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Vom Tauchbad zum Unterschlupf australischer Soldaten

BEIT SCHEMESCH (inn) – Antike und Zweiter Weltkrieg an einem Ort: Israelische Archäologen haben nahe Beit Schemesch ein altes rituelles Tauchbad ausgegraben. In der dazugehörigen Zisterne stießen sie zudem auf die Spuren australischer Soldaten aus dem Jahr 1940.
Die antike Mikwe diente bis zum Beginn des zweiten Jahrhunderts der rituellen Reinigung ...

Die Firma „Netivei Israel“ will die Schnellstraße 38 in der Gegend der Ha-Ela-Kreuzung erweitern. Diese befindet sich südwestlich von Jerusalem, in der Nähe der Stadt Beit Schemesch. Vor dem Beginn der Bauarbeiten erhielt die Israelische Altertumsbehörde (IAA) den Auftrag, das Gebiet auf etwaige archäologische Besonderheiten zu überprüfen. Und tatsächlich wurden die Wissenschaftler fündig.
„Wir haben eine Mikwe freigelegt, in der fünf Stufen waren; die fünfte Stufe war eine Bank, wo man am Rand des Tauchbads sitzen konnte“, wird Ausgrabungsleiter Joav Zur in einer Mitteilung der IAA zitiert. „Wir haben dort Fragmente von prächtigen Keramikgefäßen gefunden, die ins zweite Jahrhundert unserer Zeitrechnung zu datieren sind, darunter Lampen, rote polierte Gefäße, einen Krug und Kochtöpfe.“
Aus diesen Funden schließt der Archäologe: „Offenbar hörte man im zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung auf, die Mikwe zu benutzen, vielleicht angesichts des Bar-Kochba-Aufstands.“ Von 132 bis 135 hatten die Juden ein letztes Mal versucht, sich der römischen Besatzer zu erwehren. Ihr Anführer war Schim‘on Bar Kochba, den viele für den Messias hielten. Der Aufstand schlug jedoch fehl. Die Römer verboten Juden den Zugang nach Jerusalem und nannten das Gebiet „Palästina“.
Südlich der Mikwe entdeckten die Forscher eine Öffnung aus behauenem Fels. „Das war offenbar der Eingang zu einer großen Wasserzisterne“, folgerte Zur. Diese habe vermutlich zuerst als kleiner Wasserspeicher für das Tauchbad gedient. Als die Mikwe nicht mehr in Gebrauch war, sei die Zisterne erweitert worden.

Australische Soldaten trainierten für Frankreich-Einsatz

In dem Hohlraum machten die Archäologen eine überraschende Entdeckung: An der Decke befinden sich Graffiti. Der Archäologe und Historiker Assaf Peretz hat sie entziffert: „Unter anderem wurden zwei englische Namen identifziert, die in den Fels eingeschnitten sind: cpl. Scarlett und Walsh. Neben den Namen sind die Initialen RAE und die beiden Nummern NX7792 und NX9168 eingeritzt. Das Datum 30.05.1940 erscheint unter den Graffiti.“
Peretz erklärte dazu: „Da die Abkürzung cpl. den Rang eines Korporals bezeichnet, können wir annehmen, dass dies Soldaten waren, die hier ihre Spuren hinterlassen wollten. Eine Nachfrage bei den zuständigen Behörden brachte zutage, dass die innerhalb der Zisterne eingeritzten Nummern tatsächlich Seriennummern von Soldaten sind und dass RAE für ‚Royal Australian Engineers‘ (königliche australische Ingenieure) steht.“
Eine Suche in den Archiven der australischen Regierung habe ergeben: „Korporal Philip William Scarlett wurde 1918 in Melbourne geboren und 1939 in die Armee einberufen, überlebte den Krieg und starb 1970, kurz vor seinem 52. Geburtstag. Sein Kamerad, Patrick Raphael Walsh, wurde 1910 in Cowra geboren, wurde 1939 einberufen, überlebte den Krieg und verstarb 2005 im Alter von 95 Jahren. Anscheinend waren die beiden Mitglieder der Sechsten Australischen Division.“ Diese Abteilung bereitete sich 1940 im britischen Mandatsgebiet Palästina auf einen Einsatz in Frankreich vor.
An der Stätte fanden die Archäologen auch Steuerruder britischer Mörserbomben und 27 Gewehrpatronen. Sechs davon waren in Australien hergestellt.
Ausgrabungsleiter Zur fasste zusammen: „Die Funde von dieser Ausgrabung ermöglichen es uns, eine doppelte Geschichte zu rekonstruieren: über die jüdische Besiedlung im zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung, wahrscheinlich vor dem Hintergrund der Ereignisse des Bar-Kochba-Aufstands, und eine andere Geschichte, nicht weniger faszinierend, von einer Gruppe australischer Soldaten, die die Stätte etwa 1.700 Jahre später besuchten und dort ihre Spuren hinterließen.“
Die Firma „Netivei Israel“ hat unterdessen zugestimmt, den Verlauf der Kreuzung zu ändern. Dadurch können die ungewöhnlichen historischen Zeugnisse erhalten bleiben.

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