Von Siegern und Verlierern

Benjamin Netanjahu ist der überragende Sieger der israelischen Wahlen. Er vermag es, ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln und vertritt die Sorgen der Israelis offen in der Weltöffentlichkeit. Die Lieblingspolitiker des Westens im linken Spektrum mussten die größten Verluste hinnehmen.
Oppositionsführer Herzog hat in den Wahlen deutlich gegen Netanjahu verloren. (Archivbild)

Eine Hilfe zum Verständnis dafür, was bei den jüngsten israelischen Parlamentswahlen zur 20. Knesset am 17. März 2015 passiert ist, könnte sein, die politische Bühne Israels in vier große Blöcke einzuteilen: Einen konservativen Mitte-Rechts-Block, das säkulare Mitte-Links-Lager, die Ultra-Orthodoxen und schließlich die Kommunisten und Araber.

Zum konservativen Mitte-Rechts-Block gehört selbstverständlich der Likud von Benjamin Netanjahu, dann aber auch die Parteien der beiden ehemaligen Bürochefs Netanjahus, Avigdor Lieberman (Israel Beiteinu) und Naftali Bennett (HaBeit HaJehudi). Ferner gehört dazu die in dieser Wahl erstmals angetretene Partei Kulanu unter Leitung des ehemaligen Likud-Mitglieds Mosche Kahlon. Kahlon vertritt eine dezidiert soziale und wirtschaftsorientierte Agenda, setzt sich aber inhaltlich kaum vom Likud ab.

Dem gegenüber steht ein erklärt säkularer Mitte-Links-Block, dem die sozialdemokratische Arbeitspartei von Jitzhak Herzog und die Partei HaTnuah von Zippi Livni angehören. Für die 20. Knesset hatten sie sich zum Zionistischen Lager vereinigt. Um die Übersicht zu behalten, wäre diesem Block noch die Partei Jesch Atid von Jair Lapid zuzurechnen, sowie die Überreste von Ariel Scharons Gaza-Rückzugs-Partei Kadima, die in der 19. Knesset noch mit zwei Sitzen vertreten war und jetzt völlig verschwunden ist.

Die Politiker dieses Blocks sind die Hauptgesprächspartner der überwältigenden Mehrheit europäischer Politiker und werden von Europäern und Amerikanern im Blick auf den Friedensprozess mit den Palästinensern als Hoffnungsträger betrachtet. Allerdings haben sie nur sehr begrenzt Rückhalt in den großen und oft ausschlaggebenden Teilen der israelischen Gesellschaft, deren Geschichte und Denkweise in Nordafrika, der arabischen und islamischen Welt oder Russland verwurzelt sind.

Ein dritter Block sind die jüdisch Orthodoxen, das heißt, die sephardische Schass-Partei und das aschkenasische Vereinigte Torah-Judentum. Traditionell waren diese Parteien nicht selten das berühmte Zünglein an der Waage bei Koalitionsverhandlungen. Die Aschkenasisch-Orthodoxen sind eher a-politisch eingestellt und vor allem auf die Finanzierung ihrer Talmudschulen bedacht. Die Sephardisch-Orthodoxen haben schon eher in typisch politischen Fragen Stellung bezogen und tendieren nach rechts. Zu bedenken ist allerdings, dass ihr geistlicher Übervater, der im Oktober 2013 verstorbene Rabbiner Ovadia Josef, die Abgabe von Land für Frieden legitimierte und damit den ägyptisch-israelischen Friedensvertrag ermöglichte.

Arabische Parteien nicht einheitsfähig

Schließlich bietet sich als vierter Block noch der Rest an: Ein Gemenge aus Kommunisten und Arabern. Konkret geht es um die aus Hadasch, Vereinigter Arabischer Liste, Balad und Ta’al gebildete Vereinigte Liste und die Meretz-Partei. Dieser Block ist in keiner Weise einheitsfähig, abgesehen von seiner tief sitzenden Feindschaft gegen und absoluten Koalitionsunfähigkeit mit dem Mitte-Rechts-Block.
Einen eklatanten Mangel an Kongruenz offenbart schon ein Blick auf das neue Parteienbündnis Vereinigte Liste, in das sich Kommunisten, Islamisten und arabische Nationalisten geflüchtet haben. Antrieb waren politische Existenzängste, die durch die neue 3,25-Prozent-Hürde ausgelöst wurden. In Syrien schlachten sich die Geistesverwandten dieser Parteigenossen gegenseitig ab. Der kommunistischen Meretz-Partei täte man zudem Unrecht, würde man ihr Sympathien für die explizite Israelfeindschaft einiger arabischer Knessetabgeordneter aus der Vereinigten Liste unterstellen.

Im Blick auf die Zahlen hat der Mitte-Rechts-Block von 43 auf 54 Sitze zugelegt, also ganze elf Sitze gewonnen. Der Mitte-Links-Block musste eine Einbuße von sieben Mandaten einstecken, das heißt, er ist jetzt in der 20. Knesset nur noch mit 35 Abgeordneten vertreten, nachdem er in der 19. Knesset noch 42 Abgeordnete gestellt hatte. Die orthodoxen Parteien haben einen Verlust von fünf Sitzen erlitten und stellen nur noch 13 Abgeordnete, nachdem sie zuvor 18 Mandate innegehabt hatten. Das Sammelsurium von Kommunisten, Islamisten und arabischen Nationalisten hat um einen Sitz zugelegt, wobei Meretz ein Mandat verloren hat und die Vereinigte Liste der Araber zwei gewonnen hat.

Irrelevante Linke

Die israelische Linke ist irrelevant. Das hat bereits vor Jahren der ehemalige Meretz-Abgeordnete Amnon Rubinstein lamentiert und dafür den arabischen Nachbarn Israels, vor allem den Palästinensern, die Schuld in die Schuhe geschoben. Wo immer diese eine Gelegenheit gesehen hätten, nicht auf israelische Zugeständnisse einzugehen, hätten sie diese beim Schopf ergriffen. In den zurückliegenden Wochen haben die Meretz-Wahlkämpfer ihr Klientel regelrecht angefleht, sie nicht an der neuen 3,25-Prozent-Hürde scheitern zu lassen. Die Anhebung dieser Hürde von ursprünglich 2 Prozent hat auch die arabischen Parteien zur Vereinigten Liste zusammengezwungen. Ob der Gewinn von zwei Mandaten ein Wahlerfolg für die israelischen Araber ist, der sich in größeren Einfluss umsetzen lässt, oder lediglich ein Rechenexempel ohne Folgen, bleibt abzuwarten.

Die Orthodoxen, die in der vorigen Legislaturperiode aus der Koalition ausgeschlossen blieben und traditionell ein beständig, entsprechend der Geburtenrate wachsendes Elektorat genießen, sind dieses Mal über ihre eigene Uneinigkeit gestolpert. Eine Abspaltung der Schass-Partei unter Führung des ehemaligen Innenministers Eli Jischai hat die 3,25-Prozent-Hürde nicht geschafft. Allerdings haben sowohl Aschkenasen als auch Sepharden aus diesem Lager Netanjahu als neuen Premier beim Staatspräsidenten vorgeschlagen, so dass dieser schon vor Beginn der Koalitionsverhandlungen 67 von 120 Abgeordneten hinter sich hatte.

Überragender Gewinner dieser Wahl ist zweifellos Benjamin Netanjahu. Er hat hoch gepokert, als er vorzeitig Neuwahlen anberaumte, und keineswegs selbstverständlich gewonnen. Umfragen hatten zeitweilig behauptet, Jitzhak „Buschi“ Herzog habe die Nase vorn und unübersehbar triumphierend prophezeit, es werde eng für „Bibi“, wie Netanjahu im Volksmund genannt wird. Doch auch dieses Mal erwies der berühmte „Tag danach“ die Notwendigkeit der Buße für die Meinungsforscher. Manche Beobachter haben diese Wahl zur 20. Knesset im Rückblick als Referendum für „Bibi“ gewertet. Und der israelische Wähler hat dem amtierenden Premierminister überwältigend sein Vertrauen ausgesprochen, allen Unkenrufen zum Trotz.

Lapid als größter Verlierer

Bemerkenswert ist dabei, dass zwei von Netanjahus engsten Weggefährten, Avigdor Lieberman und Naftali Bennett, zu den großen Verlierern dieser Wahl gehören. Liebermans Israel Beiteinu hat mit sieben Sitzen mehr als die Hälfte seiner Mandate eingebüßt, während Bennetts Siedlerpartei HaBeit HaJehudi ein Drittel seiner Stimmen abgeben musste und statt mit zwölf jetzt nur noch mit acht Abgeordneten im israelischen Parlament vertreten ist. Damit haben zwei persönliche Herausforderer innerhalb des rechts-konservativen Lagers und potentielle Nachfolger Netanjahus massiv an Gewicht verloren.

Größter Verlierer dieser Wahl ist definitiv Jair Lapid und seine Partei Jesch Atid. Nach der vorigen Wahl war er als der große Hoffnungsträger einer neuen israelischen Mitte vor allem im westlichen Ausland gefeiert worden – wo man geflissentlich übersah, dass Lapid seinen Wahlkampf in der Siedlerstadt Ariel begonnen hatte. Als Aushängeschild der sozialen Proteste der israelischen Mittelschicht hatten ihn als Finanzminister große Hoffnungen begleitet. Netanjahu wagte bis zum Schluss kaum einen Schritt ohne den ehemaligen Journalisten zu tun.

Unmissverständlich hat sich die israelische Wählerschaft mit den Wahlen zur 20. Knesset hinter einen Politiker gestellt, der nicht nur das Gefühl von Sicherheit zu vermitteln vermag, sondern auch wagt, die Interessen und Ängste Israels in der Weltöffentlichkeit zu Gehör zu bringen. Nicht zufällig mussten die Lieblingspolitiker des Westens auf Israels politischer Bühne die größten Verluste einstecken. Überwältigend hat das Volk Israels jeder Bevormundung durch das westliche Ausland eine Absage erteilt. (jg)

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