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Viel versprechend? – Die neue Einheitsregierung der Palästinenser

Der palästinensische Premierminister Ismail Hanije und der palästinensische Präsident Mahmud Abbas haben Mitte März den Abschluss der Koalitionsverhandlungen verkündet. Damit steht einer palästinensischen Einheitsregierung nichts mehr im Wege, was Hanije als „Grund zum Feiern“ bezeichnete. Der Weg zur 11. Regierung seit Einrichtung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) im Jahre 1994 war nicht einfach. Besonders der einflussreiche Posten des Innenministers war bis zum letzten Augenblick umstritten.

Jetzt soll neben Hanije von der Hamas Assam al-Ahmed von der Fatah Vizepremier werden. Innenminister wird Dr. Hani al-Kawassme, ein Akademiker aus Hebron, der offiziell nicht mit einer der politischen Parteien liiert ist. Allerdings sind aus dem Hebroner Kawassme-Clan eine ganze Reihe von „Märtyrern“ – von Israel als „Selbstmordmassenmörder“ bezeichnet – hervorgegangen. Gegenüber der „Jerusalem Post“ betonte ein hoher PA-Vertreter in Ramallah, dass der Grund für die Ernennung Kawassmes dessen „gute Beziehungen zu Fatah und Hamas“ seien, sowie seine „Zugehörigkeit zu einer großen und respektierten Familie im Westjordanland“.

Der neue Finanzminister Salam Fajad (Dritter Weg) genießt im Westen als Finanzexperte hohes Ansehen. Mustafa Barghuti (Unabhängiges Palästina), ein als gemäßigt geltender Menschenrechtler, wird Informationsminister und so zum „Gesicht“ der neuen PA-Regierung gegenüber der internationalen Presse. Siad Abu Amr wird Außenminister und erhält damit einen Posten, den es im Rahmen der israelisch-palästinensischen Abkommen eigentlich gar nicht geben dürfte, weil die Palästinensische Autonomiebehörde keine Befugnis zu einer eigenmächtigen Außenpolitik an Israel vorbei hat.

Zur Erinnerung: Am 28. Januar 2006 hatten sich 56 Prozent der palästinensischen Wählerschaft bei einer Wahlbeteiligung von mehr als 70 Prozent in den bislang ersten freien Wahlen im Nahen Osten außerhalb Israels für die Hamas ausgesprochen. Das Nahost-Quartett – USA, EU, Russland und die UNO – fordert seitdem von den Palästinensern eine Anerkennung Israels, eine Absage an Terror und Gewalt sowie die Anerkennung der bestehenden Abkommen zwischen der PLO und Israel. Bislang hat sich die Hamas standhaft geweigert, ihrem Ziel der Vernichtung des jüdischen Staates Israel zu entsagen.

Festhalten an „Widerstandsrecht“

Die Koalitionsvereinbarung sieht jetzt einerseits eine „Ruhe“ gegenüber Israel vor, hält aber am „Widerstandsrecht“ der Palästinenser fest. Die „Ruhe“ ist allerdings an Bedingungen gebunden, die Israel kaum akzeptieren kann, will es nicht die Sicherheit seiner Bürger ernsthaft gefährden. Den bestehenden Abkommen mit Israel will die Einheitsregierung „Respekt“ erweisen, auf eine Anerkennung konnte man sich nicht einigen. Auch die Forderung der Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge in das Staatsgebiet Israels – was aus israelischer Sicht demografischer Selbstmord wäre – bleibt bestehen, wie der PA-Minister für Flüchtlingsfragen Atef Utwan (Hamas) betonte. Selbst der als pro-westlich geltende Präsidentensprecher Nabil Abu Rudeina (Fatah) konnte sich nur zu einer – für Israel wenig beruhigenden – Formel einer „gerechten Lösung für das Flüchtlingsproblem auf der Grundlage der UNO-Resolution 194“ durchringen.

Israelische Experten betonen, dass jetzt entscheidend sei, den Text genau zu studieren, und dass ein Verstehen der Regierungsgrundlage in keiner Weise einfach sei. So ist dort beispielsweise zu lesen, dass der Schlüssel zum „Frieden“ ein „Ende der Besatzung“ sei. Das kann möglicherweise auch ganz im Sinne einer in keiner Weise einsichtigen Hamas ausgelegt werden, nämlich, dass ein „Ende der Besatzung“, das heißt, nur ein Verschwinden des jüdischen Staates aus dem Nahen Osten, Frieden bedeutet. Von einem Frieden mit dem Staat Israel ist jedenfalls keine Rede – und Hamas-Vertreter haben betont, dass auch in Mekka eine Anerkennung Israels oder gar eines Existenzrechts des jüdischen Staates nie auf der Tagesordnung stand.

Wichtig für eine realistische Analyse der Lage ist auch, dass diese Einheitsregierung nicht etwa einer innerpalästinensischen Notwendigkeit entsprang, auch nicht auf der Einsicht der Palästinenser beruht, sondern das Ergebnis wirtschaftlichen und sozialen Drucks aus dem westlichen Ausland ist. Dort erhofft man sich durch eine Einheitsregierung eine Mäßigung der islamistischen Hamas, ein Ende des innerpalästinensischen Blutvergießens und vor allem neue „Friedensgespräche“ mit Israel. Deshalb war die Freude in Amerika und Europa so groß, als die starke Hand des saudischen Königs Abdullah in Mekka im Februar 2007 eine Einigung der Streithähne erzwang.

Noch bevor die neue Regierung vom Palästinensischen Legislativrat (PLC), dem Palästinenserparlament, offiziell ratifiziert war, ließ die israelische Regierung verlauten, sie werde mit ihr nicht zusammenarbeiten, weil die Koalitionsvereinbarung der Einheitsregierung die Bedingungen des Nahost-Quartetts nicht anerkenne. In Israel fordert man zudem eine bedingungslose Freilassung des im Juni 2006 entführten israelischen Soldaten Gilat Schalit und eine Einstellung des permanenten Raketenbeschusses israelischer Städte und Dörfer im Grenzgebiet um den Gazastreifen.

„Ideologischer Wandel“ nicht konkret

Da weiterhin die radikal-islamische Hamas die Kontrolle über die Regierung behält, wäre es auch nach US-amerikanischem Recht illegal, mit dieser Regierung Kontakte zu pflegen. Der viel beschworene „ideologische Wandel“ der Hamas ist bislang nicht konkret greifbar. Trotzdem hoffen die Palästinenser durch die Regierungsumbildung auf eine Wiederaufnahme der Finanzhilfe aus dem westlichen Ausland. Dass alte Freunde der Amerikaner, wie etwa Salam Fajad, an der Regierung beteiligt sind, versetzt die USA in eine prekäre Lage.

Auch auf den Straßen der palästinensischen Autonomiegebiete ist wenig von palästinensischer Einheit zu merken. Die Schießereien zwischen Abbas’ Fatah und Hanijes Hamas gehen unvermindert weiter. Täglich explodieren Bomben, kommt es zu Schießereien, werden Menschen entführt, verletzt und getötet. Dabei kommt alles zum Einsatz, was das palästinensische Arsenal zu bieten hat, einschließlich der Panzerabwehrraketen und Mörsergranaten. Mehr als 140 Palästinenser kamen in den vergangenen Monaten im Gazastreifen durch innerpalästinensische Gewalt ums Leben.

Die neue Einheitsregierung ist ein Drahtseilakt, der gerne viel versprechen würde, bei näherem Hinsehen aber keine neuen Positionen offenbart, die Anlass zur Hoffnung bieten würden – weder innenpolitisch, noch im Blick auf das Verhältnis zu Israel.

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