„Unbemerkt von den westlichen Medien findet im Gazastreifen eine systematische Verfolgungskampagne statt, und in einem geringeren Maße im Westjordanland“, schreibt Jonathan Spyer in der israelischen Tageszeitung. „Das allgemeine Schweigen, das diese Kampagne umgibt, hilft ihren Tätern. Die Opfer sind palästinensische Christen, vor allem die kleine christliche Gemeinschaft von Gaza.“ Diese bestehe aus 2.000 bis 3.000 Menschen.
Im Juni 2006 übernahm die Hamas gewaltsam die Macht in dem Gebiet. Seither werde die Situation immer schwerer zu ertragen, heißt es in der Analyse. Die Christen von Gaza hätten sich der „politischen Unsichtbarkeit“ zugewandt. Der aus London stammende Autor geht auf den Mord an dem Buchhändler Rami Ajjad im Oktober 2007 ein und zählt Anschläge gegen christliche Gebäude aus den vergangenen Monaten auf. Vor allem Bildungseinrichtungen seien betroffen. Da die Attentate meist nachts verübt würden, gebe es dabei kaum Verletzte. Mitunter würden Wachleute zu Opfern der Gewalt.
Als verantwortlich für die Angriffe gelten relativ unbekannte islamistische Gruppierungen. Doch auch die „Volkwiderstandskomitees“ (PRC), die von ehemaligen Fatah-Offizieren gegründet wurden, sind der Meinung, dass die christliche Präsenz im Gazastreifen ausgelöscht werden müsse. Denn sie übe einen pro-westlichen, anti-islamischen Einfluss auf die Muslime aus.
Oberflächliche Strafverfolgung
Die herrschende Hamas hat sich offiziell zur Toleranz gegenüber der christlichen Gemeinschaft verpflichtet. Sprecher haben die Anschläge verurteilt. Doch in der Praxis, so Spyer, hätten „nur oberflächliche Ermittlungen stattgefunden, und Festnahmen sind selten“. Verdächtige würden nicht angeklagt und stattdessen schnell wieder auf freien Fuß gesetzt.
Der Verfasser, der im israelischen Herzlija als Forschungsstipendiat am „Global Research in International Affairs Center“ arbeitet, kommt zu dem Schluss: „Die Verfolgung von Christen ist keine islamistische Randerscheinung. Sie ist vielmehr Teil eines größeren Islamisierungsprozesses, der in der palästinensischen Gesellschaft stattfindet. Der Aufstieg der Hamas gehört dazu.“
Diskriminierung auch im Westjordanland
Im Westjordanland leben deutlich mehr Christen als im Gazastreifen. Doch auch hier beobachtet Spyer Tendenzen, ihnen das Leben schwer zu machen. So schrieb die palästinensische Tageszeitung „Al-Ajjam“ kürzlich über das Prinzip der Enteignung von Land, das Christen gehört. Dies sei vor allem in den Regionen Bethlehem, Ramallah und Al-Bireh üblich. Der Autor des arabischen Artikels, Abd al-Nasser al-Nadschar, beklagte, dass von den Behörden keine „konstruktive Aktion“ für die Christen ausgehe. Das Interesse der Palästinensischen Autonomiebehörde und anderer Einrichtungen sei offenbar gering.
Offiziell wird weiter behauptet, die Palästinenser seien eine einzige Nation. Zwischen Muslimen und Christen herrsche Harmonie. Die offizielle Führung der arabischen Christenheit bläst in dasselbe Horn. „Unterdessen sind die Christen vor Ort ängstlich und stimmen mit ihren Füßen ab“, heißt es in der „Jerusalem Post“. „Bethlehem zum Beispiel hat erlebt, dass seine christliche Bevölkerung von einer 60-Prozent-Mehrheit im Jahr 1990 auf unter 20 Prozent heute gesunken ist. Die kleine und drangsalierte christliche Minderheit in Gaza könnte in naher Zukunft einfach aufhören zu existieren.“
Spyer macht ausländischen Medien, Nicht-Regierungsorganisationen vor Ort und manchen politischen Führungen im Westen den Vorwurf: „Sie fördern lieber eine Version der Ereignisse im Westjordanland und in Gaza, die auf einer Illusion und bewusster Ignoranz basiert, als auf Beweisen. Der langsame Tod einer alten Gemeinschaft ist eine Frucht davon.“