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Wann begannen die deutsch-israelischen Beziehungen?

LEIPZIG (inn) – Das Wiedergutmachungsabkommen von 1952 war der eigentliche Gründungsakt der deutsch-israelischen Beziehungen. Diese Ansicht hat der israelische Historiker Dan Diner auf der Leipziger Buchmesse geäußert.
Dan Diner stellte auf der Messe sein Buch „Rituelle Distanz“ vor.
Der Jerusalemer Professor Dan Diner leitete bis Ende September das Simon-Dubnow-Institut in Leipzig. Am Freitag war er auf der Buchmesse zu Gast im ARD-TV-Forum. Dort sprach er über sein neues Buch „Rituelle Distanz“, das die Spannungen der deutsch-israelischen Annäherungen vor 50 Jahren beleuchtet. Nicht 1965 sei der eigentliche Gründungsakt der Beziehungen zwischen Deutschland und Israel gewesen, sondern 1952, sagte Diner in dem Interview. Das „Luxemburger Abkommen“, das die deutsche „Wiedergutmachung“ regelte, ordnete der Historiker in die Kriegsfolgegesetze ein. Am 1. September 1952 sei das Gesetz zum Lastenausgleich gegenüber Flüchtlingen in Westdeutschland verabschiedet worden. Nur neun Tage später folgte das „Luxemburger Abkommen“ zwischen Israel und der Bundesrepublik. „Die gehören zusammen.“

Unterhändler konnten nur über Geld sprechen

Diner thematisierte die „dramatische“ dreitägige Debatte in der Knesset, die den israelisch-deutschen Gesprächen vorausging. Die Abgeordneten stellten sich unter anderem die Frage, in welcher Sprache die Verhandlungen stattfinden sollten. Obwohl alle Vertreter am Verhandlungstisch in Luxemburg Deutsche oder Israelis deutscher Herkunft waren, hätten sie die Gespräche letztlich auf Englisch geführt. Dies habe die künstliche Distanz zwischen beiden Seiten illustriert. Der jüdische SPD-Politiker Jakob Altmaier habe plötzlich „nicht mehr gewusst, wer er ist“. Der Historiker verwies zudem darauf, dass seinerzeit Begriffe wie „Holocaust“ noch nicht existiert hätten. Die Debatte um Geld sei die einzige Möglichkeit gewesen, über das Thema zu sprechen. Am Tisch hätten auch Juden mit KZ-Tätowierung gesessen.

„Israel wurde materiell immer deutscher“

Israel hätte am liebsten eine finanzielle Unterstützung von der Bundesrepublik erhalten, weil Geld abstrakt sei, doch dies war Deutschland zu jener Zeit nicht möglich. Deshalb stellte sie dem jungen jüdischen Staat Züge, Baumaterial und Mittel für den Aufbau der Telekommunikation zur Verfügung. „Israel wurde von der Materialseite immer deutscher“, kommentierte Diner die Entwicklung. Hatten die Israelis 1952 diplomatische Beziehungen mit Deutschland abgelehnt. Eine Anerkennung wäre wie ein Friedensabkommen gedeutet worden. In den 60er Jahren hingegen wollten die Israelis diesen Schritt, doch die Bundesrepublik zögerte. Denn sie befürchtete, dass die arabischen Staaten als Reaktion die DDR anerkennen. Auch deshalb stellt die offizielle Aufnahme der Beziehungen von 1965 aus Diners Sicht eine Randnotiz nach dem eigentlichen Gründungsakt dar. Mit dem Abkommen von 1952 habe sich Israel für den Westen entschieden. Die DDR wiederum lehnte alle israelischen Forderungen ab und orientierte sich dabei auch an der Sowjetunion.

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