Jerusalem? Ist das nicht der Zustand der ganzen Welt?! Wir leben in einer friedlosen Welt. Um Israel herum und weit darüber hinaus gibt es ein furchtbares Blutbad. Allein im syrischen Bürgerkrieg wurden in den gerade zurückliegenden Jahren pro Jahr mehr Menschen getötet, als im gesamten arabisch-israelischer Konflikt. Das stimmt, wenn die vorsichtigsten Schätzungen der UNO gelten.

Die Villa im Dschungel

Angesichts innerarabischer und innermuslimischer Gewalt war Israel schon lange vor dem so genannten „Arabischen Frühling“ eine Insel des Friedens und der Stabilität. Man denke nur an die „Camp Wars“ im Libanon der späten 1980er-Jahre, wie die Assad-Familie problematische Städte wie Hama „befriedet“ hat oder an mehr als eine Million Tote des irakisch-iranischen Krieges. Der jordanische König Hussein hat im Schwarzen September von 1970 mehr Palästinenser getötet, als Israel in sieben Jahrzehnten seiner Existenz. Die Umwälzungen der arabischen Welt seit Ende 2011 lassen viele Israelis dankbar erkennen: „Unser Land ist eine Luxusvilla inmitten eines mörderischen Dschungels.“ Selbst den Vergleich mit vielen westlichen Großstädten braucht Jerusalem nicht zu scheuen. Die Stadt, deren Name auf Hebräisch „Jeruschalajim“ – „man wird Frieden sehen“ – heißt, ist tatsächlich ein Vorbild gelebter friedlicher Koexistenz. Das gilt umso mehr, wenn man bedenkt, wie viele unterschiedlich geprägte Menschen, wie viele religiöse Überzeugungen, Mentalitäten, Wertmaßstäbe, Theologien, Ideologien und Zukunftshoffnungen in Israel nebeneinander existieren.

Zynische Konzentration auf den Nahostkonflikt

Angesichts dessen, wie andere Länder ihre eigenen Herausforderungen des Zusammenlebens meistern, erscheint die Konzentration der Weltöffentlichkeit auf „den Nahostkonflikt“ geradezu zynisch. Angesichts einer Realität, deren zahlmäßige Ausmaße heute jeder im Internet mühelos ergoogeln kann, erweist sich die teils unterschwellig suggerierte, teils offen ausgesprochene Behauptung, Israels Konflikt mit seinen arabischen Nachbarn sei die Mutter aller Feindschaft, als Mutter aller Heuchelei. Vielleicht wäre es ja umgekehrt, dass sich mit einer – gewiss utopischen! – Lösung aller anderen Konflikte, der Streit um Jerusalem von selbst lösen würde?! Und: Ist es vielleicht die Forderung nach der Lösung eines Konflikts, die Konflikte immer wieder neu anheizt? Man bedenke: Eine Lösung fordert, dass Menschen sich festlegen, Entscheidungen treffen, deren Folgen nicht selten kommende Generationen zu tragen haben. Friedensverhandlungen, deren Ziel ein Endstatusabkommen ist, schüren Misstrauen, Ängste und gar Aggressionen. Wäre es angesichts der Realitäten unserer Psyche und unserer Umgebung nicht viel förderlicher für Ruhe und Frieden, weniger Konfliktlösungen zu fordern, als Konflikte ganz bewusst zu managen? Konkret würde das für die Lage in Nahost bedeuten, pompöse Friedensinitiativen auf Eis zu legen und in kleinen, für alle Beteiligten überschaubaren Schritten, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern.

Mörderischer Hass auf Israel

Trotz dieser Überlegungen bleibt aber, dass die Auseinandersetzung um den jüdischen Staat Israel Ursachen hat, die ihn einzigartig machen. Es gibt keinen anderen Staat auf der Erde, dessen Vernichtung von einem Mit-UN-Mitglied offen gefordert, seit Jahren propagiert und zum Staatsziel erhoben wird. Bemerkenswert ist, mit welcher Gelassenheit diese Hetze von der Mehrheit aller anderen UN-Mitglieder hingenommen wird. Der mörderische Hass, der das Volk Israel seit Beginn seiner Existenz begleitet, ist beispiellos. Er fand seinen ersten Ausdruck im Bemühen des ägyptischen Pharao, die neugeborenen Söhne der Hebräer den Nilkrokodilen vorzuwerfen. Die Vernichtungskampagne des persischen Großwesirs Haman, die im biblischen Buch Ester nachgezeichnet wird, war ein erster Tiefpunkt. Rational kaum begründbar zieht sich dieser Hass durch die antike Judenfeindschaft, über das christliche Mittelalter bis hin zum rassistisch definierten Antisemitismus der Neuzeit mit seinen grauenhaften Folgen. Seit 1988 erklärt die Islamische Widerstandsbewegung in ihrer Charta: „Der Tag des letzten Gerichts wird nicht kommen, bis die Muslime die Juden bekämpfen und töten, bis sich die Juden hinter Felsen und Bäumen verstecken, die rufen werden: Muslim! Hier versteckt sich ein Jude hinter mir. Komm und töte ihn!“ Damit fordert die Hamas nicht nur ein Ende der Besatzung Palästinas, nicht nur ein Ende des Staates Israel, sondern die Vernichtung des jüdischen Volkes weltweit. Zu bedenken ist, dass dies ein Zitat aus der Überlieferung der Aussprüche und Handlungen des Propheten Mohammed ist, die für Muslime weltweit neben dem Koran normativen Charakter besitzt.

Allumfassender Friede aus der Höhe

„Osseh Schalom BiMeromav“ – Der Friede schafft in der Höhe – „Hu Ja’asseh Schalom Aleinu“ – Er mache Frieden über uns! Das ist der Ruf des jüdischen Kaddisch-Gebets. Damit wenden sich die jüdischen Beter ab von irdischen Vorstellungen und immanenten Erlösungsangeboten. Ziel ist nicht ein politisch von Menschen ausgehandelter Frieden. Es geht um den allumfassenden, wirklich tiefenwirksamen Schalom aus der Höhe. Schon bei politischer Ruhe versagen menschliche Bemühungen ganz offensichtlich, wenn der eigentliche Grund für die Unruhe in heiligen Schriften liegt, die von den Unruhestiftern als göttliche Offenbarung betrachtet werden. Deshalb bleibt als Einziger, der wirklich Frieden schaffen kann, auch der „in der Höhe“: „Er schaffe Frieden über uns und über ganz Israel! Dazu“, so schließt das Kaddisch, „sage man Amen!“

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