JERUSALEM (inn) – Der israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman hat erstmals der palästinensischen Zeitung „El-Kuds“ ein Interview gewährt. Das ist die meistverbreitete palästinensische Zeitung, sie erscheint aber in dem von Israel annektierten Jerusalem. Deshalb weigerte sich die Zeitung, dem Druck der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) in Ramallah nachzugeben und das Interview nicht zu veröffentlichen.
Widerspruch von palästinensischer Seite gab es auch gegen den Reporter. Das Gespräch mit Lieberman erwecke den Eindruck, als gäbe es eine „Normalisierung“ in den Beziehungen mit Israel. Doch der Reporter verteidigte sich. Er habe professionellen Journalismus betrieben nach 30 Berufsjahren und Lieberman 15 „harte Fragen“ gestellt. Bei dem auf einer Doppelseite veröffentlichten Gespräch waren Gaza, das Westjordanland und die politische Zukunft der Region die Hauptthemen.
Lieberman wolle dem Gazastreifen mit dem Bau eines Hafens und Flugplatzes, dem Wiederaufbau und bei Wasser-Entsalzungsprojekten helfen. Bedingung sei jedoch, dass ein dreijähriger Waffenstillstand halte und dass die Hamas-Organisation nicht „hundert Millionen Schekel“ in Aufrüstung investiere, anstatt in Gesundheit und Erziehung. Er prophezeite gar, dass der Gazastreifen ein Hongkong oder Singapur des Nahen Ostens werden könne, sowie Ruhe herrsche und die Hamas Israel nicht mehr mit Angriffstunneln und Raketen bedrohe.
Dieses wurde von der linksgerichteten israelischen Meretz-Parteichefin Sahava Gal-On, arabischen Knesset-Mitgliedern und der Hamas scharf zurückgewiesen. Es sei das gute Recht der Hamas aufzurüsten, solange die „Besatzung“ andauere. Israel hatte sich jedoch 2005 komplett aus Gaza zurückgezogen. Gal-On meinte, dass Lieberman sich „wie ein Besatzer aufspielt“, wenn er den Bürgern von Gaza „Selbstverständlichkeiten“ wie einen Hafen oder Flugplatz verspreche.
Bevölkerungsaustausch als Option
Israel wolle laut Lieberman keinen Krieg gegen den Gazastreifen. Sollte die Hamas aber Israel dazu zwingen, werde das „der letzte Krieg der Hamas sein, denn dann werden wir die Organisation völlig zerstören“, sagte der Verteidigungsminister.
Lieberman äußerte sich zuversichtlich über eine „Zweistaatenlösung“, ergänzte aber: „Es geht nicht an, dass der palästinensische Staat judenfrei ist, während Israel ein binationaler Staat mit 20 Prozent arabischem Bevölkerungsanteil sein muss“. Er redete von einem „Bevölkerungsaustausch“, wobei „Israel auf Umm el-Fahm durchaus verzichten könnte“. Die Stadt Umm el-Fahm liegt an der Grenze zum Westjordanland.
Diese Äußerung brachte dem „Emigranten aus der Moldau“, wie Palästinenser den Verteidigungsminister bezeichneten, die Kritik ein, eine „ethnische Säuberung arabischer Staatsbürger Israels“ zu planen. Wegen seiner Behauptung, dass Ariel, Ma‘aleh Adumim und andere israelische Groß-Siedlungen in jedem Fall bei Israel bleiben würden, bezichtigen sie ihn gar als „Lügner“, solange „israelische Bulldozer im Westjordanland jede Chance für eine Zweistaatenlösung vernichten“.
Hamas: Zeitung nicht im Gazastreifen anbieten
Den PA-Präsidenten Mahmud Abbas bezichtigte er, keine Kraft zu haben, ein Abkommen mit Israel zu unterzeichnen. Deshalb hielten ihm palästinensische Kritiker vor, „ein Träumer zu sein, wenn er glaubt, auf der palästinensischen Seite einen Politiker finden zu können, der ihm besser ins Konzept passt“.
Auf israelischer Seite gab es Kritik an Lieberman wegen seiner „gemäßigten Haltung“, dem Gazastreifen helfen zu wollen. Doch grundsätzlich wurde begrüßt, dass er sich überhaupt bereit erklärt hatte, einer palästinensischen Zeitung ein Interview zu gewähren. Die Hamas kündigte an, den Verkauf dieser Ausgabe der „El-Kuds“-Zeitung im Gazastreifen verhindern zu wollen. (uws)Lieberman präsentiert neuen Plan für das Westjordanland (inn)
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